Wer dieses Blog schon etwas länger verfolgt, dem sind die Postpunker aus Leeds hier sicher schon mal mit ihren ersten zwei EPs begegnet. Ihr erstes Album Dissemble hab ich seinerzeit dann mal ausgelassen. Das war keineswegs schlecht, aber meinen Erwartungen wurde das auch nicht gerecht; für meinen Geschmack war das alles etwas zu nah am "sicheren" aber unbemerkenswerten Genre-Standardfraß gebaut.
Ihre zweite LP The Moral Crossing ist im Vergleich eine viel, viel stärkere Platte. Wenn auch eine von der Sorte, der ich mehr Respekt als Liebe entgegen zu bringen vermag. Ein zu Beginn sorgfältig konstruiertes, atmosphärisch dichtes Werk, das einen beachtlichen Sog entwickelt, in der zweiten Hälfte aber auch zunehmende Abnutzungserscheinungen zeigt. Dennoch, alleine schon der Mittelteil mit den Übersongs Future / The Moral Crossing / Torment, die sich als der emotionale Kern des Albums herausschälen, ist eine beachtliche Leistung.
Mehr als je zuvor schöpfen Autobahn ihre Inspiration aus klassischem 80er Goth. Wer mit einem gewissen Maß an Pathos und Kitsch nicht klar kommt, wird sich mit dieser Musik schwer tun. Die Songs können diesen Ballast größtenteils aber auch problemlos tragen. Ausbalanciert wird das ganze dann aber von den hypnotischen Kraut- und Psychedelic-Anleihen, die irgendwie auch schon immer Teil ihres Sounds waren, aber hier erstmals vermehrt ins Zentrum rücken. Manchmal bewegen sich die Songs gefährlich nah an der Schwelle zum Alternative Rock, ohne mich dabei allzu sehr anzupissen.
Neben der neuen Protomartyr ist The Moral Crossing wohl die zweite diesjährige Postpunk-Veröffentlichung mit stark Genre-übergreifendem Appeal. Mal abwarten was jetzt passiert. Nicht viel, vermutlich.
Einfach gestrickten aber ebenso mitreißend dargebotenen Punkrock mit garagigen/postpunkigen Zwischentönen setzt es auf dem Debütalbum der Leipziger Band. Stellenweise könnte man das als eine etwas erdigere Version von Short Days beschreiben, außerdem meine ich leichte Spuren von z.B. Daily Ritual oder Criminal Code zu erkennen. Kann was.
Der erste Kurzspieler dieser Band aus San Francisco macht schon mal einen ausgezeichneten ersten Eindruck in der Gestalt von fünf ausgesprochen kurz angebundenen Ausbrüchen aus Hardcore, Post- und Garage Punk.
Bike Thiefs sind ein Trio aus Toronto und hierbei handelt es sich um ihre dritte EP. Die macht ziemlich Laune mit einem schön druckvoll vorwärts walzenden Klangkostüm, das zwischen postpunkigem Indierock und wuchtigem Postcore oszilliert, beides ist mit einer herzhaften Noise-Kante versehen. In der erstgenannten Eigenschaft erinnert mich das ein wenig an die Gotobeds, in der letzteren an aktuelle Bands wie Tunic, Greys oder Batpiss. Das fluppt ganz hervorragend.
Seit einigen Jahren stehen die Wireheads aus Brisbane jetzt schon für einen ausgesprochen kruden Sound, der klingt als würde er jeden Moment in sich zusammen fallen und der auf seine ganz unverwechselbare Art Elemente aus Garage Rock, Proto-, Post- und Art Punk vermengt. Es treffen Versatzstücke von Modern Lovers und Velvet Underground auf den Minimalismus und die quasi zur Religion erhobene Repetition von The Fall. Aber mit einem Frontmann, der eher suizidgefährdet als streitlustig klingt. Dabei gibt er eine eigenwillige Lyrik von sich, die sich mehr auf einer emotionalen als auf einer logischen Ebene erschließt. Als wiederkehrendes Motiv lässt sich diesmal eine seltsame Zahlenmystik erkennen. Kann was bedeuten, muss aber nicht.
