Endlich eine ganzes Album der Hood Rats aus Montreal! Die treiben sich jetzt auch schon so einige Jahre rum, aber so richtig in die Gänge kamen die im Winter '22 - '23 mit ihren letzten beiden EPs. Die neue LP setzt sich dann auch überwiegend aus schön wuchtigen Neuaufnahmen von Songs besagter EPs und von einem 2022er Demo zusammen, aber das soll nicht davon ablenken, was für eine exquisite Bombe aus schnörkellos nach vorne gehendem US-Punk und Hardcore im Geiste der frühen '80er das geworden ist, angereichert um subtile KBD-Vibes und etwas gegenwärtigen Garage Punk. Ganz klar die definitive Inkarnation dieses Feuerwerks aus Killertunes!
In jüngerer Zeit hat es noch nie so etwas gegeben wie eine schlechte Woche für Eggpunk, aber diese Woche war mal wieder ganz bemerkenswert hochwertig mit drei überdurchschnittlichen Veröffentlichungen. Paulo Vicious aus Tel Aviv dürfte euch ja bereits von der Ärsche tretenden Debüt-EP im letzten Winter ein Begriff sein. Der Nachfolger davon nimmt nahtlos dessen Stränge wieder auf und erzeugt weiter kranken Spaß am laufenden Band mit starken Echos von Prison Affair, Set-Top Box, Nubot555 und obendrein einer glitzernden Patina aus 8.Bit Chiptunes. Dårskap aus Oslo wiederum nähern sich den Egg-verwandten Sounds mit einem gewissen Dungeon Punk-Unterton und der subtile Deathrock-Vibe wirft die Frage auf, ob hier vielleicht personelle Überschneidungen zur ebenfalls aus Oslo stammenden Band Molbo bestehen, die es erst letzte Woche an dieser Stelle zu bestaunen gab. Zu guter Letzt liefern die Schweden Gurk vier neue Attacken des ultra-catchy Egg-induzierten Wahnfrohsinns auf einer neuen EP, die ich mal durchaus als ihre bislang stärkste bezeichnen möchte.
Das englische Trio Leaves schert sich ganz offensichtlich einen Scheiß um aktuelle Trends der britischen Szene und ich finde das sehr erfrischend. Stattdessen betätigen die sich in einer klassischen Melange aus Postcore, Noise- und Math Rock, die mehr nach Chicago, dem erweiterten Touch and Go-Universum und verwandtem Krempel klingt. Kompetent und beherzt wird hier eine Ästhetik revitalisiert, die in letzter Zeit doch etwas rar geworden ist. Die offensichtlichsten Referenzen wären hier Slint, aber auch mit Bands der Sorte Tar, Unwound, frühen Shellac and späten Bitch Magnet läge man hier nicht falsch, sowie einer Spur von Chavez oder Polvo und sogar etwas kraftvollen '90er Dischord-Vorschub kann man besonders in Do Something erkennen. Was jüngere Bands angeht, böten sich auch frühere Pile und - noch viel treffender - Luggage als stilistisch eng verwandte Beispiele an.
Wieder mal berauschend wie Klebstoff, die neue 2-Track-Single von Schleswigs führendem Viking Synth Punk-Zauberer Klint. Klar gibt es da wieder reichlich Schätze aus griffigem Liedgut zu bergen sofern man es lebend bis auf den Grund dieser von Ratten besiedelten Stachelgrube schafft. Letzteres ist keine Übertreibung, denn insbesondere im Titeltrack lässt sich hier Klint's einzigartige Ästhetik zu ganz neuen Abgründen aus kantigem Elektropunk-Lärm herab und lässt sich aber keinerzeit davon abhalten, dem Prozess die volle Ladung von unterschwellig pervers anmutendem Spaß abzugewinnen.
Zwei beachtliche Veröffentlichungen mit mehr oder weniger starkem Dungeon Punk-Bezug sind hier diese Woche gelandet. Erstmal wäre da die Debütkassette von den Norwegern Molbo, die oberflächlich betrachtet vor allem die in letzter Zeit ja wieder sehr schicklichen Einflüsse aus '80er Goth, Death Rock und Post Punk vor sich her tragen. Gleichzeitig setzen sie dem aber auch eine unwahrscheinlich wirkende, launige Eggpunk-Ästhetik entgegen und beziehen reichlich schrägen Spaß aus einem Genre, das sich sonst gerne mal etwas zu ernst nimmt - was zugegebenermaßen auch manchmal seine ganz eigene unfreiwillige Komik mit sich bringt.
Das Duo Kerozine aus Ipswich, England hingegen nähert sich einer gewissen Dungeon-Ästhetik mehr aus dem Winkel von gleichermaßen geradlinigem und bezaubernd noise-lastigem Synth- und Elektropunk, so eingängig wie auch treibend und schlagkräftig. Die besten halbwegs aktuellen Vergleiche, die mir auf die Schnelle so einfallen wären wiederum Bands wie etwa Spyroids, O-D-EX, Drýsildjöfull, Channel 83, C57BL/6, Expose und Beef.
