Was auch immer sich über diese Band aus Cincinnati, Ohio herausfinden lässt bleibt in einen dichten Nebel der Ungewissheit verhüllt und die etwas stereotypische Verliererband-Pseudobiographie auf der Bandcamp-Seite stärkt jetzt auch nicht gerade das Vertrauen in dessen Wahrheitsgehalt. Da sind also vermutlich Leute von Bands wie The Serfs, The Drin, Crime of Passing und Motorbike involviert und zumindest einige der Songs lassen sich ins Jahr 2019 zurückverfolgen, als sie erstmals auf der Pedestrian Sentiments EP erschienen sind. Darüber hinaus weiß ich aber nicht, inwiefern man den Details glauben schenken soll. Eins ist allerdings sicher: Die Musik tritt durchweg Arsch und bringt zumindest in gewisser Weise die Ästhetik, wechselhaften Produktionswerte und stilistische Breite der goldenen Guided By Voices-Ära in Erinnerung. Davon ab, oszilliert das Zeig so zwischen schrammeligem Power Pop im Geiste etwa von Bad Wettin' Bad Boys oder Bad Sports in Songs wie Coward Of The State, Wannabe (A Star) und Silver Queen; erdig-psychedelischem Garage Rock (Didn't Win The Lottery, Obnoxious And A Neu) sowie ein paar catchy melodischen Garage Punk-Smashern á la Booji Boys, Tyvek and Parquet Courts. It's Been A Bad Week ähnelt der Garage-getränkten Noise-Ästhetik von A Place To Bury Strangers, Peyton's Kids hat so einen gewissen Woolen Men-Vibe und mehr als nur einmal fühle ich mich auch an den folkigen Post Punk von Chronophage erinnert.
Noch eine saustarke EP von Cel Ray aus Chicago, die hier genau da weitermachen wo sie mit der im Früjahr erschienenen Cellular Raymond EP aufgehört haben. Ich wiederhole mich hier, aber nach wie vor kommt mir ihr verspielter und erfinderischer Sound so rüber wie eine Kombination aus einigen der tollsten female-fronted Bands der vergangenen Dekade á la Vexx, BB and the Blips, Negative Scanner, Gen Pop or Amyl and the Sniffers einerseits, hat aber auch reichlich Echos der aktuellen Brut des verschnörkelten Garage-meets-Post Punk, repräsentiert durch Bands wie Uranium Club, Reality Group, Patti, Dumb or R.M.F.C..
Die vergangenen zwei EPs von Ismatic Guru aus Buffalo, New York waren schon eine durchaus spaßige, vielversprechende Angelegenheit aber auf ihrer neuesten Kassette greifen die Rädchen ihrer Musik erstmals so richtig ineinander zu einem tighteren Klangbild und einer deutlich ausgereifteren Vision. Ich würde mal sagen dass ihre Mischung grob in den Sphären von Garage-, Synth- und Eggpunk durchaus ihre eigene kleine Nische in einem dicht gedrängten Genre-Umfeld gefunden hat, indem sie die schnuckelig-verschrobene Klangästhetik mit reichlich funkiger Action und darüber hinaus ein paar krautig-psychedelischen Vibes anreichern - letztere werden besonders auffällig im ersten und letzten Track.
Diese Band treibt jetzt schon einige Jahre ihr Unwesen in der australischen Szene und ich bin irgendwie schon überrascht jetzt festzustellen, dass es sich hier erst um ihren ersten Langspieler handelt. Das Intro lockt erstmal auf eine falsche Fähre mit einem leicht Progressive-angehauchten Vibe, aber daraufhin fügt sich dann alles recht schnell wieder zu einer angenehm vertrauten Klangästhetik zusammen, einem Sound, der irgendwie durchweg die gegenwärtige Szene wiederspiegelt aber doch einzigartig innerhalb dieser bleibt mit seiner verwinkelten, filigranen und eleganten Mischung aus Post und Garage Punk, der perfekt die Balance aus Intelligenz und Spaß hält, jederzeit absolut entspannt klingt und dennoch einwandfrei nach vorne geht, bemerkenswert in seinen vielschichtigen Texturen und einer scheinbar mühelosen Darbietung. Gleichzeitig ist es dann noch ihe kompakteste, eingängigste Platte bisher geworden. Stellenweise kann man das mit mehr oder weniger gegenwärtigen Post Punk-Acts wie aktuellen Institute, Exit Group und Mononegatives vergleichen, in anderen Momenten mit der psychedelisch-abgespacten Variante davon á la Marbled Eye, Waste Man, Bruised oder Public Eye und nicht zuletzt noch mit verspielten, cleveren Garage Punk-Bands vom Schlage Erik Nervous, Clarko, Tee Vee Repairman, Mononegatives, Pinch Points, Dumb, Uranium Club, Reality Group… ich kann so gar nicht aufhören mit dem hochkarätigen Namedropping. Die Scheiße regelt!
