Die vergangenen Veröffentlichungen des Garagepop-Duos aus Portland sind mir entweder entgangen oder konnten mich nicht so recht begeistern. Eins von beiden. Mein Gedächtnis lässt mich da im Stich. Der aktuelle Siebenzöller der Band ist jedenfalls raus auf Dirtnap Records. Das Label steht normal für Qualität und auch hier wird man keineswegs enttäuscht. Zwei mal ausgezeichneter Powerpop, den man aufgrund seines hohen Zuckergehaltes besser in kleinen Dosen genießt.
Und gleich noch mal ausgezeichneter Power Pop, diesmal aus dem guten Hause des seit jeher absolut geschmackssicheren Mannheimer Labels Erste Theke Tonträger, das den ersten Langspieler der New Yorker Band hierzulande unter die Leute bringt (am anderen Ende der Welt zeichnet sich Don Giovanni verantwortlich).
Um vorweg mal den Elefanten im Zimmer beim Namen zu nennen: Das klingt ziemlich nach Sheer Mag. Wenn auch nach einer etwas garagenlastigeren Variante davon. Sogar die Vocals von Daniel Regelski weisen starke Ähnlichkeiten zur Sheer Mag-Vokalistin Tina Halladay auf. Das ist aber auch alles kein Problem. Es ist ja nicht gerade so, dass die Welt jetzt von Hard- und Southern Rock-beeinflussten Punkbands überwschwemmt wird. Und aufgrund des durchweg starken Songmaterials vermag die Platte auch problemlos auf eigenen Füßen zu stehen.
In einer überwiegend von musikalischer Stagnation und Retrowellen geprägten Zeit begrüße ich doch jede unerwartete Erweiterung des Punk-Vokabulars. Vielleicht kommen in naher Zukunft ja ein paar gelangweilte Kids mit einer ganz anderen, neuen Form von angepisstem Lärm daher, über den wir alte Leute dann die Nase rümpfen können. Bislang lässt die Revolution jedoch auf sich warten und für den Moment empfinde ich auch die Erschließung einer bislang als vollkommen Punk-inkompatibel angesehenen Vergangenheit als eine willkommene Bereicherung.
Eine wunderbare Debüt-7" hat die Band aus San Francisco da rausgehauen. Darauf gibt's schrammelig-relaxten Indierock, Power- und Jangle Pop zu hören, den man so trittsicher und formvollendet selten auf einer Debütveröffentlichung vorfindet. Irgendwo zwischen Buffalo Tom, Teenage Fanclub und späteren Dinosaur Jr. kann man das verorten, ab und an gesellt sich gar ein subtiler Soft Boys- oder Television-Vibe dazu.
Melancholisch-melodischer Punkrock mit Garagenvibe auf dem Debüt einer Band aus Ottawa, bestehend aus Mitgliedern von Feral Trash, Crusades und Steve Adamyk Band (the man himself!). Nach letzterer klingt die Platte dann auch etwas, außerdem auch sehr an Marked Men/Radioactivity, Red Dons und an alte Klassiker á la Undertones und Buzzcocks. Garantiert nichts neues unter des Sonne, aber die Songs überzeugen und das alte Arschloch Punk kann durchaus noch eine Platte davon verkraften.
Das neue Lost Balloons Album ist noch kaum verarbeitet, da gibt es auch schon wieder neues Material von Jeff Burke mit seinem derzeitigen Hauptprojekt Radioactivity zu zu vermelden. "Neu" ist dabei aber relativ zu verstehen, denn die zwei Songs der 7" hat Burke bereits im Jahr 2011 geschrieben, als er gerade in Japan wohnte und unter dem unmittelbaren Eindruck des Tōhoku-Erdbebens stand. (Die Zeit in Japan hat er übrigens auch nicht tatenlos verbracht…) Beide Songs gehören mühelos zum stärksten Material im eh schon grandiosen Katalog dieser Band.