Ein echtes Wunderwerk des von Covid-Lockdowns motivierten Lärms, erschaffen von einem zwei Generationen umspannenden britischen Trio, kommt jetzt mit etwa dreijähriger Verzögerung auch mal noch bei uns an. Ein halsbrecherischer Mix aus Garage Punk mit Brass-Zusätzen, Hard- und Postcore, verschmilzt das Zeug die Tendenzen jüngerer Phänomene wie, sagen wir mal, Cement Shoes, Crisis Man oder Mystic Inane mit den ebenbürtig lärmigen Sounds von X in den frühen bis mittleren 80ern - der australischen Band namens X, wohlgemerkt. Das alles wäre aber nur ein halber Spaß ohne ohne die ansteckende Freude in den Vocals von Sängerin Eliza, die - wenn ich das alles richtig einschätze - zum Zeitpunkt der Aufnahme 2021 gerade mal sechs oder sieben Jahre jung war.
Die Hard-/Postcore-Institution Sorry State Records aus Raleigh, North Carolina hat zwei neue Leckerbissen für uns auf Lager. Zuerst wäre da mal die Demokassette von Chaos OK aus Atlanta zu nennen. Der Name suggeriert ja schon mal oldschool britischen Lärm und in der Tat hat das zu Beginn so einen leicht UK82-mäßigen Vibe, welcher daraufhin aber recht schnell in eine etwas aktueller wirkende Form übergeht, nicht unähnlich zu leicht Garage-infizierten Hardcore-Acts á la frühe Electric Chair oder Kaleidoscope. Die letzten zwei Songs kommen hingegen rüber wie eine Mischung aus zeitlosem Noise, Post Punk und Postcore, irgendwo zwischen den Welten etwa von Crass, Flipper und Drive Like Jehu. Aufregender Scheiß!
Eine ähnlich oldschoolige, wenngleich auch bei weitem primitivere Naturgewalt ist die neueste 7" der Finnen Valtatyhjiö, die hier vor allem mittels schierer Krafteinwirkung überzeugen und diverse Eigenschaften von überwiegend europäischem '80er Hardcore mit - und damit schließt sich der Kreis bezüglich britischer Einflüsse - klar NWOBHM-inspirierten (Speed-)Metal-Versatzstücken anreichern.
Was ich zuletzt über Uranium Club und ihre Wirkung auf die Garagepunk-Szene gesagt habe, ließe sich so änlich auch auf diese Band aus Oakland und ihr spezifisches (Sub-)Genre anwenden. Hier ist also eine neue LP einer weiteren Band, die zwar unter'm Strich bislang gar nicht sooo viel Musik veröffentlicht hat, aber dennoch spürbare Wellen durch die Art- und Post Punk-Szene der letzten Jahre gehen ließ. Ihr letzter und bis dato einziger Langspieler liegt jetzt schon über fünf Jahre zurück und die verstrichene Zeit wird sehr deutlich spürbar auf dem Nachfolger, bricht sich Bahn in einem stark gereiften Sound der sie erneut als eine Band präsentiert, die sich selbstbewusst gegen Grenzen des eigenen Genres stemmt. Ein Sound, den sie hier gekonnt weiterentwickeln und vorantreiben, ohne dabei jedoch die Tugenden zu vernachlässigen, die sie von Anfang an zu einer besonderen Band gemacht haben. Was auf der 2022er digitalen Single Dirty Water bereits seine Schatten voraus warf, entfaltet sich hier zur vollen Blüte - die Songs und Arrangements, wenngleich immer noch stark verwinkelte und komplexe Konstruktionen, haben viel an Eleganz und melodischer Schönheit gewonnen, immer geerdet in filigraner Songwriting-Kunst. Songs wie die absolut brilliante Vorabsingle See It Too channeln dabei einige der melodischeren und eingängigsten Aspekte von '70er Wire aber vollziehen dabei das Kunststück, die Schlaumeierästhetik mit einem satten Maß menschlicher Wärme und aufrichtiger Emotion auszubalancieren.
Nach ihrem ausufernden, zwei Stunden laufenden Lo-Fi Garage-/Post-/Eggpunk-Monolithen Prawn Static For Porn Addicts im letzten Jahr kehrt die Band aus Moffat Beach, Australien zurück mit einem Bündel von im direkten Vergleich fast schon mittel- bis hochfidelig klingenden Singles und EPs. Alle drei davon untermauern meine Einschätzung von damals, dass diese elektrischen Schalentiere einfach arschtretende Songs aus dem Ärmel schütteln, die sich eigentlich gar nicht in so einem Nebel aus LoFi-Dreck verstecken müssen um ihre Wirkung zu tun. Nu ja, aber ich mag das ja in ungewaschen und zottelig und hier treffen sie die Produktionsmittel betreffend überwiegend einen durchaus gangbaren Mittelweg. Knorke!
Wo ich gerade schon Deluxe Bias erwähnte… hier ist die neueste Kassette von vernachlässigbarer Spielzeit auf jenem genau auf diese eine Sache spezialisierten Label aus Wyoming. Ein weiterer komplett gegen die Wand gefahrener Anschlag auf die Sinne der irgendwo an der Grenze zwischen ultra-rohem Lo-Fi Fuzz-, Garage- und Egpunk operiert. Die sich daraus entfaltende, prächtig funkelnde Unzucht könnte man halbwegs plausibel als eine absurde Mischung etwa aus Print Head, Warm Bodies, Snooper und Fugitive Bubble beschreiben.