Nach einer ziemlich umwerfenden EP im letzten Jahr hält diese israelische Band das hohe Niveau und den Energielevel in ihrer ganz eigenen, exquisiten Spielart des strukturierten Chaos'. Das ist erneut ein lärmiger Tritt in die Weichteile, der seinen Ursprung irgendwo zwischen den groben Spezifikationen von Noise Rock, Post Punk, Hard- und Postcore hat und zumindest oberflächliche Ähnlichkeiten etwa zu Cutie, Big Bopper, Brandy, und frühen Patti aufweist… und als besondere Krönung eine großzügige Dosis Big Black obendrein!
Die neue LP dieser New Yorker Band im Grunde zwar nur eine expandierte Version ihrer 2021er EP Triangulation by way of Strangulation, aber die vier hinzugefügten neuen Tracks heben das ganze auf ein höheres Level wenn ihr mich fragt und werfen eine dringend nötige Dosis Chaos in den Raum, ein willkommenes Gegengewicht zu den vergleichsweise rigiden, Richtung spät-'80er Noise Rock tendierenden Songs von besagter EP. Sehr offensichtlich bedient man sich hier stark an der lokalen No Wave-Historie - sowohl des unstrukturierten Lärms als auch den funky James Chance-ismen - sowie einem Strauß an weiteren Proto-Noise Rock-Acts der frühen 80er wie Flipper, Primitive Calculators und ganz besonders No Trend.
Diese New Yorker Band ist irgendwie ein seltsames, dem Zeitgeist trotzendes Biest, das seiner Neigung zum Punk, Grunge und Indie Rock der späten '80er bis frühen '90er ungezügelten Lauf lässt. Auch wenn der erste Song hier ganz unsubtil Nirvana betitelt ist, würde ich sie eher mit frühen Mudhoney und der lärmigen, frühen Inkarnation der Pixies vergleichen, mit weiteren Anleihen von, sagen wir mal, U-Men, Scratch Acid und Drive Like Jehu. Im Grunde also genau die Art von Band, die vor so ca. 15 Jahren, auf dem vorübergehenden Gipfel der ersten 90er-Nostalgiewelle, diverse Pitchfork-Schreiberlinge feucht im Schritt werden ließ. Heute hingegen ist diese Platte eine obskure, schrullige Kuriosität und das macht sie für mich umso liebenswerter.
Diese Band aus Sydney schleppt reichlich lokales Inventar mit, haben Mitglieder doch unter anderem in so Bands wie Bed Wettin' Bad Boys, Royal Headache, Tim and the Boys und Mundo Primitivo mitgespielt. Aber ehrlich gesagt klingen Osbo nach überhaupt keiner dieser Bands. Viel mehr erinnert mich ihr fuchsteufelswilder Mix aus Post- und Hardcore stark an die Abrissbirnen Predator und Nag aus Atlanta, sowie weitere amerikanische Vertreter der Sorte Institute, Acrylics, Tube Alloys, Pyrex, Corker und Criminal Code… oder alternativ auch Sydney's eigene Krawallkollegen Arse und Xilch. Denkt euch jetzt noch eine proto-Noise Rock-Kante á la Flipper oder No Trend dazu und das kommt dann ungefähr hin. Das vollkommen entgleiste Gebell des Sängers hingegen erinnert mich sehr an die Engländer Akne.
In jüngerer Zeit hat es noch nie so etwas gegeben wie eine schlechte Woche für Eggpunk, aber diese Woche war mal wieder ganz bemerkenswert hochwertig mit drei überdurchschnittlichen Veröffentlichungen. Paulo Vicious aus Tel Aviv dürfte euch ja bereits von der Ärsche tretenden Debüt-EP im letzten Winter ein Begriff sein. Der Nachfolger davon nimmt nahtlos dessen Stränge wieder auf und erzeugt weiter kranken Spaß am laufenden Band mit starken Echos von Prison Affair, Set-Top Box, Nubot555 und obendrein einer glitzernden Patina aus 8.Bit Chiptunes. Dårskap aus Oslo wiederum nähern sich den Egg-verwandten Sounds mit einem gewissen Dungeon Punk-Unterton und der subtile Deathrock-Vibe wirft die Frage auf, ob hier vielleicht personelle Überschneidungen zur ebenfalls aus Oslo stammenden Band Molbo bestehen, die es erst letzte Woche an dieser Stelle zu bestaunen gab. Zu guter Letzt liefern die Schweden Gurk vier neue Attacken des ultra-catchy Egg-induzierten Wahnfrohsinns auf einer neuen EP, die ich mal durchaus als ihre bislang stärkste bezeichnen möchte.
Wieder mal berauschend wie Klebstoff, die neue 2-Track-Single von Schleswigs führendem Viking Synth Punk-Zauberer Klint. Klar gibt es da wieder reichlich Schätze aus griffigem Liedgut zu bergen sofern man es lebend bis auf den Grund dieser von Ratten besiedelten Stachelgrube schafft. Letzteres ist keine Übertreibung, denn insbesondere im Titeltrack lässt sich hier Klint's einzigartige Ästhetik zu ganz neuen Abgründen aus kantigem Elektropunk-Lärm herab und lässt sich aber keinerzeit davon abhalten, dem Prozess die volle Ladung von unterschwellig pervers anmutendem Spaß abzugewinnen.
