Sind jetzt tatsächlich schon zwei Jahre vergangen seit der letzten Veröffentlichung der Powerpopper aus Portland? Das ist ungewöhnlich lange für die sonst so produktive Songschleuder. Überhaupt wundert es mich, dass Woolen Men nach über acht Jahren immer noch kaum wahrgenommen werden. Denn kaum eine andere Band hat in der Zeit einen so konstant guten Output fabriziert und dabei eine so unverwechselbare eigene Identität entwickelt, mit ihrem in bester DIY-Manier schnell und dreckig aufgenommenen Sound aus Powerpop und Garage Rock, der gleichermaßen von Guided by Voices in ihrer goldenen Ära wie auch vom Protopunk der Modern Lovers beeinflusst scheint. Neues Material soll schon unterwegs sein, in der Zwischenzeit kann man sich an ihrer bereits zweiten Compilation erfreuen. Die enthält Songs, die ursprünglich auf diversen Tapes und EPs erschienen sind; der überwiegende Teil davon ist schon länger nicht mehr zu bekommen.
Der Sound dieser Band aus Nashville ließ sich schon immer etwas schwer festnageln und auch auf ihrer aktuellen EP geben zeigen sich weiterhin sehr wandlungsfähig, aber auch deutlich gereift. Der Opener Me and Johnny tobt sich auf einer Basis von psychedelischem Postpunk aus, angereichert um Elemente aus Kraut, Space- und Mathrock; die garagige Kante haben sie sich dabei bewahrt. The Big Kahuna hat dann einen gewissen Velvet Underground-meets-Modern Lovers-meets-Gun Club Vibe; zum Abschluss geht es dann noch mal ordentlich abgespaced zu.
Lange ein Geheimtip der lokalen Szene, hat David Nance aus Omaha in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe selbstveröffentlichter CD-Rs mit krudem Garage Rock rausgehauen und spülte erstmals im letzten Jahr mit seinem charmant LoFi-mäßigen Debüt für Ba Da Bing Records in an die Oberfläche. Aus gleichem Hause kommt jetzt der Nachfolger und wirkt durch einen vergleichsweise klaren Sound etwas zugänglicher, ohne dass die Musik an sich irgendwelche Kompromisse eingeht. Die Klangpalette ist vielfältiger geworden, es machen sich diesmal deutliche Americana-Einflüsse breit; sogar für eine - selbstverständlich ordentlich verbeulte - Country-Nummer ist sich der Mann nicht zu schade. Ansonsten dominiert nach wie vor eine sumpfige Mischung aus altem Proto- und Artpunk, Blues- und Garage Rock, einem Hauch von Glam. Oder auch mal Velvet Underground meets late The Gun Club meets early Nick Cave meets electrified Neil Young meets The Modern Lovers. Oder ganz was anderes, whatever… ich weiß ja nix von Musik.
Bin ich froh, dass es diese durch und durch ungewöhnliche Band gibt. Eine Band, die der DIY-Punkszene entspringt, aber sich nicht von dessen selbst auferlegten ästhetischen Konventionen davon abhalten lässt, Stilelemente aus altem Hard- und Southern Rock aufzugreifen, sie dem Kontext von hypermaskulinem Rockstar-Gehabe zu entledigen und mit lyrischen Inhalten von politischer Agitation und brennender Leidenschaft aufzuladen. Und egal wie knapp sie dabei manchmal die Kitsch-Falle um eine Haaresbreite verfehlen, alle Worte aus dem Mund von Tina Halladay (meines Erachtens eine der großartigen Vokalistinnen unserer Zeit) kaufe ich ihr ohne Vorbehalte ab.
Es fällt mir gerade schwer die Platte zu genießen, ohne dabei den Kontext der jüngeren Ereignisse in Hamburg im Hinterkopf zu haben. Und dazu sag ich mal herzlichen Dank auch, Leute. Ihr habt jetzt die perfekte Anti-Werbung für euer Anliegen gemacht und der Bundespolitik ein tolles Argument in die Hand gegeben, linken Protest zu verhindern, zu dämonisieren und generell in ein schlechtes Licht zu rücken. Ich hoffe, ihr habt euch dabei super-männlich gefühlt und habt 'nen guten Adrenalin-Kick beim Fangenspielen mit der Polizei bekommen. Der Backlash vom Staat wird nicht lange auf sich warten lassen. Viele Menschen, die eigentlich auf eurer Seite stehen, werden sich jetzt doppelt überlegen ob sie zusammen mit euch auf der nächsten Demo sein wollen. Und viele Menschen mit einem weniger gefestigten politischen Weltbild werden sehr zögern, bei der nächsten Wahl für eurem Anliegen mehr oder weniger nahe stehende Vertreter zu stimmen. Weil sie "links" jetzt mit Bildern von Gewalt und sinnloser Zerstörung assoziieren. Eine super Aktion war das.
