Über die vergangenen Jahre hat sich das in Portland ansässige Label Spared Flesh Records zu einer wahren Festung des unkonventionellen Post-, Garage- und Art Punks gemausert und diese neue LP von Reuben Sawyer aka Anytime Cowboy ist auch wieder so ein erstaunlicher Rohdiamant. Sein bluesiger, minimalistischer Cowpunk-Sound kommt hier in etwa rüber wie eine kleinlaute Inkarnation von The Gun Club, die Angst davor hat die Nachbarn zu wecken… aber auch schon mal wie eine super-gedämpfte Version von Parquet Courts oder Tyvek und in manchen Momenten erscheint mir auch die diesjährige LP von Peace de Résistance als Vergleich nicht allzu weit hergeholt. Eine Klangästhetik, die einen langsam in den Schaf lullen könnte, wäre da nicht diese konstante Ahnung von den schrecklichen Abgründen, die hier hinter jeder Ecke zu lauern scheinen, was nur weiter potenziert wird von Sawyer's tiefer, ruhiger Stimme mit einer gleichermaßen beruhigenden wie unheimlichen Qualität.
Soll der Titel eine 13th Floor Elevators-Referenz darstellen? Wenn ja, dann liegt das zumindest nicht komplett fern (aber auch jede Menge Kinks steckt da drin, würde ich sagen), denn näher ist das eklektizistische Projekt von Jake Robertson (Ausmuteants, Smarts, Drug Sweat, etc…) dem klassischen 60er Garage Rock noch nie gekomen als auf dieser LP - eine Angelegenheit, die sich in den Händen weniger fähiger Musiker ausgesprochen häufig als eine Rezeptur für reine Langeweile herausstellt aber… verdammt, dieser Typ weiß einfach wie man einen hartnäckigen Ohrwurm konstruiert und präsentiert. Ebenfalls dabei ist dann noch tonnenweise altertümlicher Power Pop von der traurigsten Art und das Ergebnis wird sicher etwas schwerverdaulich sein für einige Fans, macht aber durchaus Sinn für jene, die mit der vollen Breite vergangener Alien Nosejob-Releases vertraut sind, hatte der gute Mann doch schon mit ähnlichen Sounds hantiert auf Alben wie Various Fads and Technological Achievements (2018) und Suddenly Everything Is Twice As Loud (2020), wenngleich er sich noch nie zuvor derart kompromisslos und kopfüber in eine alles Licht verschluckende Wolke aus tiefer Melancholie gestürzt hat.
Pedigree aus Tournai, Belgien lassen nach ihrer exzellenten 2020er Mini-LP einen weiteren Batzen ausgesprochen kräftiger Songs vom Stapel, die den Trend der letzten Platte fortsetzen, weg vom ursprünglich sehr garagigen Sound hin zu einer stärker im Post Punk verankerten Ästhetik, wobei hier neuerdings aber auch Spuren von '90er Postcore mit dabei sind in Songs wie Trapped,S.A.D. and Bread, die mir unter anderem Klassiker von Jawbox, Drive Like Jehu, Polvo oder Hot Snakes ins Gedächtnis rufen. Disgraced hat hingegen ein Gespür für Melodie unter der Haube, das auch im Reportoire etwa von Vaguess, Bad Sports oder Motorbike nicht weiter auffallen würde. Mein früherer Vergleich zu französischen Bands wie Telecult oder Nightwatchers trifft auch weiterhin halbwegs zu, sowie auch ein Bündel internationaler Acts wie Sauna Youth, Teenanger, Video, oder Clamm.
Nach einer bereits verdammt netten ersten EP im Frühling dieses Jahres kommt dieses (vermutlich) Duo aus Hollywood, Florida jetzt schon mit einer noch viel schrägeren, exzentrischen und eklektizistischen Kassette als Nachfolger daher, dessen Töne erneut an den Tellerrändern von Post-, Garage-, Egg- und Art Punk rumschweben. Gleich zu Beginn fällt mir eine gewisse Ähnlichkeit zu den kruden Proto-meets-Post Punk-Skizzen der ersten Peace de Résistance EP ins Auge, kombiniert mit den Acid-/Space Rock-Tendenzen des jüngsten Scooter Jay Tapes. Digging My Grave überrascht und entzückt dann mit einem angenehm schief liegenden Cowpunk-Feeling während der allgemeine Vibe und ausgesprochene "anything goes"-Ansatz mich besonders an Acts wie Print Head, Electric Prawns 2 erinnern. Auch die brandneue Anytime Cowboy-Platte stellt sicher keinen üblen Vergleich dar. Andere Momente rufen darüber hinaus Assoziationen etwa zu Snooper, Metdog, Checkpoint, Silicone Prairie hervor… sogar eine Spur von frühen Woolen Men hat das ganze!
Schwer zu glauben, dass Power Pants aus Winchester, Virginia noch kein Jahr lang von sich hören lassen, aber in der Tat sind die drei durchweg geilen LPs alle im Laufe dieses Jahres erschienen und ihre neueste EP zeigt auch weiterhin überhaupt keine Anzeichen von Ermüdung ihrer überproduktiven Songmaschine! Hier haben wir es mit einem weiteren endlos charmanten Leckerbissen zu tun, catchy wie Sau und irgendwo zwischen Egg-mäßigem Garage- und Synth Punk, der alle richtigen Knöpfe drückt um Freunde von so Krempel á la Ausmuteants, Set-Top Box, Gee Tee, Erik Nervous, Sex Mex oder Daughter Bat And The Lip Stings wiederholt zu verzaubern.
