Vom sehen und sägen

Es ist ge­ra­de ein un­ge­wöhn­lich lah­mes Wo­chen­en­de was neue Re­leases an­geht und da ist mal ein­fach nicht viel pas­siert was mich in den Fin­gern juckt, dar­über zu schrei­ben. Al­so hal­te ich ein­fach mal die Fres­se und mach 'ne ver­damm­te Pau­se, okay? Das nächs­te Wo­chen­en­de ver­spricht wie­der span­nen­der zu wer­den.

Als wür­di­gen Er­satz kann ich euch emp­feh­len, mal bei Evan Minsker's bril­li­an­ten und noch re­leativ jun­gen Blog/​Newsletter See­Saw vor­bei zu schau­en - ei­ner ra­ren und ex­zel­len­ten neu­en Stim­me in der stark de­zi­mier­ten Punk-Blogo­sphä­re - und evtl. auch fi­nan­zi­el­len Sup­port zu leis­ten oder (ganz ernst ge­meint) mit Evan zu feil­schen. Viel­leicht kennt ihr den Kerl noch aus äl­te­ren Pitch­fork-Zei­ten und von sei­ner da­ma­li­gen Ga­ra­ge Punk-Ko­lum­ne Shake Ap­peal, de­ren Geist er jetzt bei See­Saw wie­der­be­lebt.

Bis da­hin und falls wer nach mir fragt, sagt ich bin weg zum an­geln.

Grimly Forming & Rolex - Split

Ei­ne sen­sa­tio­nel­le neue Split-LP lie­fert uns end­lich neu­es Ma­te­ri­al von zwei Bands aus Los An­ge­les, die sich von An­fang an je­weils den gän­gi­gen Re­geln und Kon­ven­tio­nen des Hard­core Punk ver­wei­gert ha­ben. Von bei­den hat man, ab­ge­se­hen von je­weils ei­nem halb­ge­ba­cke­nen Pro­mo-Tape in 2022, auch schon län­ger nichts "of­fi­zi­el­les" mehr ge­hört, was die­se Plat­te na­tür­lich um­so er­freu­li­cher macht.

Ro­lex agie­ren hier mit der ge­wohn­ten Wucht in ih­ren un­vor­her­seh­ba­ren und un­glaub­lich er­fin­de­ri­schen Post­co­re-At­ta­cken, die ei­ner­seits Echos jün­ge­rer Bands be­inhal­ten wie z.B. Mys­tic In­a­ne, Big Bop­per, Bran­dy, Laun­cher und frü­he Pat­ti, an­de­rer­seits aber auch klar in der Schuld ste­hen von al­ten Grö­ßen wie et­wa Mi­nu­temen, Dicks and frü­he Sac­cha­ri­ne Trust (de­ren ers­tes Al­bum Sur­vi­ving You, Al­ways ver­dammt noch mal end­lich wie­der­ver­öf­fent­licht ge­hört… ein kri­mi­nell ver­nach­läs­sig­ter Klas­si­ker des frü­hen Post­co­re, sei­ner Zeit um Jah­re vor­aus wenn ihr mich fragt). Da­zu kom­men noch ver­ein­zel­te Spu­ren von Cow­punk und ein kon­stan­ter Lum­py and the Dum­pers-mä­ßi­ger Cha­os-Fak­tor, der hier in ei­ner to­tal ent­gleis­ten Vo­cal-Per­for­mance ge­chan­nelt wird. Das Re­sul­tat ist pu­re Glück­se­lig­keit und lässt kei­nen Zwei­fel dar­an, dass Ro­lex nach wie vor ei­ne un­ver­zicht­ba­re In­sti­tu­ti­on ih­res spe­zi­el­len Sub­gen­res sind.

Die Sei­te von Grim­ly Forming bläst dann zu ei­ner un­gleich ro­he­ren, aber kei­nes­wegs we­ni­ger schlau­en und un­kon­ven­tio­nel­len At­ta­cke auf die Sin­ne, die un­nach­gie­bi­ge Wucht mit reich­lich aus­ge­klü­gel­ten Kon­struk­tio­nen aus­ba­lan­ciert und ei­ner groß­zü­gi­gen Do­sis von ga­ra­gi­gen Un­ter­tö­nen, die je­der­zeit für or­dent­lich Spaß und An­trieb sor­gen.

