Nach zwei schon sehr erfreulichen LPs in '22/'23 trifft der dritte Langspieler dieser Band aus Hamilton, Ontario mal so richtig den Nagel auf den Kopf. Nach einem ironisch-metallischen Intro verströmt der Titelsong direkt mal spezielle Vibes á la MX-80, Chrome und Metal Urbain plus eine winzige Dosis Cramps. Im weiteren Verlauf bekommen wir durchweg Fuzz-/Garage-/Space Punk-Scheiß der ersten Wahl vorgesetzt, schräg genug um uns auf Trab zu halten aber gleichermaßen auch solide gebaut und ausgefuchst, mit dem nötigen Maß an zuckerhaltigem Ohrenschmaus obendrein, wie etwa in Corpus Earthling Meets The Counter Culture, in welchem einem bewährten und gut eingelatschten Punk-Standardriff die exzessive Fuzzpunk-Behandlung widerfährt. In anderen Momenten, besonders in den ersten paar Tracks, geht da so eine Art Hawkwind-machen-einen-auf-Hair-/Glam Metal-Schiene ab. Genauso gut kann man da drin aber auch die Fingerabdrücke eines diffusen Clusters aktueller Bands wiederfinden wie z.B. Zoids, Thee Hearses, Monoburro, Mononegatives, Mateo Manic oder Silicon Heartbeat.
Okay, was haben wir denn hier am Start… also eine Londoner Band, die sich aus Mitgliedern der 2010er Garage Punk-Institutionen Sauna Youth und Cold Pumas zusammensetzt, veröffentlicht auf den zuverlässigen Hausnummern Feel It Records und Upset The Rhythm… was kann da denn noch schief gehen? Nicht viel, der Scheiß fluppt! Dabei klingen Marcel Wave eigentlich nach keiner der genannten Bands und kommen stattdessen mit einigem vom vielleich elegantesten Post Punk daher, den ihr in diesem Jahr zu hören bekommt, mit gewissen Anklängen an Pylon und Delta 5, gelegentlich aufblitzenden Television-Schnörkeln und auch die frühen Werke von Soft Boys und XTC könnten da Spuren hinterlassen haben. Genauso kann man aber auch Parallelen zu viel jüngeren Bands wie Sweeping Promises, Spread Joy oder Bodega ziehen. Durchweg hat das eine gewisse New Wave-Qualität aber ohne dabei jemals überzuckert oder weichgespült zu klingen - ganz im Gegenteil, denn diese Tracks haben immer klare Kontur und durchaus scharfe Kanten, die jedoch immer gekontert werden von reichlich Wärme und Melodie in den Songs und Arrangements - letzteres entlädt sich besonders eindrucksvoll in so Quasi-Balladen wie Peg und Elsie.
Die Band aus Alicante und Valencia, Spanien (die zuvor auf ihrer Debüt-EP auch noch als Disli abgekürzt wurde) hat klar ein paar Tacken zugelegt auf ihrer neuesten EP via Flexidiscos, auf welcher sich simplere Attacken von Hard- und Postcore abwechseln mit aufwändigeren Post Punk-Konstruktionen, bei denen man nie ahnt was als nächstes passiert. Songs wie die Überhymne Glamur Interior balancieren letztere Tendenz aus mit einer Fülle von melodischen Untertönen, sogar einem Hauch von Wire-mäßiger Psychedelia im Rausschmeißer-Track Calambre Exquisito. Der Opener Estás cansado wiederum hat einen leichten Sauna Youth-Vibe und insgesamt mag man auch gewisse Echos von Bands wie Pyrex, Waste Man, Sievehead, Tube Alloys, Corker, Rank/Xerox or Criminal Code heraushören.
Nach einer Handvoll schon außergewöhnlich Laune machender EPs bleibt die Band aus Los Angeles auch auf ihrem ersten Langspieler ein angenehm schräges Rätsel, dessen häufig minimalistische aber immer filigran konstruierte Chaosattacken endlos neue Mittel und Wege finden, die etablierten Genre-Tropes und Konventionen zu umgehen. Darin erinnern die mich an einen ganzen Arsch voll doch sehr unterschiedlicher Bands in verschiedenen Momenten. Was ich aber klar sagen kann ist, dass das hier einen ähnlichen kreativen Geist versprüht zu so Vertretern der hyperaktiven Ablenkung wie etwa Reality Group, Patti, Skull Cult, R.M.F.C., Big Bopper, frühe Uranium Club, Print Head, Subtle Turnhips, Shark Toys, Pressure Pin und Meal.
Ich fand es ein bisschen schwierig, mich für die letzten paar von den zunehmend bruchstückhaften, ungezügelt jammigen EPs dieser Band aus Portland rund um Honey Bucket-Frontmann Matt Radosevich zu erwärmen. Mit ihrer ersten richtigen LP-Veröffentlichung meinen sie es aber ganz offensichtlich ernst und kommen mit ihrem fokussiertesten Brocken Musik seit einer ganzen Weile daher. Weniger ist mehr scheint hier die Devise zu lauten und bricht sich Bahn in fünf ausufernden, gleichermaßen monotonen und verspielten (nahezu-) Ein-Akkord-Wundern, in denen an Stelle von Melodien die Texturen und Rhythmen als tragende Elemente herhalten müssen. In der Tat ist das genau die Art von Minimalismus, die frühe The Fall im direkten Vergleich wie Progressive Rock wirken lassen. Paradoxerweise für eine Platte, die sich so wenig um herkömmliche Vorstellungen darüber schert was einen "Song" ausmacht, hat das ganze einen durchweg unerwartet positiven Vibe in den vermutlich beschwingtesten dreißig Minuten abstrakt-experimenteller Art Punk-Klangkunst, die wir diesen Sommer zu hören bekommen.
