Einige der jüngeren Releases auf Slovenly Recordings waren nicht so wirklich meine Tasse Tee in ihrer für meinen Geschmack doch etwas zu konservativen Rückbesinnung auf ausgelatschte 08/15 Garage-Formeln; in meinen Augen war da mehr Masse als Klasse am Start. Die neueste Veröffentlichung entpuppt sich jedoch mal wieder als eine einzige Rock'n'Roll-Glückspille.
Proto Idiot aus Manchester existieren wohl schon 'ne Weile und haben bereits eine ganze Reihe von EPs und zwei Compilations veröffentlicht, mir begegnen sie hier aber zum ersten mal mit ihrem (besagte Compilations nicht mitgezählt) Langspieldebüt. Das entzückt mit einem Sound aus ganz viel Garage- und einem kleinen bisschen Postpunk. Das hat durchaus was von frühen Parquet Courts und Eddy Current Suppression Ring, es kommt aber auch immer wieder der Vibe der Buzzcocks und generell der britischen 77er Schule auf. Angenehm dummer aber auch ausgezeichnet rockender Spaß. Der Opener kündigt unmissverständlich an, was folgen wird: I'm stupid. You're stupid. Let's do it!
Diese Band aus dem eh schon für jede Menge Qualitätslärm bekannten Brisbane trifft mit ihrer ersten EP schon mal ziemlich ins Schwarze. Straightes aber ausgefeiltes Punkzeug mit beachtlichem Garage- und Fuzz-Faktor, deutlichen Anzeichen von Hard- und Postcore. Als grobe Orientierungshilfe hätte ich zum Beispiel frühe Video, Flowers Of Evil, Bad Breeding, Hot Snakes oder Davidians anzubieten.
Einfach gestrickten aber ebenso mitreißend dargebotenen Punkrock mit garagigen/postpunkigen Zwischentönen setzt es auf dem Debütalbum der Leipziger Band. Stellenweise könnte man das als eine etwas erdigere Version von Short Days beschreiben, außerdem meine ich leichte Spuren von z.B. Daily Ritual oder Criminal Code zu erkennen. Kann was.
Äh… Weiterentwicklung? In einem Atemzug mit dieser Band? Jedenfalls haben Lumpy & The Dumpers aus Saint Louis mal wieder ein neues Häufchen Dung fallen lassen. Nach wie vor ist das im Umfeld von Noise, Punk und Garage zu verorten, aber was sie auf ihrer neuesten EP fabrizieren könnte man teilweise schon als semi-kompetent bezeichnen. Neu dazu kommt außerdem ein zaghafter Einsatz elektronischer Lärmerzeugung und in Someone's in the House hat sich überraschend ein No-Waviges Saxofon verirrt. Aber zu keinem Zeitpunkt droht das ganze auch nur annähernd normal zu klingen. L&TD bewahren ihren rohen, abgefuckten Charme.
Der dieses Jahr aus der Taufe gehobene Tape Club des New Yorker Labels Exploding In Sound hat mich vor kurzem ja schon mit dem großartigen Tape von Milked sehr beeindruckt. Auch die neueste Kassettenveröffentlichung der Bude weiß mir durchaus zu gefallen. Die kommt von von Big Heet aus Tallahassee, Florida und zu hören gibt's recht verschwurbelten und vielseitigen Postcore, der neben vielen anderen Einflüssen öfter mal an so Bands wie Unwound, Jawbox oder Drive Like Jehu erinnert. Den Songstrukturen würde hier und da noch etwas Feinschliff und Entwirrung gut tun, aber es gibt auch haufenweise positive Überraschungen. Etwa wenn der Opener On A Wire mit sehr markanten Mission Of Burma-Harmonien aufwartet. Wenn in Mirror aus an 80er Sonic Youth erinnernden Dissonanzen plötzlich ein kurzes Gitarrensolo aufpoppt, das man so eher auf einem frühen Television-Demo erwartet hätte. Oder wenn sie, wie in Incomplete, in einen absolut tadellosen, melodischen Punkklopper ausbrechen, der bei aktuellen Genre-Größen wie Red Dons oder Radioactivity nicht fehl am Platz wäre. Die weitere Entwicklung der Band wird sicher spannend.