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Cool Sorcery - Terra Invaders

Die neu­es­te LP von Bra­si­li­ens markt­füh­ren­dem Er­zeu­ger der ver­schro­ben-hy­per­ak­ti­ven Ga­ra­ge-/Syn­th-/Egg­punk-Vor­zugs­wa­re geht mal durch­aus ein paar Ri­si­ken ein und be­steht zum gro­ßen Teil aus Kol­la­bo­ra­tio­nen mit di­ver­sen Egg-af­fi­nen Ak­teu­ren rund um den Glo­bus - oder dem Kos­mos, wenn man denn das Kon­zept et­was zu ernst neh­men möch­te. Ich den­ke ja mal, dass so Haus­num­mern wie Tom­beau, Bil­liam und Go­blin Day­ca­re hier kei­ne Vor­stel­lung mehr nö­tig ha­ben, oder? Nicht al­les funk­tio­niet hier - be­son­ders die R'n'B-Schlaftabletten She's Kin­da Cu­te and OMG They Look So Bad ha­ben vor al­lem den Ef­fekt ei­ner un­nö­ti­gen Voll­brem­sung, die das an­sons­ten star­ke Mo­men­tum der Plat­te un­ge­fragt un­ter­bricht - aber wenn der Krem­pel ein­schlägt, dann rich­tig und stel­len­wei­se nä­hert sich das gan­ze dem krea­ti­ven Cha­os und Ek­lek­ti­zis­mus ei­nes Trash­dog oder Check­point an. Und über­haupt be­vor­zu­ge ich ja mal ei­ne Plat­te mit Ideen, Am­bi­ti­on und ein paar Fehl­zün­dun­gen ge­gen­über ei­ner, die es gar nicht erst ver­sucht.

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Unsheather - Demo

Aus der Ru­brik "Poi­son Ruïn und die Nach­wir­kun­gen": Un­s­hea­ther aus Bel­ling­ham, Wa­shing­ton ge­hen die Äs­the­tik von end­lo­sem Kampf, schwe­rer Rüs­tung und stump­fen Waf­fen aus ei­nem stär­ke­ren Hard­core-Blick­win­kel an - we­ni­ger episch, statt­des­sen schön pri­mi­tiv und un­po­liert, was ver­mut­lich auch ei­ne wei­se Stra­te­gie ist in die­ser im­mer noch ganz frü­hen Pha­se der sich lang­sam ent­fal­ten­den Dun­ge­on Punk-Sa­ga, die si­cher noch ein Weil­chen brau­chen wird be­vor die der­zei­tig un­an­ge­foch­te­nen Over­lords des Gen­res ei­nen wür­di­gen Her­aus­for­de­rer fin­den. Bis da­hin freue ich mich über je­des biss­chen an grim­mig-mit­tel­al­ter­li­chem, lei­den­schaft­lich die Axt schwin­gen­dem Spaß und da­für sind Un­s­hea­ther ei­ne ganz vor­züg­li­che Wahl!

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SPRGRS & Möney - Split

Zwei bis­lang eher noch et­was am Rand der Sze­ne agie­ren­de Ak­teu­re der Egg­punk-Wel­le ma­chen ge­mein­sa­me Sa­che auf die­ser net­ten Split-LP und ma­chen klar, dass man je­nen "Un­ter fer­ner liefen…"-Status bes­ser noch mal über­den­ken soll­te. Auch wenn hier wie ge­habt das Rad nicht neu er­fun­den wird, ha­ben bei­de Bands klar ihr Re­zept ver­fei­nert. SPRGRS aus Gra­na­da, Spa­ni­en sor­gen da­bei schon mal ei­nen aus­ge­zeich­ne­ten Start mit ih­rer quir­lig-pul­sie­ren­den und me­lo­di­schen Her­an­ge­hens­wei­se ans Gen­re, die man so ähn­lich in jün­ge­rer Zeit et­wa von Bands wie Pri­son Af­fair, Beer, Pau­lo Vicious und Go­blin Day­ca­re ge­hört hat. Noch mal ein stär­ke­res Ka­li­ber sind dann aber die neu­en Tracks von Mö­ney aus Bris­tol, die hier ei­ne recht viel­sei­ti­ge Klang­pa­let­te und ta­del­lo­se Song­kon­struk­ti­on prä­sen­tie­ren, ins­ge­samt auch durch­tränkt von ei­nem Surf- und Psych-las­ti­gen Post Punk-Vi­be - be­son­ders pro­mi­nent im ab­schlie­ßen­den Track Eman­ci­pa­ti­on - was ins­be­son­de­re die Sounds von Elec­tric Prawns 2, Check­point, Grem­lin und Power­plant ins Ge­dächt­nis ruft. Pla­s­tic Trees wie­der­um ist ein über­ra­schen­des klei­nes Ju­wel des glit­zern­den Noi­se-/D­ream-/Power­pops und be­kommt ei­nen be­son­de­ren Glanz ver­lie­hen von ei­ner tol­len Gast-Ge­sangs­per­for­mance, die in den Cre­dits ei­ner mys­te­riö­sen Miss Cli­enti zu­ge­schrie­ben wird.