Das letztjährige Demo der Londoner war ja schon eine durchweg angenehme Überraschung und die neueste EP legt gleich nochmal deutlich mehr von einer ähnlichen Wucht in die Waagschale. Ihr Mix aus Noise-lastigem Postcore und Garage-infiziertem Fuzz Punk kommt ein bisschen rüber wie eine Variante der Hot Snakes oder Obits mit einem stärker melancholischen Unterton, welcher mich auch sehr stark an Wymyns Prysyn erinnert. Als weitere halbwegs belastbare Referenzen kommen mir dann noch Bands wie Ascot Stabber, Crisis Man, Zero Bars, Beast Fiend und Mystic Inane in den Sinn.
Auf ihrem vierten Langspieler kommen die texanischen Post Punk-Overlords Institute so stark wie eh und je daher und lassen keinen Zweifel daran, dass sie noch reichlich Tricks auf Lager haben um das Publikum mit unvorhersehbaren Moves auf Zack zu halten. Der Trend des Vorgängers zu einem melodischeren und relaxteren Sound setzt sich hier fort und kommt immer näher an den Vibe von Peace de Résistance, dem irgendwie in New York ansässigen Projekt von Frontmann Mose Brown, das ebenfalls einige Inspiration aus der ersten Welle von Post- und Art Punk bezieht. Da wäre z.B. ein starker Einschlag á la Television, Modern Lovers oder frühen Soft Boys zu vermelden in Songs wie City und Wonder. Dead Zoneklingt dann ein bisschen nach Wipers-treffen-auf-Saints, wohingegen All The Time Anklänge etwa an Métal Urbain, MX-80, Suicide und Chrome beinhaltet. Dopamine For My Baby klingt seltsamerweise stark nach den aktuellen New Yorker Überfliegern Straw Man Army. Alle diese Tendenzen fließen dann zu guter Letzt in dem epischen Rausschmeißer Warmonger zusammen.
Noch so ein irrsinnig hochkarätiger Release auf Erste Theke Tonträger von einer Band aus Melbourne, die sich unter anderem Mitglieder mit Pinch Points, Dr. Sure's Unusual Practice, Gonzo und Dragnet teilt. Der Opener legt gleich los mit einem abenteuerlichen Gemisch zwischen Garage-, Synth- und Art Punk, der mich an so Bands wie Ghoulies, Set-Top Box, Isotope Soap und auch ein bisschen an Erik Nervous denken lässt. Friends geht zunächst in eine ähnliche Richtung, nimmt dann aber eine scharfe Kurve in die Sphären von psychedelischem Post Punk so á la Marbled Eye, Yammerer, Waste Man oder Public Eye. Break überrascht mit einem unverschämt relaxten und psychedelischen Garage-/Fuzz Pop-Groove, gefolgt von dem kompakt-ökonomischen Garagenrocker Ice Summit mit Echos von Parquet Courts, Tyvek und Shark Toys. Wirklich abgefahren wird's dann bei Drift, einem epischen Manöver im dem Garage und Eggpunk-Versatzstücke auf unverblümte Progressive Rock-Anleihen treffen - dabei scheut man sich auch keinesweg davor, im Mittelteil so richtig käsig zu werden. Seite B gibt sich dann etwas weniger ambitioniert und homogener, aber keineswegs weniger entzückend in einem geradeaus rockenden Farbenrausch, der unter anderem so Zeug der Marke Cherry Cheeks, Smirk, Metdog, Powerplant and Freak Genes reflektiert.
Auch auf ihrem zweiten Album überzeugen mich die Leipziger erneut weniger mit Originalität als mit solidem Handwerk und hoher Wandlungsfähigkeit, mit der sie auch hier eine Reihe bewährter Formeln präzise und spezifikationsgetreu wiedergeben. Post Punk ohne Bullshit, könnte man auch sagen. Dieses mal lässt sich neuerdings aber auch ein Hauch von Eggpunk-Ästhetik darin feststellen. Songs wie Dogman bekommen dagegen eine eher garagige Kante verpasst. Egg Machine hat eine Spur von Wire mit an Bord, Invisible Spook gefällt mit oldschooligen Goth-/Deathrock-Vibes und durchweg weht irgendwie auch der Geist von Gun Club durch diese Songs. Selbstredend bieten sich auch weitere Leipziger Acts wie Ambulanz, Lassie und Laff Box als mehr oder weniger robuste Vergleiche an.
Die neueste LP von Chain Whip aus Vancouver - jetzt erhältlich aus den guten Häusern Drunken Sailor und Neon Taste - macht ganz einfach mal Hardcore richtig - ein aus allen nähten platzendes Fass aus spaßig versifftem oldschool-Krawall, der in einigen der schnörkellosen Smasher wie z.B. Hate Wave mit einer kleinen Dosis '77 gewürzt wird. Wer so Bands wie Imploders, Headcheese, Illiterates, Fried E/m oder Cement Shoes schon nicht leiden kann, wird das hier auch leidenschaftlich hassen!