Eine gelungene Überraschung, das Debütalbum dieser Band aus Madison, Wisconsin; damit konnte in der gegenwärtigen Musiklandschaft wirklich niemand rechnen. Ihr stacheliger Sound klingt wie eine wilde Anhäufung aus so ziemlich allem, was sich im US-Punk der frühen bis mittleren 80er nicht an die damals schon weitgehend in Stein gemeißelten Punk- und Hardcore-Konventionen halten wollte. Man kann jetzt natürlich parallelen zu den offensichtlichsten Acts wie frühe Hüsker Dü, Mission Of Burma, Sonic Youth oder Dinosaur Jr ziehen, aber das trifft nicht so wirklich den Kern der Sache. Eher passt da schon der Hardcore-lastige Vorgänger letztgenannter Band, Deep Wound, nach denen sie gleich einen Song benannt haben. Überhaupt ist das Herz dieser Platte in den eher halb-bekannten Bands der besagten Zeitspanne zu suchen wie etwa Saccharine Trust, Live Skull, Angst, Das Damen oder ganz frühe Meat Puppets. Der halbe SST-Katalog hat hier scheinbar Pate gestanden. Das alles präsentiert sich in einem wunderbar unperfekten Klangteppich, der genau das richtige Maß an LoFi-Knarz mitbringt. Auch wer sich nach der genialen ersten Milk Music EP etwas verprellt von dessen Nachfolgern fühlte und auch einen fiesen, Streit suchenden Zwillingsbruder davon vertragen kann, wird hier dran seinen Spaß haben.
2017 war ein bemerkenswert geschäftiges Jahr für diesen Mann, der mit Leichtigkeit die Rollen des Rock'n'Roll-Poeten, Aktivisten, Philosophen, Performance-Künstlers und Essayisten (Wink/mit dem/Zaunpfahl) in einer Person vereint. Ian Svenonios, bekannt auch aus alten Bands und Projekten wie The Nation Of Ulysses, The Make-Up, XYZ und Weird War, hat dieses Jahr bereits eine Art Best Of-Album mit seiner derzeitigen Band Chain & The Gang veröffentlicht, das ausschließlich Neuaufnahmen der alten Songs enthielt. Im November kann man sich außerden auf das erste Album seines Soloprojekts Escape-ism freuen. In der Zwischenzeit haben Chain & The Gang noch kurzerhand ihr fünftes Album rausgehauen. Schnell und dreckig mit Vierspur-Technik aufgenommen, erstrahlt das ganze nach den etwas cleaneren letzten Alben jetzt wieder im besten Vintage-Sound, der ihnen eh besser steht. Und die zehn Songs, die sich überwiegend wie gewohnt ums Überleben im scheiternden Kapitalismus drehen, gehören mit zum besten, was die Band bislang verbrochen hat.
Das hier ist bereits das zweite Album, das die Band aus Melbourne in diesem Jahr veröffentlicht hat. Und so langsam müssen das dringend mal mehr Leute mitbekommen, denn wie schon der Vorgänger ist das Album ein definitives Highlight des Jahres. Unglaublich Ärsche tretender Punkrock ist das nach wie vor, mit variablem Garagenfaktor. Aber während das erste Album When Are You Going To Give Up On Me So I Can Give Up On Myself noch eine einzige kompromisslose Attacke war, ist der neue Langspieler abwechslungsreicher und melodischer ausgefallen. Eine subtile Noise-Kante hat das stellenweise und auch die folkigen Einflüsse der letzten EP scheinen vereinzelt wieder durch. Entsprechend fällt mir auch kein treffender Vergleich zu einer bestimmten Band ein, aber in unterschiedlichen Momenten kann man sich mal an X (sowohl die Amis als auch die Australier), Scientists oder Naked Raygun erinnert fühlen.
Das Demo der Band aus Manchester hat ja schon sehr ordentlich in die Scheiße gehauen, auf der neuen digitalen Single hat ihr Sound aus Fuzz und Garage aber noch einiges an Kontur und Druck gewonnen. So ähnlich würde ich mir eine technisch etwas versiertere Variante von Lumpy and the Dumpers vorstellen.
Schön dreckig daher rumpelnden Fuzzpunk gibt es auf dem Demo von Impotentie zu begutachten. Dabei darf man sich nich von den auf Niederländisch gesungenen Lyrics an der Nase herumführen lassen: Die Band kommt in Wirklichkeit aus Montreal.