Garage Punk aus Montreal, gesponnen aus hochendzündlicher Songsubstanz und verfeinert mit Momenten von Surf- und Cowpunk. Hartnäckige Melodien, die auch bei den Herren Steve Adamyk oder Ricky Hell nicht fehl am Platze wären treffen auf einen zurückgelehnten und dennoch entschlossen vorwärts gehenden Sound, der 'n bisschen was von Paul Jacobs oder auch mal Wireheads hat… oder von Protopunk á la Modern Lovers, wie er sich z.B. in Women on Drugs heraus pellt.
Nach einer Handvoll selbstveröffentlichter Tapes und EPs überrascht die neue Mini-LP auf Feel It Records der Garagepunks aus Toronto mit einem ausgeprägten Art-/Protopunk-Vibe. Modern Lovers fallen mir da am prominentesten auf und in der Gegenwart schlagen unter anderem David Nance und Apache Dropout in eine ähnliche Kerbe. Keine weltbewegende Neuheit also, aber nichts desto Trotz sehr, sehr gut.
An zeitgenössischem Psychedelic- und Space-Gedöns mangelt es dieser Tage ja keineswegs, wohl aber an Bands die sich trauen, die allzu ausgetretenen Pfade zu verlassen und diesen ergrauten, schon längst etwas abgestanden riechenden Genres ein wenig Frische zu entlocken. Writhing Squares sind da eine so lobenswerte wie auch hochpotente Ausnahme. Eine Hälfte des Duos aus Philadelphia ist ansonsten noch bei den Postpunkern Taiwan Housing Project anzutreffen, der andere Typ hat bei den stilistisch etwas näher gelagerten Purling Hiss seine Finger mit drin. 2016 fielen mir die beiden schon mal mit einem sehr appetitlichen Minialbum auf, aber der Nachfolger davon ist noch mal ein ganz anderes Biest, dessen Sound einerseits eine deutliche Entschlackungskur durchlaufen hat, andererseits aber genau dadurch stark an Form gewonnen hat und ein wenig so klingt als träfen sich mal Suicide, mal eher Big Black mit Hawkwind (oder heute eher: Destruction Unit), Chrome und MC5 zu einer bekifften Jamsession. Die minimal-Instrumentierung aus 70er Roland-Style LoFi-Beats, Bass und wahlweise mit Saxofon oder kosmischen Synth-Sequenzen obendrauf, verpasst der Sache eine ganz eigene Klangfarbe.
Sind jetzt tatsächlich schon zwei Jahre vergangen seit der letzten Veröffentlichung der Powerpopper aus Portland? Das ist ungewöhnlich lange für die sonst so produktive Songschleuder. Überhaupt wundert es mich, dass Woolen Men nach über acht Jahren immer noch kaum wahrgenommen werden. Denn kaum eine andere Band hat in der Zeit einen so konstant guten Output fabriziert und dabei eine so unverwechselbare eigene Identität entwickelt, mit ihrem in bester DIY-Manier schnell und dreckig aufgenommenen Sound aus Powerpop und Garage Rock, der gleichermaßen von Guided by Voices in ihrer goldenen Ära wie auch vom Protopunk der Modern Lovers beeinflusst scheint. Neues Material soll schon unterwegs sein, in der Zwischenzeit kann man sich an ihrer bereits zweiten Compilation erfreuen. Die enthält Songs, die ursprünglich auf diversen Tapes und EPs erschienen sind; der überwiegende Teil davon ist schon länger nicht mehr zu bekommen.
Lange ein Geheimtip der lokalen Szene, hat David Nance aus Omaha in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe selbstveröffentlichter CD-Rs mit krudem Garage Rock rausgehauen und spülte erstmals im letzten Jahr mit seinem charmant LoFi-mäßigen Debüt für Ba Da Bing Records in an die Oberfläche. Aus gleichem Hause kommt jetzt der Nachfolger und wirkt durch einen vergleichsweise klaren Sound etwas zugänglicher, ohne dass die Musik an sich irgendwelche Kompromisse eingeht. Die Klangpalette ist vielfältiger geworden, es machen sich diesmal deutliche Americana-Einflüsse breit; sogar für eine - selbstverständlich ordentlich verbeulte - Country-Nummer ist sich der Mann nicht zu schade. Ansonsten dominiert nach wie vor eine sumpfige Mischung aus altem Proto- und Artpunk, Blues- und Garage Rock, einem Hauch von Glam. Oder auch mal Velvet Underground meets late The Gun Club meets early Nick Cave meets electrified Neil Young meets The Modern Lovers. Oder ganz was anderes, whatever… ich weiß ja nix von Musik.
