Normal mach ich um so waviges Zeug 'nen großen Bogen, aber dieses total aus der Zeit gefallene Ding aus New-/Coldwave, Punk-, PowerPop und Goth-Versatzstücken ist dann doch einfach zu geil um mich kalt zu lassen. Saugt einen sofort rein in eine seltsame Parallelwelt aus Frühachtziger Science Fiction-Filmen und Teenagerkomödien, Cyberpunk, Discokugeln und Laserkanonen. Vollkommen unsubtiler Pop mit einer ansteckenden Dreistigkeit und haufenweise Hits, die in einer gerechteren Welt auch wirklich welche wären. Zurück in die Zukunft von gestern. Sisters of Mercy auf Gummibärchen. Ramones auf Mikrochips. Aktuell vielleicht noch Digital Leather in einem gelackteren, drockvolleren Klangkostüm. Und bessere Songs.
Die schon seit geraumer Zeit um sich greifende Welle düsteren und - mal mehr, mal weniger - kompromisslosen Postpunks scheint sich einfach nicht tot zu laufen. Klar gibt's auch 'ne Menge uninspirierter Drecksveröffentlichungen zu ertragen, aber es ist doch erstaunlich mit welch hoher Frequenz derzeit immer wieder neue Bands auftauchen, die das Genre wieder um eine oft subtile, aber sehr eigene Geschmacksnote bereichern.
Die Mitglieder von Creative Adult aus San Francisco kommen ursprünglich eher aus der Hardcore-Ecke, auf ihrem Debütalbum haben sie sich soundmäßig aber größtenteils davon freigestrampelt. Es ist ohne Frage eine der eigenständigsten Platten aus dem Genre-Umfeld, von einer Band, die - sehr sympathisch - offensichtlich zu keinerlei Kompromissen bereit ist. Die Platte ist schon ein ganz schöner Brocken mit einer für solchen Lärm endlos erscheinenden Spielzeit von über 40 Minuten, aber unter der rauhen Oberfläche verbergen sich tonnenweise kleine Hooks, Melodien und böse kleine Widerhaken, die sich irgendwo zwischen den Synapsen festsetzen und einen dazu veranlassen, dann doch auf repeat zu drücken, um eine weitere Runde musikalischen Sadismus über sich ergehen zu lassen. Außerdem beherschen die Jungs das Spiel von Zuckerbrot und Peitsche (na ja, Peitsche überwiegt hier), streuen auf Song- wie auf Albumebene immer im richtigen Moment die kleinen melodischen Lichtblicke ein, ändern die Marschrichtung ein wenig oder drosseln das Tempo. Es tritt nie die Übersättigung ein, die weniger ausgereifte Genrebeiträge oft auszeichnet.
Fans von Bands wie den Kopenhagener Lower und Iceage, den etablierten Noiserockern Pissed Jeans, The Men in ihrer frühen Phase oder altem AmRep-Krempel werden sich hier schnell zuhause fühlen. Manchmal kingt's auch wie etwas weniger abgespacete Destruction Unit.
…und wieder mal launiger Pavement-Gedenk-Indierock. Oder wahlweise auch an GBV oder Archers of Loaf erinnernd. Diesmal von einer noch nicht mal so richtig volljährigen Band aus dem englischen Hertfordshire. Unter der vertrauten Oberfläche verbergen sich aber vier brilliante, stimmige (Power-)Popsongs. Zeitlos und schön.
Beast Fiend aus San Francisco rulen voll. Hab ich zumindest gelesen. Haben sie freundlicherweise auf's Plattencover draufgeschrieben, damit ich's nicht selbst nachprüfen muss. Und was rult da denn so? Beast Fiend spielen flotten Postpunk der ganz offensichtlich auf den prägnanten Harmonien der Wipers basiert, reichern das Ganze aber mit gewissen Postcore- und Noise-Einflüssen an. Ob das jetzt wirklich so alles andere wegrult weiß ich nicht, mal auf einen Langspieler warten. Aber saumäßig hörenswert ist die Platte schon, jeden der schmutzigen null Euro wert, für die sie die Platte auf Bandcamp verschleudern, oder was auch immer du bereit bist dafür zu zahlen.
