Zwei neue Veröffentlichungen aus Portland und dem Mikrokosmos um die Woolen Men und Honey Bucket. Deren Raf Spielman respektive Matt Radosevich sind auf einigen Tracks des neuen Albums der Mope Grooves zu hören, bei denen es sich aber vor allem um ein Projekt von Stevie Pohlman handelt, der wiederum mit den beiden erstgenannten die Shop Regulars bildet. Verwirrend, ich weiß.
So weit weg klingt das von keiner der genannten Bands. Exzentrischer, häufig abstrakter Postpunk also, der zwischendrin aber auch ein geschicktes Händchen für tolle Melodien zeigt und einen ausgesprochen rustikalen Vibe versprüht. Etwas anders als besagte Gruppen liegt hier soundmäßig aber ein ungewohnt starker Fokus auf Analogsynths, Orgeln und anderen antiquierten Tasteninstrumenten.
Alle drei spielen wiederum bei L.O.X. mit. Deren neue LP kommt daher wie eine leicht angekrautete, aber dabei erstaunlich zugängliche Verschmelzung von allem zuvor genannten. Die geballte Kreativität dieser kleinen, verschrobenen Nische in einer sonst ja eher als hypergentrifiziert verschrienen Stadt erstaunt mich jedes mal aufs neue.
Die französischen Weirdo-Punks haben jetzt auch schon gute anderthalb Jahrzehnte auf dem Buckel und sie werden auch auf ihrem neuesten Album dem Ruf als eine der eigenwilligeren, aber auch eine der liebenswertesten Bands gerecht, die unser Kontinent über die Jahre so ausgespuckt hat. Wie gewohnt lungern sie irgendwo zwischen den Stühlen von Noise, Post-, Garage- und Artpunk rum und es interessiert sie nicht im geringsten was du davon hälst.
Shop Regulars aus Portland sind ein neues Projekt von Matt Radosevich, der hier ja schon mehrfach mit seinem Soloprojekt Honey Bucket vertreten war. Anders als bei Honey Bucket hat sich hier aber eine kleine Supergroup der lokalen DIY-Szene zusammengefunden; das Lineup wird vervollständigt durch Raf Spielman (Woolen Men) und Stevie Pohlman (Mope Grooves). Die Musik klingt wiederum sehr ähnlich zum minimalistisch-verschrobenen Art-/Post Punk von Honey Bucket, womit ich natürlich nicht das geringste Problem hab. Immer her mit dem Zeug!
Ian Svenonius (u.a. Nation Of Ulysses, The Make Up, Weird War, Chain & The Gang) konnte auch in diesem Jahr nicht still sitzen. Zum einen wäre da der neue Langspieler seines Soloprojekts Escape-ism. The Lost Record ist gerade erst frisch gepresst und angeblich schon verloren. Auf die Ohren gibt's mehr von seinem leicht Suicide-infizierten, minimalistischen Meta-Rock'n'Roll und natürlich bringen die Lyrics einen wieder abwechselnd zum schmunzeln, nachdenken und rätseln. Ein besserer Kandidat für eine "verlorene" aber keineswegs ungeliebte Platte ist der zweite Langspieler von XYZ, dem gemeinsamen Projekt von Svenonious und dem Franzosen Didier Balducci a.k.a. Memphis Electronic, der dem einen oder anderen vielleicht als Teil von u.a. Dum Dum Boys und NON! bekannt ist. Die Platte wurde nämlich bereits zum Jahresbeginn mit ca. null Promotion ausgerollt und fiel mir erst im Zuge der neuen Escape-ism auf. Jedenfalls zeigt sich Svenonius hier wie schon auf dem Vorgänger von seiner zugänglichsten, spaßigsten, tanzbarsten Seite.
Das ausgezeichnete zweite Album der Post-/Artpunker aus Portland ist noch gar nicht so richtig verarbeitet, da schiebt die Band auch schon einen neuen Siebenzöller hinterher, der mit Leichtigkeit an dessen Brillianz anknüpft.
Art- & Postpunk, Noise- und Experimentalrock aus Warschau, der offenbar einiges von den prä-Daydream Nation Sonic Youth, Glenn Branca und überhaupt von altem Lärm mit No Wave-Bezug mitgenommen hat, bei all dem aber auch ausreichend eigenes Temperament versprüht um problemlos auf eigenen Füßen zu stehen.