Via Dirtnap Records erschien jetzt das zweite Album der Kollaboration von Jeff Burke, Frontmann von Radioactivity und Marked Men; und Yusuke Okada, bekannt aus der Japanischen Psych-/Powerpop Band Suspicious Beasts. Die neue Platte ist noch mal eine ganze Nummer runder geworden als das schon ausgezeichnete Debüt auf Alien Snatch Records. Wie gehabt werden auch hier einige Leute enttäuscht sein, die einen Neuaufguss des melodischen Garagepunks von Radioactivity erwarten. Hier üben sich Burke und Okada überwiegend in verträumtem Powerpop und treffen dabei fast immer ins Schwarze. Wie zu erwarten hört man in den Songs aus Burkes Feder dennoch sein perfektes Gespür für klassische, wohltemperierte Powerpop-Melodien heraus, die auch in seinen lauteren Bands das musikalische Fundament bilden. Okadas Songs hingegen wirken etwas nebulöser, lassen sich mehr Zeit zur Entfaltung ihres Potenzials und sind generell etwas höher auf der Verträumtheits-Skala angesiedelt. Ein ganzes Album von letzterem wäre mir zu viel, aber zusammen auf dieser Platte ergänzen sich beide Tendenzen ganz ausgezeichnet.
Crayola Summer ist der Name eines kürzlich reaktivierten Musikprojekts des Londoners Simon Williams, welches in der einen oder anderen Form schon seit ca. 1990 existiert hat und in den Neunzigern 'ne Handvoll Tapes und EPs veröffentlicht hat. Davor hatte der Typ mal eine Band namens The Colgates und in der jüngeren Vergangenheit hat er bei Sarandon mitgemischt, deren letzte zwei Alben auf Slumberland sich im Nachhinein als ziemlich geiles Zeug herausstellen. Außerdem war er unter anderem noch in den für meinen Geschmack etwas weniger interessanten The Safe Distance beteiligt.
Jetzt kommt also die erste Crayola Summer Veröffentlichung seit anderthalb Jahrzehnten. Die neuen Songs gefallen ganz ausgezeichnet mit einer Mischung mit geringfügig noisigem Indierock/Powerpop, einer Vorratspackung Psychedelia und Flashbacks zur C86-Generation. Außerdem einem Hauch von Spacemen 3 und frühem Shoegaze, der hier stark auf die psychedelische Komponente herunterkondensiert wird. Letzteres kommt besonders auf den Songs der als Bonustracks enthaltenen Winter Addendum EP zur Geltung.
Auf ihrem ersten Album fabrizieren Sunshine And The Rain aus Oakland Fuzzgetriebenen Powerpop, der es sich stilistisch ziemlich genau auf der Schwelle zwischen dem Proto-Shoegaze früher Jesus And Mary Chain und den Bands der ersten Shoegaze-Generation in den späten Achtzigern bequem macht. Dabei halten sie sich ziemlich strikt an die klassischen Genre-Konventionen, überzeugen innerhalb der selbst gesteckten Grenzen aber mit purer Qualität. Wenn ich freiwillig ein gewisses Maß an Whoo-ohs ertrage und bereitwillig ein ganz offensiches Teenage Kicks-Ripoff verzeihe, dann hat das was zu heißen. Mit dabei ist ein Fugazi-Coversong, der ursprünglich mal auf einer der vielen TBTCI Tribute-Compilations erschienen ist. Auch mit dem fremden, Genre-mäßig eher entgegengesetzten Songmateriel liefern sie absolute Perfektion ab.
Die Debüt-EP dieser Band aus Philadelphia überzeugt mit ultra-melodischem, retrolastigem Indierock und Postpunk, den man musikalisch irgendwo zwischen den Bands der britischen New Wave- und C86-Generationen einordnen kann.
Das Abschiedsalbum der Garage-/Powerpop-Formation aus Austin um Frontmann Mathew Melton stellt noch einmal dessen ausgezeichnete Songwriting-Skills unter Beweis in 12 fluffigen Krachern, die mit ihren mitreißenden Pop-Melodien oft nah an der Grenze zum Kitsch operieren, ohne jemals den Bogen zu überspannen.
Matthew Melton hat jetzt eine neue Band namens Dream Machine am Start, deren Debütalbum The Illusion erscheint am 19. Mai auf Castle Face Records.