Loyalists, eine frisch geschlüpfte Band aus dem kalifornischen Oakland, zeigen sich auf ihrem ersten Album schon erstaunlich ausgereift. Es gibt stark angebluesten Noiserock/Postpunk mit häufigem Cello-Einsatz zu bestaunen, der vor allem durch seine Konsequenz überzeugt. Erinnert stellenweise an die alten australischen Bluespunker Feedtime. Das ist nicht so sehr die hässliche Tritt-in-die-Fresse-Version des Genres, sondern eine etwas einladendere, monoton-groovende und gradlinig rockende Variante von dem Dreck. Im letzten Track entläd sich die Spannung dann konsequent in einer ausgiebigen Drone-Orgie. Super Debüt von einer Band mit haufenweise Potenzial, die kommen auf meine Beobachtungliste.
"I like cats. Do you like cats? Of course you do, you sassy motherfucker." Willkommen in den Neunzigern, mal wieder. Wer den überwiegenden Teil seiner Jugend dem jetzt wieder ach-so-hippen Jahrzehnt verbracht hat, bekommt natürlich sofort angenehme Flashbacks angesichts des nonchalanten, neunmalklugen Humors, den Sängerin Leah Wellbaum auf dem neuen Langspieler des Trios aus Boston zum besten gibt. Auch wenn ich mich noch nicht wirklich aufmerksam mit den Lyrics beschäftig hab, von den Textfetzen die bisher zu meinem reizüberfluteten und immer abgelenkten Denkapparat vorgedrungen sind, kann ich ihr eine selten gewordene Beobachtungsgabe und erzählerisches Talent attestieren, da verbirgt sich wohl noch eine Menge emotionaler Sprengstoff in ihren Texten, für die ich mir mal noch etwas Zeit nehmen muss.
Die Musik weiß auch zu begeistern. Wer den bodenständigen und ehrlichen Indie Rock der mittneunziger noch kennt und ins Herz geschlossen hat, kommt hier voll auf sene Kosten. Zu nennende Einflüsse sind da vor allem Built to Spill, späteres Dinosaur Jr-Zeugs und manchmal klingen auch Weezer zur Pinkerton-Zeit an. Hat einen leichten Hang zu hymnischen Singalongs, trotz hochwertiger Produktion genug Dreck unter den Fingernägeln und weiß auch in den ruhigeren Momenten vollends zu überzeugen. Tolle Platte. Wäre wünschenswert, dass sie vom aktuellen Retro-Trend ein wenig profitieren und ein ähnliches Maß an Beachtung bekommen wie es etwa Speedy Oritz oder Yuck widerfahren ist. Wenn schon rumhypen, dann wenigstens die Bands die es auch richtig verdienen.
Mit einem Jahr Verspätung stoße ich auf dieses Trio aus Atlanta, Georgia. Schön erbarmungsloser Noise-/Postpunk, simpel und effektiv, kurz und schmerzhaft. Zwischendurch scheint aber auch mal die eine oder andere sonnige Pixies-Melodie durch.
Radar Eyes aus Chicago haben gleich zwei neue 45er am Start. Ihr selbstbetiteltes Album von 2012 ist mir noch gut in Erinnerung, damals bewegte sich die Band noch etwas ungelenk im Spannungsfeld von Garagenrock, Postpunk und auch etwas Dreampop & C86-Gedöns.
Seitdem hat sich in der Besetzung ein wenig was gedreht und mit neuen Leuten kam auch etwas Bewegung in ihre Musik. Ich bin mehr als nur angetan von der Entwicklung hin zu einem deutlich gereiften, erwachseneren Sound, den sie auf den beiden Kurzspielern präsentieren. Vier starke, ausgereifte Songs, die sich gar nicht mehr hinter einer Wand aus Krach verstecken müssen, erstrahlen hier in einem deutlich entschlackten, nichts desto trotz treibenden und rauhen Klanggewand.
Die in Eigenregie veröffentlichte Community / Fall Into Place 7" zeigt die Band dabei von ihrer etwas melancholisch-melodischeren Seite, etwa wie eine Verquickung der Wipers mit den poppigeren Nummern von Mission of Burma.