Aber gerade in dieser aufgeladenen Stimmung finde ich Sheer Mag und ihr exzellentes Debütalbum so erfrischend und wichtig. Denn auch wenn sie sich in ihrer Rhetorik an Bildern von fliegenden Flaschen und Steinen bedienen (und es hängt vom einzelnen Hörer ab, ob er diesen Aufruf wörtlich oder symbolisch verstehen will), verlieren sich die Songs im Gesamtbild nicht in platter Kampfrhetorik, sondern setzten der Wut und der politischen Mobilisierung auch ein großes Maß an Menschlichkeit, Verletzlichkeit und Empathie entgegen. Die Liebe ist schon Titelgebend und die Platte besteht zu gleichen Teilen aus Protest- und Lovesongs. Oft auch beides auf einmal. Zwischen den Zeilen rufen diese Songs dazu auf, den Mitmenschen liebe- und verständnisvoll zu begegnen. Menschen zu vereinen, so unterschiedlich ihr Lebensstil, ihr Aussehen und ihre Vorlieben auch sein mögen. Und es dabei nicht zu vergessen, symbolische Flaschen und Steine auf die menschenfeindlichen Strukturen eines scheiternden Kapitalismus zu werfen. Oder um es mal in den Worten eines alten Fritz Lang-Schinkens auszudrücken: "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein." Rage against the machine. Love against the machine.
Wenn ich es derzeit einer Band wünsche durch die Decke zu gehen, dann dieser. Dass ihre Musik viele Menschen bewegt, vereint und zum Nachdenken bringt.
The Roamin' Catholics aus Sydney sind (oder waren? Ich bin mir da nicht so sicher…) mal wieder eine von diesen Underground-Supergroups, wie sie in der australischen Szene regelrecht aus dem Boden sprießen; es sind unter anderem Mitglieder von Ghastly Spats, Housewives, Dry Finish, Bitch Prefect und Peak Twins beteiligt.
Das erste Minialbum dieser Formation klingt in etwa wie eine Vermengung von klassischen Vertretern des unkonventionellen Pop á la The Fall, Flipper oder Half Japanese mit aktuellen Garagepunk-Bands wie etwa Ausmuteants und Uranium Club. Das Ergebnis ist wunderbar knarziger Rock'n'Roll irgendwo zwischen den Stühlen von Garage- und Postpunk, der trotz vieler Verschrobenheiten nie auseinander fällt.
Schicker zweiter Kurzspieler einer Band aus Montreal mit zurückgelehntem Garage Rock und einem Hauch von Surf, der zuletzt über das französische Label Beko den Weg hierhin gefunden hat.
Knappe drei Jahre nach ihrer Debüt-EP weiß mich die Garagenband mit stark variierender Besetzung aus dem kanadischen Edmonton ein weiteres mal zu überzeugen. Auf dem zweiten Tape der Band gibt es Garagepunk mit Anklängen an Mudhoney und Feedtime zu hören, dem sie eine konstante Schlagseite verpassen, ohne dass der alte Kahn jemals abzusaufen droht.
Auf ihrer Debüt-EP präsentiet diese Band aus Melbourne eine fluffige Rock'n'Roll-Mixtur mit Elementen aus Garage und Psychedelic, vorangetrieben von kräftigen Grooves aus der Postpunk-Grabbelkiste.
Es kommt mir nicht so lange vor, aber die aktuelle Band um den postmodernen Dichter und Denker Ian Svenonius, in der Vergangenheit auch bekannt auch als Frontmann von so einschlägigen Bands wie Nation Of Ulysses, The Make Up und Weird War, ist jetzt schon ein knappes Jahrzehnt lang aktiv und hat in der Zeit vier Alben und mindestens drei 7"s von ihrem garagigen, häufig abstrakten Retrorock veröffentlicht, der immer hart an der Grenze zur Performance Art operiert. Jetzt kommen die also mit einer Art Best Of-Album daher, aber glücklicherweise haben sie sich dann doch etwas mehr Arbeit gemacht und haben die zehn alten plus zwei bisher unveröffentlichte Songs neu eingespielt. Besonders beim Material aus ihrem LoFi-lastigen Frühwerk macht das schon einen ganz schönen Unterschied.
Nach einer sehr ordentlichen EP vor zwei Jahren ist jetzt der erste Langspieler der Band aus Portland gelandet und weiß durchaus zu gefallen mit einem Sound aus straightem Garagepunk und unterschwelligen Postpunk-Anleihen, der das Genre definitiv nicht neu erfindet, dafür aber konstant solide Qualität abliefert. Man darf sich etwas an The Intelligence oder eine abgemilderte Version von Ex-Cult erinnert fühlen.