Eine weitere konstante Präsenz der US-Garagenszene, irgendwie schon fast seit beginn dieses Blogs immer zugange, kommt hier mit einer neuen LP daher und es handelt sich mal wieder so ein verdammtes Prachtstück! So erfinderisch und vielseitig wie eh und je, führt er darauf seine immer angenehm schräge, Devo-fizierte Auffassung von Garage Punk fort, die dem Hörer immer um zwei Schritte voraus und jederzeit mit dem Schalk im Nacken für eine Überraschung gut ist - eine Vision, die sich erstmals mit der 2019er Beta Blockers LP richtig zusammenfügte. Songs wie Hemgeeh und Projector haben so einen leicht spacig-psychedelischen Mononegatives-Vibe an Bord während die zweite Hälfte von ein paar stark Synth-getriebenen Popsmashern und einer fluffigen They Might Be Giants-Coverversion aufgelockert wird. Als besonderes Highlight auf einer eh schon durchweg geilen Platte wäre da noch Alligator Facing East zu erwähnen, eine sowas von perfekte epische Abfahrt zu kompakten vier Minuten verpresst! Andere plausible Orientierungspunkte für den Sound dieser Platte wären dann noch so übliche Verdächtige wie Andy Human and the Reptoids, Freak Genes, Isotope Soap and New Vogue. Geht alles runter wie Bier!
Über die vergangenen Jahre hat sich das in Portland ansässige Label Spared Flesh Records zu einer wahren Festung des unkonventionellen Post-, Garage- und Art Punks gemausert und diese neue LP von Reuben Sawyer aka Anytime Cowboy ist auch wieder so ein erstaunlicher Rohdiamant. Sein bluesiger, minimalistischer Cowpunk-Sound kommt hier in etwa rüber wie eine kleinlaute Inkarnation von The Gun Club, die Angst davor hat die Nachbarn zu wecken… aber auch schon mal wie eine super-gedämpfte Version von Parquet Courts oder Tyvek und in manchen Momenten erscheint mir auch die diesjährige LP von Peace de Résistance als Vergleich nicht allzu weit hergeholt. Eine Klangästhetik, die einen langsam in den Schaf lullen könnte, wäre da nicht diese konstante Ahnung von den schrecklichen Abgründen, die hier hinter jeder Ecke zu lauern scheinen, was nur weiter potenziert wird von Sawyer's tiefer, ruhiger Stimme mit einer gleichermaßen beruhigenden wie unheimlichen Qualität.
Pedigree aus Tournai, Belgien lassen nach ihrer exzellenten 2020er Mini-LP einen weiteren Batzen ausgesprochen kräftiger Songs vom Stapel, die den Trend der letzten Platte fortsetzen, weg vom ursprünglich sehr garagigen Sound hin zu einer stärker im Post Punk verankerten Ästhetik, wobei hier neuerdings aber auch Spuren von '90er Postcore mit dabei sind in Songs wie Trapped,S.A.D. and Bread, die mir unter anderem Klassiker von Jawbox, Drive Like Jehu, Polvo oder Hot Snakes ins Gedächtnis rufen. Disgraced hat hingegen ein Gespür für Melodie unter der Haube, das auch im Reportoire etwa von Vaguess, Bad Sports oder Motorbike nicht weiter auffallen würde. Mein früherer Vergleich zu französischen Bands wie Telecult oder Nightwatchers trifft auch weiterhin halbwegs zu, sowie auch ein Bündel internationaler Acts wie Sauna Youth, Teenanger, Video, oder Clamm.