Das letzte Album Divide des New Yorker Duos vermochte mich nicht so recht zu begeistern, das neue dafür umso mehr. Ihre minimalistischen Songentwürfe aus erdigem Blues, pulsierendem Elektro-/Synthpop, etwas Psychedelia und einem offensichtlichen Bewusstsein für die New Yorker Protopunk- und Artrock-Vergangenheit kommen auf Endless Night deutlich griffiger rüber als auf dem Vorgänger. Wenn dann im Rausschmeißer Suicide Note noch Suicide's Alan Vega das Mikro ergreift und sich eindrucksvoll durch einen krautigen Blues Jam growlt, schließt sich der Kreis.
Diese Protopunker aus Detroit gründeten sich 1969 und sind bis heute aktiv. Klar von den örtlich umtriebigen Stooges und MC5 beeinflusst, klingt auch ihre zweite Single aus dem Jahre 1978 immer noch so, als wäre die Zeit '69 stehen geblieben. Die olle Kammelle ist jetzt über das Almost Ready Records-Sublabel Last Laugh Records wieder zu bekommen.
Seit geraumer Zeit sind ein paar mehr oder weniger vergessene Tondokumente der frühen australischen Punkszene zum ersten mal/seit langem wieder zu bekommen.
Cheap Nasties gelten als die erste Punkband aus Perth, die einzigen Tonaufnahmen der Band hielt man bis vor wenigen Jahren für verschollen. Letztes Jahr hat das Reissue-Label Numero Group die Recordings zum ersten mal vollständig veröffentlicht und was man da geboten bekommt ist ein Fest für Freunde von ungeschliffenem Protopunk á la Modern Lovers, Stooges und New York Dolls.
Sänger Kim Salmon verließ später die Band und machte mit den Scientists zuerst Powerpop, in der späteren, zweiten Inkarnation der Band dann bluesigen Post Punk, Swamp Rock und Proto-Grunge. (Fast alle veröffentlichte Musik der Scientists ist übrigens, ebenfalls aus dem Hause Numero, in einem Box Set zu bekommen.)
Die verbleibenden Mitglieder der Cheap Nasties suchten sich einen neuen Sänger und machten unter dem Namen Manikins weiter, veröffentlichten auf zwei Tapes und ein paar 7"s eingängigen Powerpop, der Schwesterband Scientists nicht ganz unähnlich. Der überwiegende Teil des zwischen 1978 und 1981 veröffentlichten Materials ist jetzt auf der bei Manufactured Recordings erschienenen Anthologie From Broadway To Blazes wieder zu bekommen. Besonders interessant sind dabei die Songs der drei frühen 7"s, aber auch im späteren Material findet sich die eine oder andere kleine Perle.
Nach dem ausgezeichneten zweiten "regulären" Album des Musikers aus Omaha, sind jetzt auch zwei Alben vom letzten Jahr via Bandcamp verfügbar, die bisher nur als selbstveröffentlichte CD-Rs zu bekommen waren. Die setzen im Grunde zwar die Richtung des ungeschliffenen Artrock und Neo-Protopunk fort, geben sich aber durchgehend noch ein ganzes Stück minimalistischer, zerfahrener und fragmentarischer als auf der bereits ziemlich kruden letzten LP.
Okay, The Men haben also mal wieder 'ne neue Platte raus. Mal kurz Luft holen und zurückblicken. Auf ihren ersten beiden Alben Immaculada und Leave Home sorgten die New Yorker noch mit kompromisslosem Fuzzpunk für Aufsehen, wendeten sich dann auf Open Your Heart eklektizistischem Indierock und Postpunk zu, um dann mit den letzten beiden Alben New Moon und Tomorrow's Hits eine Transformation zu zunehmend relextem Retrorock abzuschließen.
Der neuen Platte blickte ich mit etwas gemischten Gefühlen entgegen, befürchtete ich doch, dass nach dem Ausscheiden von Bassist Ben Greenberg (der inzwischen bei Uniform wieder brachialen Lärm fabriziert) die Band komplett ihre Beißkraft verliert.
Aber es kommt ganz anders, auf Devil Music hauen uns The Men neun derbe, roh Produzierte Rocker um die Ohren, die in ihrer Intensität am ehesten an das zweite Album Leave Home erinnern. Nur, dass den frühen Alben der Band ein eher (post-)modernes Verständnis von Punk zugrunde lag. Im Gegensatz dazu gehen sie hier noch ein paar Jahre weiter zurück in der Zeit und erinnern weitgehend an Bands der frühen 70er Jahre zwischen Garagerock, Protopunk und Space Rock. Insbesondere MC5, The Stooges und frühe Hawkwind werden ins Gedächtnis gerufen.
Das lärmt wieder ganz formidabel, ohne dabei die Retro-Tendenzen der letzten Alben über Bord zu werfen. Bleibt nur zu hoffen, das sie in geraumer Zeit auch wieder den Weg zurück in die musikalische Gegenwart finden und nicht in einer ausgetretenen Retro-Sackgasse steckenbleiben.