Ein verdammtes Dream Team der gegenwärtigen Eggpunk-Welle macht gemeinsame Sache auf dieser neuen Split-EP in Form zweier Bands, die jeweils schon ihre ganz eigenen, unauslöschbaren Spuren in der Szene hinterlassen haben. Ich meine, ganz ohne Scheiß lässt sich plausibel argumentieren, dass beide Bands im Grunde ihre eigenen Egg-Subgenres aus der Taufe gehoben haben. Und was diese Platte angeht: Wie zu erwarten ist das nicht weniger als ein Killerbündel mit ausschließlich Hits unter der Haube!
Hier ist noch mal so ein Qualitätsartefakt des schlaumeierigen Garage-/Post Punk-Hybridgenres, das hier nichts allzu neues oder bahnbrechendes einbringt aber mit wohlkonstruierten Seltsamkeiten entzückt. Genau die richtige Dosis Unberechenbarkeit trifft auf eine Fülle an super-eingängigen Hooks. All das rückt den Krempel grob in die Nachbarschaft von so Bands wie, sagen wir mal, gedrosselten Uranium Club, Vintage Crop, Dumb, Aborted Tortoise, Lithics oder Pinch Points.
Das ist ja mal 'ne beeindruckende Debüt-LP von dieser Londoner Band, die offenbar schon einige Jahre aktiv ist aber sich reichlich Zeit damit gelassen hat, ihr Schaffen auf einem Langspieler zu präsentieren. Vom ersten Moment an hat das so einen Vibe von Saccharine Trust mit einer Prise Flipper dazu. Outsude Looking In entfaltet sich etwa so als würde ein verlorener Wire-Song mit Volcano Suns und Mission Of Burma kollidieren, sowie mit jüngeren Kreationen von Institute, Peace de Résistance. Animals Eat For Free emuliert zu Beginn vorwiegend The Fall der '80er Jahre, nimmt dann aber eine unerwartet melodische Wendung im Chorus. Und so ähnlich geht es weiter in dieser so eklektizistischen wie auch geschmackvollen Schatzkammer aus Ideen und Einflüssen, zu denen ich desweiteren so Bands X (AUS), Membranes, Cravats, Fungus Brains, die frühen, noch nicht so stark Dub-getränkten Swell Maps und noch viele weitere Größen des DIY Post Punks zählen würde. Ebenso ließen sich hier aktuellere Bands nennen wie Shark Toys, The Cowboy, Society, frühere Sleepies, die Weirdo-Franzosen Subtle Turnhips oder andere Londoner Bands wie das Garage-Bollwerk der 2010er Jahre, Sauna Youth oder vielleicht auch Tense Men, deren nachträglich in 2018 veröffentlichter Schwanengesang klare Ähnlichkeiten aufweist. Da ist einfach kein Platz für Langeweile zwischen den endlosen Blitzschlägen aus freidrehender Inspiration und Kreativität.
Unerwartet geiles Debütalbum von dieser Band aus St. Petersburg, Florida. Das spult sich in etwa so ab wie ein umfassendes Kompendium von so ziemlich allem was sich den gängigen Konventionen und Kategorien des Postcore der 80er bis frühen 90er widersetze. So viel guter Scheiß spiegelt sich da drin, angefangen von den eigenwilligeren Tellerrändern der früh-'80er Szene… man denke z.B. an Minutemen, Saccharine Trust, Crucifucks, Really Red, Dicks und Flipper, ebenso wie die klassische Dischord-Ära sowohl der 80er (Gray Matter, Embrace, Rites Of Spring, One Last Wish) als auch der 90er (Crownhate Ruin ganz besonders). Auch die Touch & Go-Schiene hat da was zu melden (sagen wir mal: Rapeman, Scratch Acid, frühe Shellac) und nicht zuletzt schwingt hier auch das Erbe von Drive Like Jehu mit… und all das ist eigentlich nur die Spitze des Eisbergs. In der aktuellen Landschaft würde ich außerdem noch eine gewisse Geistesverwandtschaft zu Bands wie Deodorant, Optic Nerve, Big Bopper und Straw Man Army vermuten. Gleichsam drehen Work Stress hier aber auch das scheinbare Chaos, die unberechenbare Energie selbst im vergleich mit den meisten der genannten Bands noch mal deutlich auf, lassen dabei aber keinen Zweifel dass sie all dem zum Trotz durchaus durchdacht und gezielt agieren. Das bricht sich dann Bahn in so Songs wie Building From Abject Failure, in welchem dissonant vorwärts kriechende Stakkato-Rhythmen sich nahtlos mit unverhofft melodischen Punkhooks abwechseln.
Ah ja, Neutrals haben offenbar eine neue Schlagzeugerin Bassistin, aber ansonsten hat sich erwartungsgemäß nicht viel geändert bei dieser seltsam britisch klingenden Band aus Oakland, Kalifornien. Ihr bislang melodischstes und chilligstes Werk ist das geworden, das sich stärker dem Power Pop zuwendet als den Post Punk-Elementen die hier, wenngleich immer noch vorhanden, klar in den Hintergrund rücken. Was soll ich sagen… die Band hat einfach die hartnäckigen Songs und Melodien, die sich fies im Bewustsein verankern und nicht mehr weichen wollen. Neutrals bleiben ein einzigartiges Juwel im überschaubaren Kreis der Television Personalities und Mekons Tribut-zollenden Bands und neuerdings würde ich sagen, dass da auch noch ein kleines bisschen von The Wedding Present mit drin steckt ins Songs wie Stop The Bypass.