Dem aufmerksamen Leser wird es sicher aufgefallen sein, das hier bisher kaum Bands aus Deutschland vorkamen. Genauer gesagt: Drei. Wenn ich richtig gezählt habe. Das liegt nicht zwangsläufig daran, dass hier nix geht. Eher daran, dass die deutsche Presse und Blogs auf ganzer Linie darin versagt, auf ungewöhnliche und herausragende Bands abseits von der eingefahrenen Hardcoreszene und auf Massengeschmack getrimmtem Alternativegedöns aufmerksam zu machen. Da hat selbst so ein hoffnungsloser Plattenwühler wie ich Probleme, regelmäßig auf etwas interessantes zu stoßen. Und weil ich auch nicht in Berlin oder Hamburg oder sonst einer Szenemetropole wohne und daher auch nicht jedes kleine Scheißkonzert begutachten kann, werde ich da selbst auch nicht viel dran ändern können. Daher ermutige ich an dieser Stelle noch mal alle, die's betrifft: Wenn do etwas Musikmäßiges verbrochen hast, wass hier rein passt, schick mir 'ne Mail. Wenn du so wen kennst: schreib mir auch. Wenn ich's für gut befinde, wird es in der einen oder anderen Form hier auftauchen. Es wird nämlich mal Zeit, dass die Blogszene und der Musikuntergrund hierzulande unabhängiger wird von der althergebrachten Promotionmaschine und selbstständig hörenswerte Musik an die Oberfläche befördert.
Und damit kommen wir zum eingentlichen Thema. The Vagoos aus Rosenheim spielen etwas, wovon ich hierzulande auch noch nicht viel gehört habe: Authentischen Garagenrock. Ich meine jetzt nicht die verwässerte MTV-Version, die seit dem Erfolg von Hives und Konsorten (leider) sehr regelmäßig anzutreffen ist. Nee, ich meine die alte Nuggets-Schule, die international derzeit quicklebendig ist und nun auch ihren Weg ins verschlafene Rosenheim gefunden hat. In bester Demoqualität aufgenommen (Freunde alter Dead Moon-Platten werden sich sofort zuhause fühlen), beherbergen die fünf Songs natürlich keine besonderen Überraschungen oder Experimente, aber dafür verstehen und beherrschen die Jungs ihr Genre und versorgen uns mit fünf so abgehangenen wie auch treibenden Garagenexplosionen, die sofort ins Blut und in die Beine gehen. Super.
Dummerweise muss ich neben diesem Blog ja noch so was ähnliches wie einen geregelten Alltag auf die Reihe kriegen. Außerdem will ich ja auch ab und zu mal was Spaß haben, entspannt ein Bier trinken oder einen der tausend Filme schauen, die noch auf meiner Liste stehen. Und der Lebensunterhalt will ja auch erst mal verdient werden. In einem Satz: Meine Zeit ist durchaus begrenzt. Und weil ich nicht jeden Tag fünf Blogposts machen kann, fällt da eine Menge hörenswerter Musik unter den Tisch. Deshalb starte ich einfach mal diese Rubrik die euren Browser lahm legt und in der ich euch kommentarlos mit einem Haufen Musik bewerfen werde, für die mir bisher die Zeit zum Posten fehlte. Viel Spaß beim Durchwühlen. (mehr …)
Eine sehr interessante und eigenwillige Veröffentlichung haben Great Western Plain aus Portland da rausgehauen, die sich mal wieder jeder Kategorisierung verweigert. Zusammenfassend kann man sagen, das sie eine Vorliebe für ausladende Jams und relaxte, flächige Gitarrenarrangements haben. Im Laufe der Platte streifen sie dann unter anderem monotonen Spacerock und Post Punk, noisiges Geschredder, alten Indierock frei nach Pavement oder Sebadoh, an spätachziger Sonic Youth-Platten erinnernde Gitarrenharmonien und entspannt vor soch hin rumpelnden Garagenrock. Das alles verschmilzt hier zu einem homogenen Ganzen, das sich kein Fan von psychedelisch angehauchtem, punkigem Krach entgehen lassen sollte.
Diese EP der Jungs aus dem englischen Stourbridge fühlt sich an wie ein Kurztrip durch alles was Postcore in seiner kreativen Blütezeit, die m.E. in den frühen Nullerjahren vorbei war, so großartig gemacht hat. Die Platte erinnert mich in verschiedenen Momenten immer wieder an ganz unterschiedliche Lieblingsbands, die mich in meinen Teenager- und jungen Erwachsenenjahren geprägt haben. Da ist der besagte Postcore von Dischord-Bands á la Rites of Spring , Bluetip oder Jawbox. Oder der treibende Garagencore der Hot Snakes, Drive Like Jehu natürlich auch. Außerdem noch mit an Bord sind subtile Anklänge an damalige Noiserock- und Mathcore Bands wie The Jesus Lizard, Shellac oder Chavez. Alles in allem eine willkommene Brise frischer Luft in einem Genre, das derzeit zum überwiegenden Teil einfach nur müde klingt und so eingefahren und einnfallslos vor sich hin dümpelt wie schon lange nicht mehr.
Leckeres Tape von einer Band aus South Arlington, Virginia. Prall gefüllt mit infektiösen Hooks sowie einer gelungen eigenwilligen und unerwartet melodiösen herangehensweise an ihren treibenden und gleichzeitig doch sehr zurückgelehnt vor sich hin schreddernden Garagen-(Post-)Punk.
