Eigentlich hatte ich nicht vor diese Platte zu posten. So großartig sie auch ist, ich versuche doch eher die etwas abseitigeren, noch nicht zu tode gerittenen Themen hier unterzubringen. Davon ausgehend, dass sich eh schon alle anderen Musikblogs auf diese lang erwartete Platte mit haufenweise Pitchfork-Promo und einem etablierten Label im Rücken stürzen würden, hab ich erstmal anderen Dingen den Vorzug gegeben. Nach einem kurzen Check der Indie Musik Blogs sehe ich dann mit entsetzen, dass die Platte überraschenderweise vollständig ignoriert wird. Was zum Henker ist los mit dir, deutsche Blogszene? Muss ich dann wirklich alles selber machen?
Denn ohne Scheiß, die vor zwei Jahren erschienene 7" Walk On Heads der kopenhagener Band halte ich für die dichtesten und mitreißendsten zehn Minuten punkverwandten Krachs die in in diesem Jahrzehnt bisher verbrochen wurden. Das daraufhin angekündigte Album wurde seitdem immer weiter aufgeschoben, und ganz ehrlich, ich konnte mir auch kaum vorstellen wie Musik mit einem derartig hohem Energielevel auf Albumlänge funktionieren soll.
Die wahrscheinlichste Antwort: Gar nicht so gut. Das werden die Jungs auch selber gewusst haben, und entsprechend haben sie in den zwei Jahren ihren Sound ganz schön umgekrempelt, ohne dabei ihren eigenen Charakter zu verlieren. Das Tempo der EP wird hier in keinem Augenblick erreicht und den Verlust des erbarmungslosen Vorwärtsschubs machen sie problemlos durch eine neu gewonne Tiefe wett, die sich einigen geradezu epischen Songkolossen niederschlägt. Die ungestüme Wut ist einer gewissen Verletzlichkeit und Reflektiertheit gewichen und bei aller Schwere der Darbietung scheint immer wieder etwas Hoffnung durch. Denn wie der Albumtitel schon andeutet, geht es im Gesamtkontext der Platte nicht um Tod und Verderben, sondern um Hoffnung, die reale Aussicht auf Besserung, um persönliche Reifungsprozesse und das finden eigener Wege, im Leben klar zu kommen.
Geblieben sind die zentralen Qualitäten und Trademarks der Band, wie etwa das stoische Drumming und das ausgefeilte Spiel mit der Dissonanz, die rasiermesserscharfen Gitarrenfiguren. Mit dieser Platte treten Lower endgültig aus dem Schatten ihrer großen Szene-Brüder Iceage heraus und finden ihre ganz eigene Stimme. Und der lohnt es sich zuzuhören.
Die Band aus Philadelphia hat in schneller Folge zwei ausgezeichnete Kurzspieler (beide Selbstbetitelt) voll mit ansteckend energetischem Post-/Garagenpunk rausgehauen. Die selbstveröffentlichte Scheibe mit dem dunklen Cover lehnt sich dabei stilistisch ein kleines Stück weiter aus dem Fenster mit ihren z.b. an Ex-Cult erinnenden, sägenden Gitarrentexturen. Die andere, auf Bruised Tongue erschienene EP zeigt sich etwas traditioneller im Garagenpunk verankert, ist aber kein Stück weniger mitreißend.
Ich hab die Bude hier schon länger nicht mehr ausgemistet und entsprechend stapeln sich hier mal wieder die hörenswerten Releases, die aus reinem Zeitmangel keinen eigenen Post bekommen haben. Wird ein Dreiteiler diesmal.
Viel Spaß beim Grabbeln. (mehr …)
Wenn auch der Titel des Openers Guy Picciotto einen ausgiebigen Ausflug ins Dischord-Universum erwarten lässt, dominieren auf dem exzellenten Debütalbum dieser Band aus Toronto doch eher die Einflüsse aus einem etwas anderen Strang der Postcore-Evolution. Da wäre etwa die melodisch-verschwurbelte wie auch treibende Variante von Braid oder Drive Like Jehu, oder der hispeed-Garagencore von deren späterem Ableger, Hot Snakes. Hier und da schauen Quicksand um die Ecke und auch mit an Bord ist klassischer Noiserock á la Jesus Lizard, Chavez oder etwas aktueller: METZ.