Zugänglicher klingen sie auf ihrem neuen Album und definitiv einfacher an einem Stück zu hören als auf dem sehr guten, aber auch recht fragmentarisch und sediert wirkenden Vorgänger Arrive Alive aus dem letzten Jahr. Das meine ich keineswegs abwertend. Der schleppende, resignierte Vibe der letzten Platte war kein Unfall, sondern genau der springende Punkt, das zentrale emotionale Statement dieses Albums. Auf Lightning Ears sind hingegen nicht nur die rockenden Nummern zahlreicher und haben deutlich mehr Biss, auch viele der ruhigeren Momente gehören zu ihrem besten Songmaterial. Die Psychedelia von Is Frances Faye God? und das folkige The Overview Effect gehören zu den definitiven Highlights hier.
Der dieses Jahr aus der Taufe gehobene Tape Club des New Yorker Labels Exploding In Sound hat mich vor kurzem ja schon mit dem großartigen Tape von Milked sehr beeindruckt. Auch die neueste Kassettenveröffentlichung der Bude weiß mir durchaus zu gefallen. Die kommt von von Big Heet aus Tallahassee, Florida und zu hören gibt's recht verschwurbelten und vielseitigen Postcore, der neben vielen anderen Einflüssen öfter mal an so Bands wie Unwound, Jawbox oder Drive Like Jehu erinnert. Den Songstrukturen würde hier und da noch etwas Feinschliff und Entwirrung gut tun, aber es gibt auch haufenweise positive Überraschungen. Etwa wenn der Opener On A Wire mit sehr markanten Mission Of Burma-Harmonien aufwartet. Wenn in Mirror aus an 80er Sonic Youth erinnernden Dissonanzen plötzlich ein kurzes Gitarrensolo aufpoppt, das man so eher auf einem frühen Television-Demo erwartet hätte. Oder wenn sie, wie in Incomplete, in einen absolut tadellosen, melodischen Punkklopper ausbrechen, der bei aktuellen Genre-Größen wie Red Dons oder Radioactivity nicht fehl am Platz wäre. Die weitere Entwicklung der Band wird sicher spannend.
Eine eiskalte Brise kommt in Form dieser Platte von irgendwo aus Frankreich zu uns rübergeweht, mit Klängen die gleichermaßen sinister und einlullend sind. Minimalistische Kraftwerk-Elektronik wird darauf zusammen mit einer kulturell unbedarften Vorstellung von was auch immer zum Henker ein Chanson sein könnte durch den Suicide-Fleischwolf gedreht; das alles vermengt sich letztendlich zu einem surrealen Albtraum in dem David Lynch und John Carpenter die Bontempi-Orgel bedienen. Gute Nacht, schlaft alle gut.
Die Punks aus Oakland haben bisher noch nie enttäuscht und auch die neue 7" auf Emotional Response ist mal wieder A-Material ohne besondere Überraschungen. Eben ihr ganz eigener, unverkennbarer Sound aus 77er-, Garage- und leicht angewavetem Post Punk.
Das zweite Album des Duos aus Springfield, Missouri gefällt mir auf Anhieb sehr gut, rollt einen Sound aus Synthpop/-punk aus, der in jeder Menge Goth und was-auch-immer-für-ein-Wave (Sorry, hier enden meine Genre-Kompetenzen. RRRHund, übernehmen sie!) getränkt ist. Das Songmaterial ist überwiegend recht einfach gestrickt, der Klangteppich dafür reich an noisigen Texturen. Mehr braucht es auch gar nicht, das Ding fluppt sehr ordentlich. Das definitive Popsong-Highlight When You Were Mine lehnt sich mit seinen starken Shoegaze-Vibes dann aber doch noch vorsichtig aus dem Fenster.
Die neue EP der britischen Experimentalband fällt mal wieder wunderbar aus dem Rahmen mit ihrem weitgehend ungemütlichen, sperrigen Sound, der unter anderem Vergleiche zu The Fall, frühen Sleaford Mods oder Swell Maps provoziert, der außerdem einen vagen No Wave-Einfluss, einen Hauch von Kraut und Psychedelia nicht verbergen kann. Dieser krude Klangteppich stellt ein absolut passendes Vehikel für die giftigen Rants von Sänger Pete Davies dar, in denen er eindeutige Ansagen über das Zeitgeschehen und die grimmige Realität vor der eigenen Haustür in ausgesprochen surreal anmutende Lyrik verpackt.