Wow, das ist ja mal ein unerwartet kompromisslos vorwärtsgeprügelter Brocken aus melodisch-noisigem Post-/Punk-/Indiegedöns. Was Piles (nicht mit den gestern hier gefeatureten Pile verwechseln) aus Milwaukee hier abfeuern ist genau meine Kragenweite. Wer dringend auf Nachschub an schnellem melodischem Krach mit gewissen Ähnlichkeiten zu Male Bonding, Japandroids, No Age, frühen Wavves oder Cloud Nothings sucht, wird hier garantiert seinen Spaß dran haben. Dazu kommen noch leichte Garagen- Postpunk- und Shoegaze-Elemente, Deckel drauf und fertig ist die Sauerei.
Und mein Ratschlag: Nicht danach googlen, es sei denn ihr wollt unbedingt mit ganz und gar unästhetischem Bildmaterial konfrontiert werden. Ich trage keine Verantwortung für eventuelle psychische Schäden.
Diese 45er Frisbeescheibe ist bei weitem meine am sehnlichsten erwartete Veröffentlichung des noch jungen Jahres. Ihr 2012er Album Dripping, auf dem die Bostoner ihren leicht grungigen Indie-/Noiserock um ausgeprägte Postcore-Elemente á la späte Fugazi oder die sträflich unbeachteten Faraquet erweiterte, zeigte eine Band die sich selbst gefunden hat und dabei noch ambitionierte und schlaue Songkonstrukte aus dem Ärmel schüttelte als würden sie sich sowas morgens auf's Brot schmieren.
Auf ihrem neuesten Output strecken sie sich noch deutlich weiter aus und strampeln sich endgültig frei von jeglichen Vergleichen, sie klingen mehr als je zuvor nach sich selbst. Das ganze bewegt sich wiederrum zunehmend weg vom Postcore hin zu ausufernden, geradezu progressiven Songstrukturen, aber keine Angst, hier gibt es kein selbstverliebtes Hippiegegniedel zu hören. Sondern zwei perfekt ausformulierte Kompositionen, die zusammen die epischsten und doch absolut bodenständigen zehn Minuten Indierock ergeben, die man in der aktuellen Musiklandschaft hören wird.
Wenn sie dieses Niveau bald noch auf einem Langspieler halten können, erwarte ich nicht weniger als einen handfesten Klassiker. Bis dahin schreiben andere Bands schon mal Konzept-EPs über sie. Kleiner Hinweis für alle, die vor den absurd hohen Portogebühren für die Scheibe zurückschrecken: Man kann die beiden Songs auf der Bandcamp-Seite einzeln als Download erwerben, auch wenn's den Komplettdownload nur im Bundle mit der 7" gibt.
Flyying Colours sind ein Quartett aus dem Australischen Melbourne und sie spielen eine leicht psychedelisch angehauchte Variante von Shoegazer Rock klassich britischer Prägung, die sich eingängig und melodisch gibt, aber auch genug Pferde unter der Haube hat - eine leider selten gewordene Eigenschaft in der übersättigten Shoegaze-/Dreampop-Landschaft von heute. Wenn du jetzt denkst: "Scheiße, das letzte was mir fehlte ist noch eine Platte von solchen Efekktpedalmasturbatoren.", kann ich das vollends verstehen. Aber du solltest diesen Jungs trotzdem mal 'ne Chance geben, denn sie haben etwas, das den meisten artverwandten Bands vollkommen abgeht: Fünf ausgezeichnete Songs, die auch in der Diskografie von Genreklassikern wie Ride oder Swervedriver problemlos bestehen könnten, sowie eine Musikalität und Substanz in den Arrangements, die diesem zugegeben eher konservativen Sound doch nochmal einen Hauch von seiner alten jugendlichen Energie zurückgibt.
Der "Offizielle" digitale Release in den einschlägigen Auslagestellen ist zwar noch ein paar Tage hin, im Shop ihres britischen Labels gibt's den Download aber jetzt schon zum sehr fairen Preis von zweieinhalb britischen Pfund zu erstehen (Vinyl ist auch erhältlich).
Diese New Yorker Combo darf ruhig noch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen. Nach einer beinahe-Auflösung und einer langen Pause bringt uns Fleeting Youth Records jetzt ihr zweites Album, und das ist ein echtes Prachtstück geworden. Musikalisch bewegt sich das zwischen an Guided By Voices und Replacements erinnernden Indierock/Powerpop, und etwas düsterem Psych-/Retrorock mit einer angenehm garagigen Kante. Getragen von 10 überzeugenden Songs, schönen Gitarrenarrangements und der charismatischen Stimme von Sänger Eric Gilstrap, der zwischendurch auch mal einen geradezu Gothic-artigen Vibe einzubringen vermag.
Schöner Kurzspieler eines Londoner Trios, dessen Sound irgendwo im melodischen Punkrock der Mittneunziger zu verorten ist und geringfügig an der damaligen Indierock/Emo/Postcore-Schnittstelle kratzt. Auch leichte Grunge-und Shoegaze-Einflüsse sind zu verorten. Eine Platte also, die sich gemütlich zwischen den Stühlen platziert, aber trotzdem angenehm vertraut wirkt. Wie ein verschrobener alter Bekannter, der sich seitdem kein bisschen verändert hat.