Nachdem Pitchfork ordentlich Wind drum gemacht hat (ein selten gewordener Treffer für die zunehmend irrelevante, ehemalige Indie-Autorität) und sich die restliche Musikpresse drauf stürzt wie eine ausgehungerte Horde Zombies auf ein süßes 4chan-Kätzchen, hab ich wohl endgültig den Zug verpasst und dürfte der letzte sein, der darüber berichtet. Irgendwie war da wohl gerade zu viel los, angesichts der ersten größeren Release-Welle des Jahres. Das hält mich jetzt aber nicht davon ab alle anderen zuspätgekommenen noch auf diese tolle Platte voller hymnischem und psychedelischem Jangle-Pop hinzuweisen. Viel Spaß mit euer neuen Lieblingsplatte. Danke, keine Ursache. Ich helfe doch gern.
Letzte Woche war etwas arm an hörenswerten Veröffentlichungen, das nutze ich mal um das eine oder andere nicht mehr so brandaktuelle Ding ins Rampenlicht zu rücken.
Letzten Sommer erschien dieses tolle Debüt-Tape der Rootsrocker aus Nashville, erst jetzt wurde ich durch die immer zuverlässigen Plattenwühler von Rollo & Grady drauf gestoßen. Es kündigt sich gerade eine kleine Welle von klassisch Blues- und Soul-beeinflussten Retrobands an, aber Blank Range stechen da ganz klar heraus mit einem warmen aber ungeschliffenen Sound und formvollendetem Songwriting und Arrangements. Ein Sound, der von dem derzeit alles dominierenden Garagengedöns kaum weiter entfernt sein könnte und auch jegliche klischeehaften Zeppelinismen und ähnliche Retro-Fallstricke gekonnt umschifft. Oder mal so gefragt: Wann habt ihr zum letzten mal eine wirklich Überzeugende, unpeinliche Rockballade gehört? Eben. Großartige Band, ich freu mich auf mehr davon.
In der massiv diversifizierten Indie-Welt von heute ist etwas annähernd Konsenzfähiges seltener als Hipsterfressen ohne Bart und Brille, aber Gorgeous Bully aus Manchester und ihrem simplen aber effektiven Indiegaragenpowerpoppunk rechne ich doch ganz gute Chancen zu, einen größeren Teil des Spektrums auf ihre Seite zu ziehen. Melodisch und poppig genug um die Weichspülpopper-Schönklangfraktion nicht abzustoßen aber auch gerade eben noch räudig genug und in alten Indireock-Traditionen verwurzelt um die Synapsen krachaffiner Zeitgenossen ausreichend zu kitzeln.
Offiziell erscheint das Ding erst in so zwei Wochen, zum recht happigen Preis ist der Download aber jetzt schon auf Bandcamp zu erwerben.
Die Veranstalter vom Austin Psych Fest, einer zentralen Veranstaltung der US Psychedelic- und Garagen-Untergrundszene, betreiben nebenher auch noch das Label Reverberation Appreciation Society, welches uns jetzt den neuesten Streich der Vernebelungskünstler aus El Paso, Texas präsentiert. Ich war schon sehr angetan von ihrem ersten (?) Album Knife Hits; seitdem sind dessen sonnige Beach Boys-Melodien eher in den Hintergrund getreten, geblieben ist ihr Hang zu exzessivem Einsatz von Halleffekten und den daraus resultierenden, einlullenden Soundscapes. Bonuspunkte gibt's für die beste Artwork-Titel-Kombi seit langem. Und locker machen sollte man sich auf jeden Fall - mit oder ohne psychedelische Hilfsmittel - um dieses Album wirklich goutieren zu können. Denn das ist Musik für echte Liebhaber der genannten Musikgenres; repetitiv, simpel und kompromisslos.
Psychedelischer Surfpunk aus Queensland, Australien. Von Gun Club und den Cramps genau so inspiriert wie von Enno Morricone Soundtracks, hat diese Platte den seltsamen Sog eines David Lynch Films. Alles sehr eingängig und vertraut auf den ersten Blick, bekommt man doch schnell die höchst beunruhigende Ahnung, dass unter der sonnigen Oberfläche ganz und gar verstörende Dinge ihre ersten Schatten werfen. Nicht zu lange auf's Cover starren, sonst verschluckt es euch!
