Wenn die ehemalige Indie-Autorität ihre namensgebende Mistgabel mal wieder zum aufspießen einer lauten Gitarrenband in Form eines beinahe-Verrisses zur Anwendung bringt, kann man fast darauf wetten dass ich drauf abfahre. So auch im Fall der Solids aus Montréal, deren treibenden Noisepunk sie als zu simpel und langweilig abtun. Nun ist das besagte Magazin in letzter Zeit ja auch eher dafür bekannt, jeden mittelmäßigen Elektropop-Act oder aufstebenden Kommerzrapper zum nächsten großen Ding zu ernennen, der Bezug zu treibendem Gitarrenkrach ist den Schreibern dort schon vor vielen Jahren abhanden gekommen. Das erklärt wohl auch das Problem des Rezensenten, die eigentliche Stärke des Albums zu erkennen, das Fleisch des ganzen liegt nämlich in dem (genau!) simplen aber effektiven und immer stimmigen Gitarrengeschrammel, hinter dem die eher unauffälligen Gesangsmelodien zurecht in den Hintergrund treten müssen um die melodischen Krachattacken umso mehr erstrahlen zu lassen. Wie zurecht angemerkt, wagen Solids keine Experimente, üben sich vielmehr in Indierockiger Formvollendung. Hier wird nicht eine überflüssige Note gespielt, dafür immer genau die richtige. Irgendwann verwischen bein Hörer etwas die Grenzen zwischen den Songs, die Platte spült in ihrer homogenen Wucht wie eine riesige Welle über den entzückten Hörer. Trotzdem leisten sie sich in den einzelnen Songs keine Schwächen, jeder davon kann auch für sich selbst stehen.
Als Einordnungshilfen muss man zwangsläufig mal wieder Japandroids und No Age anführen oder die (noch) recht unbekannten Weed aus Vancouver. Auch Dinosaur Jr. oder Sonic Youth blitzen mal durch und eine gewisse Nähe zum Emocore der frühen Neunziger hört man ganz klar raus. Wer mit derartigem melodischem Krach etwas anzufangen weiß, wird mit dieser Platte noch lange seinen Spaß haben.
Ein kurzer Versuch die Fakten zu entwirren:
1. Krill sind eine Indierock-/Postcore-Band aus Boston, ihre hier besprochene neue EP erschien soeben.
2. Pile sind eine weitere Indierock-/Postcore-Band aus Boston. Ihre neue 7" "Special Snowflakes / Mama's Lipstick" erscheint im März.
3. Steve ist ein Charakter aus einem Pile Song. Er ist auch Gegenstand der Krill-EP "Steve hears Pile in Malden and Bursts into Tears".
4. Die Konzept-EP Steve Hears Pile in Malden and Bursts into Tears handelt davon wie Steve die Erkenntnis, ein Charakter aus einem Pile-Song zu sein, in eine schwere existenzielle Krise stürzt.
Alles verstanden? Ok, dann können wir ja jetzt zur Begutachtung der Musik übergehen. Die erweist sich als eine zeitlose Mischung aus 90er Indie-Ikonen wie etwa Pavement oder Chokebore und dem vertrackten, intelligenten Sound den das Washingtoner Dischord-Lager etwa zur gleichen Zeit so hervorbrachte. Und die auf der Platte besungene Band liegt auch nicht ganz fern als Referenz. Weil Krill aber nicht nur ihr Genre souverän meistern, sondern dies auch auf der Grundlage von fünf durch und durch stimmigen Songs bewerkstelligen, ist diese Platte weit davon entfernt, lediglich ein weiterer Beitrag zu der bald zu erwartenden Übersättigung an derzeit so angesagten Neunziger-Wiederkäuern zu sein. Das hier ist eine Platte mit haufenweise Substanz, eingespielt von einer selbstbewussten Band, die auch den neuesten Trend überleben wird. Und die andere Bostoner Band auch. Deren letzten Langspieler Dripping muss man dringend mal gehört haben.
Split-Singles, -Alben und -EPs sind doch alt und langweilig. Wie wär's mal mit einem anderen fast vergessenen Format? Die zwei Bands aus Oakland liefern sich anlässlich ihrer anstehenden gemeinsamen Tour auf dieser bei Fuzz City Records erschienenen Cassingle ein kleines Song-Duell. Das Ergebnis ist ein klares unentschieden, beide Songs werden Freunden des oldschooligen, punkinfizierten Powerpop ein zufriedenes Lächeln entlocken.
Dieses Duo aus Oakland überrascht mit einer sehr ausgereiften Debüt-EP. Könnte man irgendwo zwischen den Eckpfeilern Postcore und -punk, Noise und etwas derberem Shoegaze einordnen. Erinnert mich auch sehr positiv an die hier schon gefeatureten Wild Moth. Es ist genau die Art von Gratwanderung zwischen Krach und Melodie, Aggression und Melancholie, die mich immer von neuem anfixt. Gut gemacht.
Ungemein rockender Siebenzöller der Band aus Murray, Kentucky. Oszilliert irgendo zwischen noisigem Garagenpunk und garagigem Noisepunk. Setzt meinen Denkapparat kurzzeitig ausreichend außer Betrieb um selbst die nervtötenden Whoo-hoo's im letzten Song wohlwollend zu ignorieren.
