Die Hard-/Postcore-Institution Sorry State Records aus Raleigh, North Carolina hat zwei neue Leckerbissen für uns auf Lager. Zuerst wäre da mal die Demokassette von Chaos OK aus Atlanta zu nennen. Der Name suggeriert ja schon mal oldschool britischen Lärm und in der Tat hat das zu Beginn so einen leicht UK82-mäßigen Vibe, welcher daraufhin aber recht schnell in eine etwas aktueller wirkende Form übergeht, nicht unähnlich zu leicht Garage-infizierten Hardcore-Acts á la frühe Electric Chair oder Kaleidoscope. Die letzten zwei Songs kommen hingegen rüber wie eine Mischung aus zeitlosem Noise, Post Punk und Postcore, irgendwo zwischen den Welten etwa von Crass, Flipper und Drive Like Jehu. Aufregender Scheiß!
Eine ähnlich oldschoolige, wenngleich auch bei weitem primitivere Naturgewalt ist die neueste 7" der Finnen Valtatyhjiö, die hier vor allem mittels schierer Krafteinwirkung überzeugen und diverse Eigenschaften von überwiegend europäischem '80er Hardcore mit - und damit schließt sich der Kreis bezüglich britischer Einflüsse - klar NWOBHM-inspirierten (Speed-)Metal-Versatzstücken anreichern.
Was ich zuletzt über Uranium Club und ihre Wirkung auf die Garagepunk-Szene gesagt habe, ließe sich so änlich auch auf diese Band aus Oakland und ihr spezifisches (Sub-)Genre anwenden. Hier ist also eine neue LP einer weiteren Band, die zwar unter'm Strich bislang gar nicht sooo viel Musik veröffentlicht hat, aber dennoch spürbare Wellen durch die Art- und Post Punk-Szene der letzten Jahre gehen ließ. Ihr letzter und bis dato einziger Langspieler liegt jetzt schon über fünf Jahre zurück und die verstrichene Zeit wird sehr deutlich spürbar auf dem Nachfolger, bricht sich Bahn in einem stark gereiften Sound der sie erneut als eine Band präsentiert, die sich selbstbewusst gegen Grenzen des eigenen Genres stemmt. Ein Sound, den sie hier gekonnt weiterentwickeln und vorantreiben, ohne dabei jedoch die Tugenden zu vernachlässigen, die sie von Anfang an zu einer besonderen Band gemacht haben. Was auf der 2022er digitalen Single Dirty Water bereits seine Schatten voraus warf, entfaltet sich hier zur vollen Blüte - die Songs und Arrangements, wenngleich immer noch stark verwinkelte und komplexe Konstruktionen, haben viel an Eleganz und melodischer Schönheit gewonnen, immer geerdet in filigraner Songwriting-Kunst. Songs wie die absolut brilliante Vorabsingle See It Too channeln dabei einige der melodischeren und eingängigsten Aspekte von '70er Wire aber vollziehen dabei das Kunststück, die Schlaumeierästhetik mit einem satten Maß menschlicher Wärme und aufrichtiger Emotion auszubalancieren.
Das ist ja mal ein brillianter Scheiß, auf den ich so nicht vorbereitet war. Entspricht mal sowas von gar nicht dem Zeitgeist und hat klar seinen ganz eigenen Willen. Jau, das Zeug fühlt sich irgendwie alt an. Ich bin auch irgendwie alt, deshalb mag ich das. Man stelle sich vor, Saccharine Trust, Minutemen, Swell Maps und The Pop Group träfen sich für ein okkultes Ritual, um einen vergessenen Acid Rock-Dämon aus den 60ern zu beschwören, das Resultat einer unheiligen Vermählung von Psych- und Math-Rock. Klar steckt dessen Nase ein paar Millimeter weit im eigenen Arschloch, aber das gehört ja auch zum guten Ton in diesen Genres. Vermutlich habt ihr an diesem Punkt schon entschieden, ob ihr den Krempel liebt oder hasst. Ich persönlich finde das, was die Gruppe aus Philadelphia hier halluziniert ausgesprochen knorke! Das gehört einfach… legalisiert, sowas!
Nach einer noch etwas wechselhaften Kassette vor vier Jahren und anschließend einer Reihe von Kollaborations-EPs mit Leuten wie Eyes And Flies, Science Man und Ricky Hell, kommt nun das neueste Album sowie eine begleitende Extended Play-Kassette von Nervous Tick and the Zipper Lips aus Buffalo, New York hier angespült. Ihre bislang rundeste Veröffentlichung ist das geworden und die Mischung aus Post-, Garage- und Synth-Punk plus einem leichten Anflug von Industrial kommt so in etwa rüber wie ein gesunder Konsens aus, sagen wir mal, Droids Blood, Beef und The Spits. Weit davon entfernt, das Rad neu zu erfinden, aber immer ordentlich ernergisch, eingängig und effektiv.