Zwei beachtliche Veröffentlichungen mit mehr oder weniger starkem Dungeon Punk-Bezug sind hier diese Woche gelandet. Erstmal wäre da die Debütkassette von den Norwegern Molbo, die oberflächlich betrachtet vor allem die in letzter Zeit ja wieder sehr schicklichen Einflüsse aus '80er Goth, Death Rock und Post Punk vor sich her tragen. Gleichzeitig setzen sie dem aber auch eine unwahrscheinlich wirkende, launige Eggpunk-Ästhetik entgegen und beziehen reichlich schrägen Spaß aus einem Genre, das sich sonst gerne mal etwas zu ernst nimmt - was zugegebenermaßen auch manchmal seine ganz eigene unfreiwillige Komik mit sich bringt.
Das Duo Kerozine aus Ipswich, England hingegen nähert sich einer gewissen Dungeon-Ästhetik mehr aus dem Winkel von gleichermaßen geradlinigem und bezaubernd noise-lastigem Synth- und Elektropunk, so eingängig wie auch treibend und schlagkräftig. Die besten halbwegs aktuellen Vergleiche, die mir auf die Schnelle so einfallen wären wiederum Bands wie etwa Spyroids, O-D-EX, Drýsildjöfull, Channel 83, C57BL/6, Expose und Beef.
Die Hard-/Postcore-Institution Sorry State Records aus Raleigh, North Carolina hat zwei neue Leckerbissen für uns auf Lager. Zuerst wäre da mal die Demokassette von Chaos OK aus Atlanta zu nennen. Der Name suggeriert ja schon mal oldschool britischen Lärm und in der Tat hat das zu Beginn so einen leicht UK82-mäßigen Vibe, welcher daraufhin aber recht schnell in eine etwas aktueller wirkende Form übergeht, nicht unähnlich zu leicht Garage-infizierten Hardcore-Acts á la frühe Electric Chair oder Kaleidoscope. Die letzten zwei Songs kommen hingegen rüber wie eine Mischung aus zeitlosem Noise, Post Punk und Postcore, irgendwo zwischen den Welten etwa von Crass, Flipper und Drive Like Jehu. Aufregender Scheiß!
Eine ähnlich oldschoolige, wenngleich auch bei weitem primitivere Naturgewalt ist die neueste 7" der Finnen Valtatyhjiö, die hier vor allem mittels schierer Krafteinwirkung überzeugen und diverse Eigenschaften von überwiegend europäischem '80er Hardcore mit - und damit schließt sich der Kreis bezüglich britischer Einflüsse - klar NWOBHM-inspirierten (Speed-)Metal-Versatzstücken anreichern.
Was ich zuletzt über Uranium Club und ihre Wirkung auf die Garagepunk-Szene gesagt habe, ließe sich so änlich auch auf diese Band aus Oakland und ihr spezifisches (Sub-)Genre anwenden. Hier ist also eine neue LP einer weiteren Band, die zwar unter'm Strich bislang gar nicht sooo viel Musik veröffentlicht hat, aber dennoch spürbare Wellen durch die Art- und Post Punk-Szene der letzten Jahre gehen ließ. Ihr letzter und bis dato einziger Langspieler liegt jetzt schon über fünf Jahre zurück und die verstrichene Zeit wird sehr deutlich spürbar auf dem Nachfolger, bricht sich Bahn in einem stark gereiften Sound der sie erneut als eine Band präsentiert, die sich selbstbewusst gegen Grenzen des eigenen Genres stemmt. Ein Sound, den sie hier gekonnt weiterentwickeln und vorantreiben, ohne dabei jedoch die Tugenden zu vernachlässigen, die sie von Anfang an zu einer besonderen Band gemacht haben. Was auf der 2022er digitalen Single Dirty Water bereits seine Schatten voraus warf, entfaltet sich hier zur vollen Blüte - die Songs und Arrangements, wenngleich immer noch stark verwinkelte und komplexe Konstruktionen, haben viel an Eleganz und melodischer Schönheit gewonnen, immer geerdet in filigraner Songwriting-Kunst. Songs wie die absolut brilliante Vorabsingle See It Too channeln dabei einige der melodischeren und eingängigsten Aspekte von '70er Wire aber vollziehen dabei das Kunststück, die Schlaumeierästhetik mit einem satten Maß menschlicher Wärme und aufrichtiger Emotion auszubalancieren.
Das ist ja mal ein brillianter Scheiß, auf den ich so nicht vorbereitet war. Entspricht mal sowas von gar nicht dem Zeitgeist und hat klar seinen ganz eigenen Willen. Jau, das Zeug fühlt sich irgendwie alt an. Ich bin auch irgendwie alt, deshalb mag ich das. Man stelle sich vor, Saccharine Trust, Minutemen, Swell Maps und The Pop Group träfen sich für ein okkultes Ritual, um einen vergessenen Acid Rock-Dämon aus den 60ern zu beschwören, das Resultat einer unheiligen Vermählung von Psych- und Math-Rock. Klar steckt dessen Nase ein paar Millimeter weit im eigenen Arschloch, aber das gehört ja auch zum guten Ton in diesen Genres. Vermutlich habt ihr an diesem Punkt schon entschieden, ob ihr den Krempel liebt oder hasst. Ich persönlich finde das, was die Gruppe aus Philadelphia hier halluziniert ausgesprochen knorke! Das gehört einfach… legalisiert, sowas!