Die New Yorker Sleepies lassen mal wider was von sich hören in Form eines ziemlich blauen Kurzspiel-Tapes. Ihre wuderbar fluffige Mischung aus Indie Rock und Postpunk, die man inzwischen schon fast wieder als oldschoolig bezeichnen könnte, hat über die Jahre kein bisschen von ihrem Charme eingebüßt.
Schon wieder Herbst. Herbst ist immer 'ne Scheißzeit. Mein doofes Hirn braucht viel Sonne um halbwegs zu funktionieren und geht jetzt in den kalten Entzug. Aber auf eine Sache kann ich mich jeden Herbst freuen, und das schon seit einigen Jahren: Dass die Powerpopper The Persian Leaps aus St. Paul, Minnessota pünktlich zum September eine neue EP abliefern. Auch diesmal ist das wieder eine schön runde Angelegenheit geworden. Melodisch-melancholischer Powerpop, der keine übertriebenen Ambitionen hegt, dafür aber konstant und zuverlässig mit grundsolidem Songmaterial aufwartet.
Ich bin gerade etwas überwältigt von emotionalen Kraft dieser Platte. Von der ergreifenden Melancholie, dem reinen, großen Herz dieser Songs. Dieses Jahr war nicht arm an guter Musik, aber es ist echt lange her, dass mich ein Album so bewegt hat. In Zeiten des postmodernen, ironisch von sich selbst distanzierten Rock'n'Rolls, dessen Seele sich meist nur auf einer verschwurbelten Metaebene offenbart, ist der grundehrliche und vollkommen unironische, dennoch bescheidene und niemals prätentiöse Indie Rock von Michael Beach ein unerwartetes und wertvolles Geschenk. Musik, die in jeder Hinsicht am Zeitgeist vorbei geht, der das absolut bewusst und gleichermaßen scheißegal ist.
Michael Beach kommt aus Melbourne und ist manchen vielleicht auch als Sänger und Gitarrist der viel lauteren Band Shovels bekannt. An dieser Stelle ist er vor längerer Zeit schon mal mit seinem dritten Album Golden Theft aufgefallen, das schon einige große Momente hatte, aber auch sehr fragmentiert wirkte, unentschlossen zwischen folkigen Americana-Einflüssen und klassischem Indierock oszillierte. Dass wir es mit einem begnadeten Songwriter zu tun haben, machten dessen Höhepunkte aber schon endrucksvoll klar.
Das neue Minialbum Gravity/Repulsion wirkt da mehr wie aus einem Guss und zelebriert eine Form von Indierock, die schon lange ausgestorben scheint. Auf's Wesentliche reduziert, auch in der Laufzeit. Gerade mal fünf Songs, plus drei instrumentale Interludes. Aber diese fünf Songs sind einfach brilliant, gehören in ihrer Besinnung auf die klassischen Songwriting-Tugenden zu den beeindruckendsten Stücken Musik, die mir dieses Jahr begegnet sind.
An irgendetwas erinnert mich das die ganze Zeit. Die Musik löst ein starkes Deja Vu aus, zu einem Moment, den ich einfach nicht zu greifen vermag. Ich habe die letzte Stunde damit verbracht, danach zu suchen. Bin gedanklich alles durchgegangen, was mich musikalisch geprägt hat. Mein digitales Musikarchiv systematisch durchforstet, auf der Suche nach der Platte, die irgendwann etwas ähnliches in mir auslöste. Aber alles was ich finde, sind ein paar Bits and Pieces. Hier und da findet man eine vage Verwandtschaft zu Uncle Tupelo, den späteren Replacements, folkig angehauchten Powerpoppern wie Buffalo Tom oder den Lemonheads. Fetzen von Neil Young, Guided by Voices oder 90er Dinosaur Jr, Anklänge an Bowie und Reed. Alles eher hinkende Vergleiche und ich versuche immer noch den Code zu knacken.
Aber vielleicht ist es genau dieses Gefühl, das diese Songs transportieren. Der Gedanke, etwas altes, etwas liebgewonnenes verloren zu haben. Und ums verrecken nicht zu wissen, was es ist. Plötzlich ist da eine Melodie in deinem Kopf. Oder ein verschwommenes Bild, ein Zitat oder einfach eine seltsam bekannte, aber nicht definierbare Emotion. Ganz klar zapft es dein Unterbewusstsein an. Aus unerklärlichen Gründen fühlst du eine Euphorie, einen Schmerz, wirst ruhig oder aufgewühlt. Nicht von ungefähr handelt der vielleicht schönste Song von Freundschaft und Vergänglichkeit. Langfristig vergessen wir alles. Auch ohne den großen Aha-Moment bin ich dankbar, dass die Musik mit einen vergessenen Teil meiner Person resoniert. Mit Sicherheit die schönste Platte dieses Jahres.
Eine ausgesprochen vielversprechende EP hat die Londoner Band Death Traps da vorgelegt. Irgendwo im Umfeld von spät-80er Indierock, Postpunk und -core angesiedelt, erinnert mich ihr Sound abwechselnd mal an Mission Of Burma, 80er Sonic Youth oder Moving Targets, aber auch an jüngere Vertreter des Postpunk-Genres, ohne dass mir da spontan ein expliziter, treffender Vergleich einfiele.