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Reduced - Reduced

Die De­büt-EP die­ser Band aus Not­ting­ham klingt an­ge­nehm aus der Zeit ge­fal­len in der ak­tu­el­len Sze­ne, chan­nelt da­bei ei­ne Rei­he von Strö­mun­gen aus dem Punk und Al­ter­na­ti­ve Rock der mitt-'80er bis frü­hen '90er. Be­son­ders stark füh­le ich mich an Me­ga Ci­ty Four er­in­nert mit wei­te­ren Ähn­lich­kei­ten et­wa zu Mo­ving Tar­gets, spä­te­ren Na­ked Ray­gun und so­gar et­was Hüs­ker Dü in ih­rer mitt­le­ren Schaf­fens­pha­se kann man da wie­der­fin­den, all das ver­an­kert in ei­nem so­li­den Fel­sen aus ta­del­lo­sem Son­ghand­werk. Da­zu hat das aber auch durch­aus noch et­was von di­ver­sen Bands des ver­gan­ge­nen Jahr­zehnts wie Pa­le An­gels, Milk Mu­sic, Ge­ro­ni­mo, Mil­ked und Ca­li­for­nia X.

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Toy Brigade - Demo

Hier hät­ten wir mal ei­nen wei­te­ren Schwall von aus­ge­zeich­ne­tem Ga­ra­ge- und Syn­th Punk von noch ei­ner wei­te­ren Band aus Mel­bourne, die - trotz ei­ni­ger ge­mein­sa­mer Pa­ra­me­ter - ein gu­tes Stück herz­haf­ter auf die Ka­cke haut als der durch­schnitt­li­che Egg­punk-Act. Am meis­ten er­in­nert mich das hier an so Bands wie Quit­ter, Beef, Bus­ted Head Ra­cket und Bro­ken Pray­er, plus in ei­ni­gen Mo­men­ten an die­sen Ty­pen, den man un­ter an­de­rem als Djinn/​Zhoop/​Nightman/​Brundle/​RONi, etc kennt.

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Pirouette - Pirouette

Die­se Band aus Los An­ge­les tritt selbst­be­wust ei­nen or­dent­li­chen Sturm los un­ter Ver­wen­dung von re­la­tiv öko­no­mi­schen Mit­teln. Die fünf Ge­schos­se die­ser EP klin­gen ein biss­chen so wie ich es mir vor­stel­len wür­de, wenn man ei­ne pri­mi­ti­ve­re Va­ri­an­te der er­di­gen, noi­se-las­ti­gen Post-/Ga­ra­ge Punk-Hy­bri­den von The Cow­boy und Flat Worms mit ei­ner or­dent­li­chen La­dung von Gun Club- und Feed­ti­me-in­spi­rier­tem Blues- und Cow­punk fu­sio­niert. Das Re­sul­tat, wie ihr es euch wohl schon ge­dacht habt, fügt den ge­nann­ten Gen­res ab­so­lut nichts neu­es hin­zu aber nutzt die vor­han­de­nen Res­sour­cen ef­fi­zi­ent um kein ein­zi­ges mal sein Ziel zu ver­feh­len.

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Temporary Curse - Funny Feeling

Beep Thrash er­scheint am 16. Au­gust auf Ghost­space Re­cords.

City Speak - Daydream League

Hol­ding Wa­ter er­scheint am 22. Au­gust auf Snap­py Litt­le Num­bers Qua­li­ty Au­dio Re­cor­dings.