Es hat für die Band aus Sydney so etwa ein halbes Jahrzehnt dafür gebraucht aber tatsächlich gibt's hier nun ihre dritte EP zu beglupschen, in ihrem vollen Glanz und endlosen Spektakel. Ihre ureigene Fusion aus Noise Rock, Hard- und Postcore hält die nervöse Energie der Vorgänger aufrecht aber schraubt gleichwohl genug an den Parametern rum um spannend zu bleiben, zum Beispiel in Shame Bomb, worin sich ein von ihnen bislang ungehörter Sinn für Melancholie breit macht. Andererseits kommt man jetzt in Songs wie Level Skipper und Prick in the Franger wieder ziemlich nah an das Tempo und den Zerstörungslevel des Debüts heran nach der etwas zurückhaltenderen Safe Word-EP, während Tracks wie Night Shift Blues erneut all den Dreck und Schmodder des oldschooligen Amphetamine Reptile-mäßigen Geriffes mit zwei Fäusten voll unnachgiebiger Hardcore-Energie vereinen.
Die zweite EP der Band aus San Francisco kommt zu uns aus der Schmiede der kranken Schreibtischtäter von Discontinuous Innovation Inc. und markiert eine beeindruckende Steigerung in Sachen Energie, Struktur, Eleganz und stilistischer Vielfalt nach einer bereits ausgesprochen appetitlichen Debüt-Cassingle in 2020. Im Jahr 2024 ruft ihre chaotisch-strukturierte Mischung aus Postcore, Post- und Art Punk mit einer mini-Dosis Garage mehr als je zuvor die schmeichelhaftesten Vergleiche hervor zu Krawallmachern im Fahrwasser etwa von Rolex, Patti, Reality Group, Big Bopper, Warm Bodies, Uranium Club und Brandy.
Jake Robertson's Alien Nosejob ist ja immer für die eine oder andere Überraschung gut und auch die wie üblich via Anti Fade Records erschienene neue 7" macht da keine Ausnahme! The Executioner erstaunt dabei mit einem von ihm bisher noch nicht so gehörten, stark Richtung Post Punk tendierenden Sound in dem kühle elektrische Beats mit einem nicht weniger rigiden Konstrukt aus repetitiven Riffs zu einem fast schon etwas industrial-mäßigen Vibe verschweißt werden. West Side Story klingt dann nach einer deutlich vertrautereren Alien Nosejob-Formel - ein einfach gestrickter und doch sehr eleganter Garage Punk-Klopper basierend auf einem einzigen, exquisiten Riff, das so bis in alle Ewigkeit weiterspielen könnte aber praktischer Weise ausgeblendet wird, bevor es bleibende (Hör-)Schäden anrichten kann.
Nach der deutlich roheren, hardcore-lastigen International Hertthrob EP im letzten Jahr bewegt die irgendwo in Indiana ansässige Band ihren Sound in eine melodischere, leicht egg-infizierte Richtung, bleibt dabei aber wunderbar abgefuckt und unvorhersehbar. In diversen Momenten erinnert mich das an ein so vielfältiges Bündel von Bands wie, sagen wir mal, Trauma Harness, Print Head, Exwhite, The Gobs, Snooper, Rolex, Witch Piss oder Slimex.
Ein Fixpunkt in der Garagenszene der letzten Jahre ist zurück mit einer diesmal wieder etwas größer angelegten LP via Erste Theke Tonträger, nachdem die vergangenen paar Jahre eher durch ein Stück weit unter dem Radar fliegende Kassetten- und Digital-Releases geprägt waren. Das Ding hier kommt nicht weniger eklektizistisch daher als besagte jüngere Veröffentlichungen, aber gleichzeitig auch um einiges fokussierter, entschlossener und konsistenter als das vorhergegangene Geschepper. Das Zeug umspannt ein Spektrum aus kräftig vorangehendem Post Punk (When It's Gone, A.P.A.C.) , melancholischen Indie Rock-Balladen (Texas Cloud), flauschigem Synth-Pop (Let U Know), geradeaus-rockenden Garage-/Fuzz Punk-Explosionen - reichlich Speck zum festbeißen und alles zusammengehalten von Vinny Earley's immer selbstsicheren, häufig brillianten Songwriting-Fähigkeiten. Mit Weekend Shadows und Carryon gibt es dann zu guter Letzt noch zwei dieser göttlichen Power-/Fuzz Pop-Ohrwürmer wie sie der Typ einfach perfektioniert hat.
Eine weiter mysteriöse Eggpunk-Bombe hat eingeschlagen von einer Band aus… ja wo genau eigentlich? Das Label ist in Tel Aviv und die Songtitel, sagt mir Google Translate, sind wohl portugiesisch. Klanglich wiederum wären wohl die Genre-Overlords Prison Affair aus Barcelona der treffendste Vergleich mit weiteren Ähnlichkeiten zu Nuts aus Köln und australischen Bands á la Set-Top Box, Eugh, Midgee und Research Reactor Corp.. Darüber hinaus, womit sich der Kreis nun schließt, wäre auch noch Tel Aviv's eigene Eggpunk-Sensation Victor als passender Vergleich zu erwähnen. Kurz gesagt: das ist mal wieder hochkarätig weltenbummelnder Qualitätsscheiß, wo auch immer diese Band eigentlich herkommen mag.
Noch ein passender Referenzpunkt wären dann Beer aus Charleston, North Carolina und als wenn man vom Teufel spricht, hat die Bierste Bierband der Welt gerade ebenfalls ihre zweite EP veröffentlicht zu der auch so ziemlich alles aus dem vorherigen Absatz ohne Abstriche passen würde. Statt mich also zu wiederholen empfehle ich einfach, den Scheiß ordentlich aufzudrehen. Ich bin sicher deine Nachbarn werden sich vor Begeisterung in die Hose pissen.