Wow Bob, wow. Auf einmal lag ganz unscheinbar der Link zu diesem von vorne bis hinten geilen Tape zwischen den Emails von "Band die glaubt nach einer viel besseren Band zu klingen" und "Band die versucht dem Indie-Trend der Stunde zu entsprechen". Es sind Einreichungen wie diese, für die es sich dennoch lohnt, sich der Masse an völlig fehlgeleiteten Promoanfragen auszusetzen.
ViewMaster kommen aus Vancouver und alle Bandmitglieder spielen oder spielten bereits in diversen lokalen Kapellen, von denen mir bisher keine einzige bekannt war. Vor gut anderthalb Jahren erst gegründet, kann das Trio schon einen gänzlich ausgereiften Sound und tadelloses Songmaterial vorweisen (wer selbst nachvollziehen will, wie krass und rapide sich ihre Musik entwickelt hat, kann ja mal in ihr altes Demo reinhören…). Darin trifft vorzüglich drückender Sonic Youth-Noise auf eine Verschmelzung von früh-90er Indie-/Alternative Rock und Shoegaze, wie man sie einstmals von Swervedriver oder frühen Catherine Wheel zu hören bekam. Hinzu kommen noch deutliche Postpunk-Einflüsse und das alles stützt sich auf ausnahmslos starke, fast schon kriminell griffige Songs. In der Gegenwart kann man außerdem eine entfernte Verwandtschaft zu Bands wie etwa Die! Die! Die!, Piles, Fist City oder Never Young feststellen.
Die New Yorker Band macht ja schon seit einigen Jahren von sich reden. Zuerst durch zwei starke Split EPs, dann mit einem Album, dass offenbar auch so einige Bewunderer gefunden hat. Mich hat's aber nicht so richtig vom Hocker gerissen, das ganze machte auf mich einen insgesamt doch recht unausgegorenen Eindruck. Ihr zweiter Langspieler - wie gewohnt auf Exploding in Sound erschienen - macht mir wieder deutlich mehr Spaß. Ihre Songs und Arrangements kommen hier deutlich fokussierter und aufgeräumter rüber, haben sich aber alles bewahrt was ursprünglich den Charme dieser Band ausmachte. Nach wie vor weckt ihre Spielart zeitlosen Indierocks Assoziationen zu den Klassikern von Archers Of Loaf, Sebadoh oder Superchunk; aber eigentlich noch mehr zu aktuelleren Bands wie Hermetic, Grass Is Green und Pile.
Starkes Teil, die Debüt EP von Truth Club aus Raleigh, North Carolina. Indierock der alten Schule mit einem kleinen Spritzer Postcore, der seine Wurzeln klar in den 90ern und frühen 00ern hat. Etwa so als träfen die verschwurbelten Strukturen von Faraquet oder Medications auf die melodischen Slackerhymnen von Archers Of Loaf, Pavement oder frühen Modest Mouse. Aktuell könnte man es auch als eine geringfügig freundlicher klingende, weniger Noise-lastige Version von Pile beschreiben.
Die Band aus London setzt auf ihrer dritten EP den Trend fort, mit jeder Veröffentlichung etwas lauter zu werden. Fuzz Punk und Noise Pop gibt's darauf zu hören, der einerseits an jüngere Bands wie Playlongue, Terrorista, Solids oder die erste Milk Music EP erinnert, aber auch Anklänge an Klassiker von Hüsker Dü, Sonic Youth oder Dinosaur Jr erkennen lässt.
Meine Fresse, was ist denn diese Woche los? Mit dem Debütalbum von Pardoner aus San Francisco ist auch schon wieder die nächste Hammerplatte am Start. Den eigenwilligen Lärm, der einem darauf entgegenn springt, könnte man als eine Verschmelzung vom Indie Rock und Postcore der alten 90er Schule, Noise Pop und Fuzzpunk beschreiben, angereichert um deutliche Spuren von Post Punk und Shoegaze. Selbst geben die Jungs Polvo als ihren wichtigsten Einfluss an und das ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich denke dabei aber eher an jüngere Bands wie Ovlov, Happy Diving, Never Young und The Gotobeds; außerdem finde ich Anklänge an Swervedriver und ein kleines bisschen Slint wieder. Aber allen Vergleichen zum Trotz muss man ihnen doch zugestehen, ihre durchaus eigene Nische gefunden zu haben. Und das Songmaterial: Durchweg hochwertig. Eine von Anfang bis Ende saustarke Platte, die sich keinen einzigen Fehltritt leistet.
2017 war bislang schon ein ausgezeichnetes Jahr für Freunde hochwertigen Powerpops, in dem unter anderem Veröffentlichungen von Big Huge, The Lovebirds, Radioactivity, 31Ø8, Sheer Mag oder Lost Balloons einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Und diese Aufzählung kratzt nur an der Oberfläche.
Hier ist eine weitere Platte von beeindruckender Qualität. Landlines kommen aus Portland und zu ihrer Besetzung zählen sich Mitglieder der von mir hochgeschätzten Woolen Men und von den ebenso tollen Lithics; die Musik auf ihrem aktuellen Langspieler klingt davon wohl eher nach erstgenannter Band. Zu hören gibt es also grandiosen Powerpop und Indierock, der z.B. The Clean, Pavement oder The Soft Boys in Erinnerung ruft, mit detailverliebten, ausgefeilten Arrangements und der mitreißenden Darbietung eines gut geölten Powertrios. Aber das eigentliche Herz dieses durchweg goldigen Albums ist das brilliante Songwriting, das scheinbar mühelos und ausgesprochen trittsicher durch einen nicht enden wollenden Strom von einprägsamen Sätzen, Hooks und Melodien glänzt.