In jüngerer Zeit hat es noch nie so etwas gegeben wie eine schlechte Woche für Eggpunk, aber diese Woche war mal wieder ganz bemerkenswert hochwertig mit drei überdurchschnittlichen Veröffentlichungen. Paulo Vicious aus Tel Aviv dürfte euch ja bereits von der Ärsche tretenden Debüt-EP im letzten Winter ein Begriff sein. Der Nachfolger davon nimmt nahtlos dessen Stränge wieder auf und erzeugt weiter kranken Spaß am laufenden Band mit starken Echos von Prison Affair, Set-Top Box, Nubot555 und obendrein einer glitzernden Patina aus 8.Bit Chiptunes. Dårskap aus Oslo wiederum nähern sich den Egg-verwandten Sounds mit einem gewissen Dungeon Punk-Unterton und der subtile Deathrock-Vibe wirft die Frage auf, ob hier vielleicht personelle Überschneidungen zur ebenfalls aus Oslo stammenden Band Molbo bestehen, die es erst letzte Woche an dieser Stelle zu bestaunen gab. Zu guter Letzt liefern die Schweden Gurk vier neue Attacken des ultra-catchy Egg-induzierten Wahnfrohsinns auf einer neuen EP, die ich mal durchaus als ihre bislang stärkste bezeichnen möchte.
Schön, diese Engelsstimme wieder singen zu hören! Erst vor wenigen Wochen meldete sich Shogun, der den meisten hier wohl als das Frontmann-Nervenbündel von Royal Headache bekannt sein dürfte, mit der Debüt-EP von Finnoguns Wake eindrucksvoll zurück, einem Duo, das er zusammen mit Finn Berzin gegründet hat (vergessen wir dabei aber auch nicht die tolle 2018er Shogun and the Sheets 7"). Jetzt gibt es ohne allzu große Vorwarnung noch die erste EP einer weiteren neuen Band von ihm hinterhergeschoben, auf der sie vom Songmaterial her dem alten Royal Headache-Vibe ziemlich nahe kommen, wenngleich sie sich dabei ein gutes stück weit vom sägenden Garage-Sound weg, hin zu einer etwas polierteren Ästhetik zwischen den Parametern von geradlinigem, melodischen Punkrock, Noise- und Power Pop bewegen und obendrein mit einem unerwarteten Leatherface-Einschlag aufwarten. Geil!
Eine neue EP der Band aus San Antonio, Texas und wie immer freue ich mich verkünden zu dürfen, dass Sex Mex immer noch sehr nach Sex Mex klingen. Ihr Mix aus Garage- und Synth Punk, Noise- und Power Pop transportiert nach wie vor meisterhaft die Ästhetik der melodisch-eingängigsten Artefakte aus der alten Reatard-Ära. Zuverlässiger Scheiß, der auf keine dummen Ideen kommt und stattdessen einfach Melodien und Hooks abfackelt als gäbe es kein Morgen.
Die EP lässt sich hier leider nicht einbetten, aber drübven auf Bandcamp könnt ihr sie trotzdem hören.
Die spanischen Noise Pop-Overlords Beta Máximo schlagen wieder zu mit einem starken Bündel neuer Songs. Schwer zu glauben, dass ihr gigantischer Output erst irgendwann im letzten Sommer seinen Anfang genommen hat… Ursprünglich noch mit einer deutlichen Eggpunk-Ästhetik, hat sich ihr Sound graduell in eine etwas ruhigere und verträumte, leicht Shoegaze-mäßige Richtung entwickelt und diese neuen Songs sind fraglos die rundeste Inkarnation ihrer jüngeren Entwicklung.
Was auch immer sich über diese Band aus Cincinnati, Ohio herausfinden lässt bleibt in einen dichten Nebel der Ungewissheit verhüllt und die etwas stereotypische Verliererband-Pseudobiographie auf der Bandcamp-Seite stärkt jetzt auch nicht gerade das Vertrauen in dessen Wahrheitsgehalt. Da sind also vermutlich Leute von Bands wie The Serfs, The Drin, Crime of Passing und Motorbike involviert und zumindest einige der Songs lassen sich ins Jahr 2019 zurückverfolgen, als sie erstmals auf der Pedestrian Sentiments EP erschienen sind. Darüber hinaus weiß ich aber nicht, inwiefern man den Details glauben schenken soll. Eins ist allerdings sicher: Die Musik tritt durchweg Arsch und bringt zumindest in gewisser Weise die Ästhetik, wechselhaften Produktionswerte und stilistische Breite der goldenen Guided By Voices-Ära in Erinnerung. Davon ab, oszilliert das Zeig so zwischen schrammeligem Power Pop im Geiste etwa von Bad Wettin' Bad Boys oder Bad Sports in Songs wie Coward Of The State, Wannabe (A Star) und Silver Queen; erdig-psychedelischem Garage Rock (Didn't Win The Lottery, Obnoxious And A Neu) sowie ein paar catchy melodischen Garage Punk-Smashern á la Booji Boys, Tyvek and Parquet Courts. It's Been A Bad Week ähnelt der Garage-getränkten Noise-Ästhetik von A Place To Bury Strangers, Peyton's Kids hat so einen gewissen Woolen Men-Vibe und mehr als nur einmal fühle ich mich auch an den folkigen Post Punk von Chronophage erinnert.