Ohne Frage ein erstaunlich selbstbewusstes und ausgereiftes Debüt und ein sehr erfrischendes Lebenszeichen für diese zwischenzeitlich etwas verschollene Art von hochenergetischem aber zugänglichem Post-/Noisecore, der sofort ins Ohr geht ohne sich irgendwelchen kurzlebigen Trends anzubiedern. Ein lange erwartetes Album, und es enttäuscht nicht.
Sehr eingängigen, ja geradezu tanzwütigen Krawall spielt das Duo Street Eaters aus Berkeley, dessen Sound mal wahlweise im Post-, Garagen- oder Noisepunk einordnen könnte. Das klingt in etwa so als hätte man die Gene so unterschiedlicher alter Punkhelden wie etwa Wire, Dead Moon oder Wipers kombiniert, könnte in der Gegenwart aber auch mit Bands wie Milk Music, Generation Loss oder einer abgespeckteren Variante von California X verglichen werden. Your mileage may vary. Tolle Platte auf jeden Fall, die nicht nur angesichts besagter Referenzen bei mir ins Schwarze trifft, sondern auch bestens für sich alleine stehen kann.
Breaking News für Vinylbevorzuger: Das Ding bekommt hierzulande einen Vinylrelease auf dem kölner Label Contraszt! Records. Also spart euch die hohen Auslandsversandkosten und wartet bis zum 30. Juni, so lange würde sonst der Versand aus US ja auch locker dauern. Im Label-Shop kann man's jetzt schon vorbestellen.
Eigentlich vermeide ich es ja gerne hier Sachen zu posten, die keinen "richtigen" - also nicht an den Kauf eines physischen Tonträgers gekoppelten - digital-Release haben, aber das hier ist einfach zu geil. Ultra-kruder Garagenpostpunk aus New York, der ein wenig den Geist alter Birthday Party-Platten atmet und sich auch sonst wenig um etablierte Hörgewohnheiten schert.
Als Bonus gibt's beim Kauf eine von zwei auswählbaren EPs in Form einer CD-R dazu. Das mildert den Schmerz etwas, angesichts der Wartezeit auf das Paket aus USA und der horrenden Versandkosten.
Pffffftgrmmmmmpfffh… was zum… Fuck, was für'n großartiges Cover! Seit über 50 Jahren wird im Rock'n'Roll von gewissen Bands und Teilen des Publikums vollends ironiefrei eine so ätzende und klischeehafte, wie auch geradezu absurde Hypermaskulinität abgefeiert, und erst jetzt traut sich jemand, dieser Spackenkultur mal angemessen den Spiegel vorzuhalten und sie halbwegs realitätsgetreu durch den Kakao zu ziehen. Wenn's dann einigen übersensiblen Zeitgenossen, geprägt von chronischer Angst vor dem eigenen Genital, ästhetisch gegen den Strich geht: umso besser. Der Titel mag dann gleich noch zum gepflegten Schwanzvergleich zu provozieren: Nee, deiner ist kein Gott, hier guck mal. Meine Eier sind die dickeren.
Die Musik ist in gewisser Weise passend dazu. Denn ganz unsubtil und hemmungslos werden hier die Bretter geschrubbt, die felle Massiert und die Saiten geschrappelt. Wunderschöner Noiserock/-punk, der's Freunden von Bands wie Soupcans oder Vulture Shit ganz vorzüglich besorgen wird.
Der warme Powerpop dieser New Yorker Band bewegt sich auf sehr vertrautem Gelände. Kleine Seifenblasen von Guided by Voices, Pavement oder Replacements steigen vom ersten Ton an im Geiste des Hörers auf. Das gewinnt zwar keinen Nobelpreis, macht aber großen Spaß. Denn mal ehrlich, in vielen Momenten ist ein ausgezeichneter Popsong plus etwas Lärm doch alles, was einem zum glücklich sein fehlt, oder?