Das dritte Album der Shark Toys aus Los Angeles klingt im ersten Moment nach einer weiteren Postpunk-infizierten Garagenband á la Useless Eaters, UV Race oder Parquet Courts. Was ja auch schon nicht schlecht ist. Bein zweiten hinhören fallen dann aber eher Einflüsse auf, die ganz klar einigen alten Hausnummern des Früh-80er Artpunk geschuldet sind. Insbesondere drängen sich da Vergleiche zu Swell Maps und The Fall auf. Eine leise Ahnung von Flipper vielleicht. Und ganz klar Mission Of Burma, von denen hier auch ein Coversong am Vertreten ist. Trotzdem klingt das alles doch sehr kontemporär. Eine Platte voller kleiner Überraschungen und dennoch alles aus einem Guss.
Das Schaffen dieser Band verfolge ich äußerst gespannt, seit Exek mir zum ersten mal durch eine Split-EP mit Spray Paint ins Bewusstsein drangen. Mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Dub, Post- und Artpunk, Psychedelic und diversen anderen experimentellen Sounds klingen sie wie derzeit keine anderen Band. Nach einer Compilation im vorletzten Jahr ist jetzt das lange erwartete Debütalbum der Band erschienen und es ist schon erstaunlich, wie kompakt und zugänglich ihr Sound darauf rüberkommt, obwohl dessen Grundzutaten eigentlich eher das Gegenteil suggerieren würden. Kann man jetzt schon zu den absoluten Highlights des noch jungen Jahres zählen.
Verdammt geiles Zeug fabrizieren Co-op aus Vancouver da auf ihrem zweiten Tape. Post- und Artpunk kommt einem da entgegen, mit einem gekonnten Spiel aus Melodie und Dissonanz, Noise-lastiger Gitarrenarbeit und einer stark psychedelischen Geschmacksnote. Besonders in der ersten Hälfte dieser EP klingt das ein bisschen als würden Wire durch die Noise-Texturen der frühen Sonic Youth gefiltert. Im zweiten Teil fühle ich mich dann zunehmend and die abstrakten, schleppenden aber hochkonzentrierten Songkonstrukte von Behavior erinnert. Trotz aller Dissonanz, krummen Takten und sonstigen Sperrigkeiten bleiben die sechs Songs aber erstaunlich griffig und zugänglich. Vielleicht ist das die Wirkung des Gesangs von Evan Gray, der als Gegenpol zu all dem eine unglaubliche Ruhe verströmt, den Hörer an die Hand nimmt und sicher durch die verschlungenen Winkel der Musik führt.
Seit einigen Jahren stehen die Wireheads aus Brisbane jetzt schon für einen ausgesprochen kruden Sound, der klingt als würde er jeden Moment in sich zusammen fallen und der auf seine ganz unverwechselbare Art Elemente aus Garage Rock, Proto-, Post- und Art Punk vermengt. Es treffen Versatzstücke von Modern Lovers und Velvet Underground auf den Minimalismus und die quasi zur Religion erhobene Repetition von The Fall. Aber mit einem Frontmann, der eher suizidgefährdet als streitlustig klingt. Dabei gibt er eine eigenwillige Lyrik von sich, die sich mehr auf einer emotionalen als auf einer logischen Ebene erschließt. Als wiederkehrendes Motiv lässt sich diesmal eine seltsame Zahlenmystik erkennen. Kann was bedeuten, muss aber nicht.
Zugänglicher klingen sie auf ihrem neuen Album und definitiv einfacher an einem Stück zu hören als auf dem sehr guten, aber auch recht fragmentarisch und sediert wirkenden Vorgänger Arrive Alive aus dem letzten Jahr. Das meine ich keineswegs abwertend. Der schleppende, resignierte Vibe der letzten Platte war kein Unfall, sondern genau der springende Punkt, das zentrale emotionale Statement dieses Albums. Auf Lightning Ears sind hingegen nicht nur die rockenden Nummern zahlreicher und haben deutlich mehr Biss, auch viele der ruhigeren Momente gehören zu ihrem besten Songmaterial. Die Psychedelia von Is Frances Faye God? und das folkige The Overview Effect gehören zu den definitiven Highlights hier.