Die zweite LP dieser Band aus Chico, Kalifornien um Jake Sprecher - auch als Teil etwa von Smokeskreens, Beehive und Terry Malts bekannt - nimmt die Fäden genau da wieder auf, wo ihr späktakuläres 2021er Debütalbum Try Not To Thinkaufgehört hat. Will sagen: Mehr von dieser unwiderstehlichen Mischung aus Noise- und Power Pop, Garage- und Fuzz Punk und erneut ein einziges neonfarbenes Bubblegum Pop-Feuerwerk, dessen unfehlbare Songwriting-Qualitäten hier nicht ein einziges mal ins Straucheln kommen.
Zuerst war ich mir ja nicht so sicher, ob diese Angelegenheit nicht etwas zu entspannt wird für meinen Geschmack, aber letztendlich kann mich auch dieses mal wieder die schiere Kraft des Songwritings überzeugen auf einem Album, das irgendwie den Eindruck einer gemischten Tüte von Outtakes und sonstigen Krümeln erweckt - ein Eindruck der durchaus stimmen könnte und noch bestärkt wird davon, dass die Songs hier einfach alphabetisch sortiert sind. Die Songs selbst sind aber durchweg makellose A-Ware.
Nach einem unerhört spannenden 2021er Demo legt die Band aus Kopenhagen ein nicht weniger aufregendes Debütalbum nach. Einerseits ist das ein seltsam vertrauter Sound, in dem die lokalen Legenden Lower und (frühe) Iceage sicher ihren Fingerabdruck hinterlassen haben - einen ähnlichen Vibe aus überlebensgroßem Drama hat das, welches sich in chaotisch-emotional-kompromisslosen Performances entlädt - zusätzlich zu weniger bekannten Kopenhagener Bands wie Melting Walkmen, Echo People und Spines. Andererseits steht das aber auch fest auf eigenen Füßen nicht zuletzt dank felsenfester Songfundamente und einer Fülle netter Überraschungen wie den Black Metal-Anleihen im Instrumental The World Says Its Name, einem deutlichen Morricone-Vibe und Murderer-artigem psychedelischem Cowpunk-Nebel in Drive of Distress, während Light and Fire und This Is How I Die einen gewissen Poison Ruïn-Vibe in sich tragen. Zu guter letzt kollidiert dann im Rausschmeißer-Track The Dream ordentlich viel Rites of Spring- und Dag Nasty-Energie mit etwas 90er Samiam, Leatherface sowie geringfügig jüngeren Noisepop-Acts á la Star Party, Times Beach, No Age, Male Bonding oder Joanna Gruesome.
Die Band aus Sydney hat noch nie enttäuscht und hält den Standard hoch auch auf ihrer neuesten, streng geheimen EP - so unglaublich geheim, dass diesmal sogar die Songtitel unter Verschluss bleiben müssen. Was ich verraten darf ist aber, dass diese Songs mal wieder ordentlich die Scheiße regeln in einem weiteren makellosen Batzen aus Lo-Fi Power Pop, Garage-, Fuzz- und Eggpunk. Aber nicht weitersagen, okay?
Das australische Label Painscale Records liefert hier das bislang stärkste in einer Serie von Split-Tapes ab. Hauptattraktion dabei ist klar die längere Seite, welche das Debüt der Noise Violations aus Brisbane darstellt. Die zünden hier ein einzige unwiderstehliche Abfahrt aus Hooks und Melodien zu einem Schauspiel aus leicht eierlastigem Garage Punk mit Echos von so einschlägigen Hausnummern wie z.B. Satanic Togas, R.M.F.C., Ghoulies, Booji Boys, Metal Guru, Erik Nervous oder Gee Tee, um nur einige zu nennen. Die andere Seite enthält dann die zuvor schon veröffentlichte 2022er EP von Sprgrs aus Granada, Spanien. Die lohnt sich auch nochmal anzuhören, besonders für Freunde von catchy tanzbarem Lo-Fi Punkgedöns etwa der Marke Prison Affair, Beer, Nuts Pringue, Dee Bee Rich und Beta Maximo.