Nach einer bereits verdammt netten ersten EP im Frühling dieses Jahres kommt dieses (vermutlich) Duo aus Hollywood, Florida jetzt schon mit einer noch viel schrägeren, exzentrischen und eklektizistischen Kassette als Nachfolger daher, dessen Töne erneut an den Tellerrändern von Post-, Garage-, Egg- und Art Punk rumschweben. Gleich zu Beginn fällt mir eine gewisse Ähnlichkeit zu den kruden Proto-meets-Post Punk-Skizzen der ersten Peace de Résistance EP ins Auge, kombiniert mit den Acid-/Space Rock-Tendenzen des jüngsten Scooter Jay Tapes. Digging My Grave überrascht und entzückt dann mit einem angenehm schief liegenden Cowpunk-Feeling während der allgemeine Vibe und ausgesprochene "anything goes"-Ansatz mich besonders an Acts wie Print Head, Electric Prawns 2 erinnern. Auch die brandneue Anytime Cowboy-Platte stellt sicher keinen üblen Vergleich dar. Andere Momente rufen darüber hinaus Assoziationen etwa zu Snooper, Metdog, Checkpoint, Silicone Prairie hervor… sogar eine Spur von frühen Woolen Men hat das ganze!
Auf ihrem vierten Langspieler kommen die texanischen Post Punk-Overlords Institute so stark wie eh und je daher und lassen keinen Zweifel daran, dass sie noch reichlich Tricks auf Lager haben um das Publikum mit unvorhersehbaren Moves auf Zack zu halten. Der Trend des Vorgängers zu einem melodischeren und relaxteren Sound setzt sich hier fort und kommt immer näher an den Vibe von Peace de Résistance, dem irgendwie in New York ansässigen Projekt von Frontmann Mose Brown, das ebenfalls einige Inspiration aus der ersten Welle von Post- und Art Punk bezieht. Da wäre z.B. ein starker Einschlag á la Television, Modern Lovers oder frühen Soft Boys zu vermelden in Songs wie City und Wonder. Dead Zoneklingt dann ein bisschen nach Wipers-treffen-auf-Saints, wohingegen All The Time Anklänge etwa an Métal Urbain, MX-80, Suicide und Chrome beinhaltet. Dopamine For My Baby klingt seltsamerweise stark nach den aktuellen New Yorker Überfliegern Straw Man Army. Alle diese Tendenzen fließen dann zu guter Letzt in dem epischen Rausschmeißer Warmonger zusammen.
Noch so ein irrsinnig hochkarätiger Release auf Erste Theke Tonträger von einer Band aus Melbourne, die sich unter anderem Mitglieder mit Pinch Points, Dr. Sure's Unusual Practice, Gonzo und Dragnet teilt. Der Opener legt gleich los mit einem abenteuerlichen Gemisch zwischen Garage-, Synth- und Art Punk, der mich an so Bands wie Ghoulies, Set-Top Box, Isotope Soap und auch ein bisschen an Erik Nervous denken lässt. Friends geht zunächst in eine ähnliche Richtung, nimmt dann aber eine scharfe Kurve in die Sphären von psychedelischem Post Punk so á la Marbled Eye, Yammerer, Waste Man oder Public Eye. Break überrascht mit einem unverschämt relaxten und psychedelischen Garage-/Fuzz Pop-Groove, gefolgt von dem kompakt-ökonomischen Garagenrocker Ice Summit mit Echos von Parquet Courts, Tyvek und Shark Toys. Wirklich abgefahren wird's dann bei Drift, einem epischen Manöver im dem Garage und Eggpunk-Versatzstücke auf unverblümte Progressive Rock-Anleihen treffen - dabei scheut man sich auch keinesweg davor, im Mittelteil so richtig käsig zu werden. Seite B gibt sich dann etwas weniger ambitioniert und homogener, aber keineswegs weniger entzückend in einem geradeaus rockenden Farbenrausch, der unter anderem so Zeug der Marke Cherry Cheeks, Smirk, Metdog, Powerplant and Freak Genes reflektiert.