Jetzt erstmal tief Luft holen, denn dieser Post wird zwangsläufig in einer einzigen Namedropping-Orgie enden. Kicking Spit kommen aus dem kleinen Kuhdorf New Brunswick im Bundesstaat New Jersey und in so einer Umgebung bleibt ja gerne mal die Zeit etwas stehen. Passend dazu klingt ihre Musik nach so ziemlich allem was so zwischen '85 und '95 ordentlich Krach und Laune gemacht hat. Am stärksten vertreten wären da erst mal die melodischen Gitarrenwände von Hüsker Dü und Dinosaur Jr. Dann gibt's noch ein paar kleine Hardcore-Attacken, Melvins-Riffs, gewisse Grungeanleihen, frühneunziger Noiserock á la Fudge Tunnel oder Green Magnet School, Superchunk-Melodien und auch die frühe Emo-Phase klingt etwas an. Alles mit drin.
Damit positionieren sie sich in der Nähe von aktuellen Bands wie California X und Milk Music, verstecken brauchen sie sich vor denen aber überhaupt nicht. Negative Feedback ist eine wahnsinnig spaßige Platte, randvoll mit melodischem Krach, die besagten Bands in nichts nachsteht. Die rohe Produktion, die so klingt als wäre sie vom dreckigen Boden eines halbleeren Clubs aufgemopt worden, veredelt die ganze Angelegenheit dann noch vollends. Die Platte kam schon letzten Sommer raus, aber niemand hat's da wirklich mitgekriegt. Ich auch nicht. Käme die Band aus Los Angeles oder sonst irgendeiner angesagten Metropole, hätten sich bestimmt schon alle drauf gestürzt. Bleibt zu hoffen, dass sie in nächster Zeit doch noch ihr Publikum finden.
Die begrüßenswertesten Entdeckungen scheinen immer aus dem Nichts zu kommen. Auf diese wundervolle EP der Band aus dem kanadischen Ottawa wäre ich von alleine nie gestoßen, wenn nicht die fleißigen Leute von Weird Canada so aufmerksam den dortigen Musikuntergrund beobachten und dokumentieren würden. Kings Quest spielen schammeligen und melodischen Indie Rock, der oberflächlich zwar aus der aktuellen Indie-/Dreampopp-Trickkiste schöpft, aber doch ganz einzigartig klingt und angenehm wenig mit dem derzeitigen Zeitgeist konform geht. Prägendes Element sind die mehrstimmigen, für rockfixierte Ohren doch eher ungewöhnlichen und vermutlich auch ein wenig in der klassischen Musik geschulten Gesangsharmonien der beiden Sängerinnen, gekonntert von einer leicht exzentrischen Spielart flotten Jangle Pops, welcher der Schönheit der Songs immer die richtigen Dissonanzen entgegen zu halten weiß und die melancholische Grundstimmung noch weiter in den Vordergrund rückt. Musik wie aus einer längst vergessenen Zeit, in einer unerforschten Parallelwelt voller seltsamer, beängstigender Schönheit.
Kurze aber schöne 7", erschienen in der LAMC-Serie von Split-7"s bei Famous Class Records. Zwei mal psychedelischer Garagenrock, einmal in der schnörkellos-energetischen Variante von Ty Segalls allseits bekannter Band Fuzz, auf der anderen Seite gibt es dann die deutlich krudere Version davon, beschert von den gerade aufstrebenden CCR Headceaner.
Und schon wieder geiles Zeug aus Portland. Diesmal gibt's melodisch-düsteren Punkrock der tempomäßig etwas gedrosselten, nichts desto trotz sehr treibenden Sorte. Aufgrund von Sound und Herkunft drängen sich natürlich mal wieder Vergleiche zu den Wipers auf, aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. Mindestens genau so oft erweckt die Platte Assoziationen zu der melancholischeren Seite australischer Punkklassiker á la Radio Birdman oder The Saints und diversem Zeug was danach noch kam. So was trifft bei mir ja schon mal per default den richtigen Nerv. Experimente gibt es hier keine, die Songs bilden eine angenehm homogene Einheit und weil die Band auch in Sachen Songwriting nichts anbrennen lässt, überzeugt die Platte von Anfang bis Ende.
Das 2012 erschienene, selbstbetitelte Debütalbum von Woolen Men war ein roher Diamant, versteckt in der unüberschaubaren Masse an mäßigen bis überflüssigen Garagenrockveröffentlichungen. Ich lege es jedem auch nur ansatzweise am Genre interessierten dringlich ans Herz da mal ein Ohr zu riskieren, lohnt sich ungemein.
Auf ihrer neuen EP schlägt das Trio aus Portland aber eine deutlich andere Richtung ein, weg von den psychedelisch angahauchten Jams hin zu kompakteren, eingängigen zwei-Minuten Powerpop-/Punkkloppern. Und diese Transformation gelingt ihnen ganz hervorragend dank ausgezeichneter Songs. Wieder mal ein Volltreffer.