Per email flatterte mir neulich dieses schrullige Indierock-Kleinod entgegen. Wer die Dreistigkeit besitzt irgendwelche Blogger anzuschreiben (machen alle, ich weiß…), sollte besser richtig gut sein. Und Überraschung, Senile Crocodile aus dem britischen Kingston Upon Hull halten der strengen 12XU-Qualitätskontrolle problemlos stand. Wunderschön exzentrischer als auch eklektizistischer, ausufernd-verspieleter Indie Rock mit offensichtlichem Glam-Einschlag wird hier geboten. Macht Lust auf mehr.
Gustave Tiger aus Budapest verpassen ihrem sägenden Noisepunk ein paar ganz eigene Dellen. Ihre Debüt-EP mag sich dabei nicht so recht für eine klare Marschrichtung entscheiden, wirkt trodzdem nicht zerfahren. Eher klingt es ein bisschen so als wären zwei unterschiedliche Inkarnationen der gleichen Band am Werk. Da wäre einmal die an spätere Gun Club Platten oder die Country-Punk-Fusionen von Angst erinnernde, folkig-countryfizierte Schrammelvariante. Und der böse Zwillingsbruder davon in in der Form psychedelisch-düsterer, treibender Noiseattacken; ich fühle mich hier etwas an das eigenwillige Ten Kens-Debüt erinnert. Dann gibt's als krönende Abschlüsse noch eine epische Postpunkexplosion á la P.I.L meets Birthday Party und eine erstaunlich eingängige Venom-Coverversion. Und fertig ist eine der erfrischendsten und eigenständigsten Platten in letzter Zeit.
Während Freunde des treibenden und düsteren Postpunk noch sehnlich auf den ersten Langspieler von Lower warten, kommt ganz unerwartet so 'ne Band aus Tacoma, Washington daher, die diese Lücke nicht nur auszufüllen vermag, sondern mühelos in der Weltliga mitspielt. Erinnert durchaus an erwähnte Lower und ihre Kopenhagener Kollegen Iceage oder an White Lung. Wenn man etwas weiter in der Musikgeschichte zurückspult fallen einem dann auch die eigenwilligen Gitarrenlinien der Wipers ein und das melodische Geschredder von Hüsker Dü steckt da auch mit drin. Aber ehrlich, ein so ganz passender Vergleich fällt mir dann doch nicht ein. Criminal Code sind ein hervorragendes Beispiel, wie man aus durchaus bekannten und erprobten Genre-Versatzstücken sein ganz eigenes, unverwechselbares Süppchen kochen kann. Die Entwicklungen des letzten Jahres lassen auf ein gutes Jahr 2014 für treibenden, innovativen und kompromisslosen Hardcore und Punk hoffen. No Device ist nicht nur ein guter Vorgeschmack darauf, sondern ein absolutes Highlight des noch jungen Jahres.
Die drei Musikerinnen dieser Supergroup (was für'n Scheißwort!) aus Seattle haben sich bisher in Bands wie Tacocat, Chastity Belt und Pony Time die Finger blutig gespielt. Wer bei jenen Bands schon mal reingehört hat, dürfte schon eine vage Vorstellung davon haben, was ihn auf dem Debüt-Tape (*grmpfh*) der Band erwartet. Treibender Garagenpunk mit einer gewaltigen Portion Humor, so einigen seltsamen Verschrobenheiten und ausgeprägten feministischen Untertönen in den Lyrics, frei von jeglicher Holzhammer-Rhetorik.
Die letztes Jahr erschienene EP Amagosa ließ mich schon ein wenig interessiert aufhorchen, stand aber noch auf etwas wackeligen Füßen was das Songwriting anging. Der neue Kurzspieler der Band aus Olympia, Washington ist in der Hinsicht ein gewaltiger Sprung nach vorne und das ganze klingt etwa wie eine Verschmelzung von Joy Divisions düsteren Postpunkwelten mit der Melodiösität und treibenden Energie von Hüsker Dü oder Dinosaur Jr, vielleicht auch etwas spätachziger-Sonic Youth. Vielversprechend.
*edit*
Ich lese gerade, dass diese Songs der gleichen Session entstammen wie die Amagosa EP, mein Gefasel wegen Weiterentwicklung und so stellt sich damit als Quatsch raus. Komisch, denn ich finde nach wie vor dass Haunted eine viel stärkere, reifere Platte als ihr Vorgänger ist.