Die auf Hozac erschienene Positive Feedback 7" gibt sich dann wieder etwas lärmender, zwischentöne á la Saints oder spätere Gun Club meine ich hier heraus zu hören.
Für März ist ein neues Album angekündigt, ich bin schon saugespannt drauf.
Wenn die ehemalige Indie-Autorität ihre namensgebende Mistgabel mal wieder zum aufspießen einer lauten Gitarrenband in Form eines beinahe-Verrisses zur Anwendung bringt, kann man fast darauf wetten dass ich drauf abfahre. So auch im Fall der Solids aus Montréal, deren treibenden Noisepunk sie als zu simpel und langweilig abtun. Nun ist das besagte Magazin in letzter Zeit ja auch eher dafür bekannt, jeden mittelmäßigen Elektropop-Act oder aufstebenden Kommerzrapper zum nächsten großen Ding zu ernennen, der Bezug zu treibendem Gitarrenkrach ist den Schreibern dort schon vor vielen Jahren abhanden gekommen. Das erklärt wohl auch das Problem des Rezensenten, die eigentliche Stärke des Albums zu erkennen, das Fleisch des ganzen liegt nämlich in dem (genau!) simplen aber effektiven und immer stimmigen Gitarrengeschrammel, hinter dem die eher unauffälligen Gesangsmelodien zurecht in den Hintergrund treten müssen um die melodischen Krachattacken umso mehr erstrahlen zu lassen. Wie zurecht angemerkt, wagen Solids keine Experimente, üben sich vielmehr in Indierockiger Formvollendung. Hier wird nicht eine überflüssige Note gespielt, dafür immer genau die richtige. Irgendwann verwischen bein Hörer etwas die Grenzen zwischen den Songs, die Platte spült in ihrer homogenen Wucht wie eine riesige Welle über den entzückten Hörer. Trotzdem leisten sie sich in den einzelnen Songs keine Schwächen, jeder davon kann auch für sich selbst stehen.
Als Einordnungshilfen muss man zwangsläufig mal wieder Japandroids und No Age anführen oder die (noch) recht unbekannten Weed aus Vancouver. Auch Dinosaur Jr. oder Sonic Youth blitzen mal durch und eine gewisse Nähe zum Emocore der frühen Neunziger hört man ganz klar raus. Wer mit derartigem melodischem Krach etwas anzufangen weiß, wird mit dieser Platte noch lange seinen Spaß haben.
Ein kurzer Versuch die Fakten zu entwirren:
1. Krill sind eine Indierock-/Postcore-Band aus Boston, ihre hier besprochene neue EP erschien soeben.
2. Pile sind eine weitere Indierock-/Postcore-Band aus Boston. Ihre neue 7" "Special Snowflakes / Mama's Lipstick" erscheint im März.
3. Steve ist ein Charakter aus einem Pile Song. Er ist auch Gegenstand der Krill-EP "Steve hears Pile in Malden and Bursts into Tears".
4. Die Konzept-EP Steve Hears Pile in Malden and Bursts into Tears handelt davon wie Steve die Erkenntnis, ein Charakter aus einem Pile-Song zu sein, in eine schwere existenzielle Krise stürzt.
Alles verstanden? Ok, dann können wir ja jetzt zur Begutachtung der Musik übergehen. Die erweist sich als eine zeitlose Mischung aus 90er Indie-Ikonen wie etwa Pavement oder Chokebore und dem vertrackten, intelligenten Sound den das Washingtoner Dischord-Lager etwa zur gleichen Zeit so hervorbrachte. Und die auf der Platte besungene Band liegt auch nicht ganz fern als Referenz. Weil Krill aber nicht nur ihr Genre souverän meistern, sondern dies auch auf der Grundlage von fünf durch und durch stimmigen Songs bewerkstelligen, ist diese Platte weit davon entfernt, lediglich ein weiterer Beitrag zu der bald zu erwartenden Übersättigung an derzeit so angesagten Neunziger-Wiederkäuern zu sein. Das hier ist eine Platte mit haufenweise Substanz, eingespielt von einer selbstbewussten Band, die auch den neuesten Trend überleben wird. Und die andere Bostoner Band auch. Deren letzten Langspieler Dripping muss man dringend mal gehört haben.