Während Freunde des treibenden und düsteren Postpunk noch sehnlich auf den ersten Langspieler von Lower warten, kommt ganz unerwartet so 'ne Band aus Tacoma, Washington daher, die diese Lücke nicht nur auszufüllen vermag, sondern mühelos in der Weltliga mitspielt. Erinnert durchaus an erwähnte Lower und ihre Kopenhagener Kollegen Iceage oder an White Lung. Wenn man etwas weiter in der Musikgeschichte zurückspult fallen einem dann auch die eigenwilligen Gitarrenlinien der Wipers ein und das melodische Geschredder von Hüsker Dü steckt da auch mit drin. Aber ehrlich, ein so ganz passender Vergleich fällt mir dann doch nicht ein. Criminal Code sind ein hervorragendes Beispiel, wie man aus durchaus bekannten und erprobten Genre-Versatzstücken sein ganz eigenes, unverwechselbares Süppchen kochen kann. Die Entwicklungen des letzten Jahres lassen auf ein gutes Jahr 2014 für treibenden, innovativen und kompromisslosen Hardcore und Punk hoffen. No Device ist nicht nur ein guter Vorgeschmack darauf, sondern ein absolutes Highlight des noch jungen Jahres.
Die drei Musikerinnen dieser Supergroup (was für'n Scheißwort!) aus Seattle haben sich bisher in Bands wie Tacocat, Chastity Belt und Pony Time die Finger blutig gespielt. Wer bei jenen Bands schon mal reingehört hat, dürfte schon eine vage Vorstellung davon haben, was ihn auf dem Debüt-Tape (*grmpfh*) der Band erwartet. Treibender Garagenpunk mit einer gewaltigen Portion Humor, so einigen seltsamen Verschrobenheiten und ausgeprägten feministischen Untertönen in den Lyrics, frei von jeglicher Holzhammer-Rhetorik.
Die letztes Jahr erschienene EP Amagosa ließ mich schon ein wenig interessiert aufhorchen, stand aber noch auf etwas wackeligen Füßen was das Songwriting anging. Der neue Kurzspieler der Band aus Olympia, Washington ist in der Hinsicht ein gewaltiger Sprung nach vorne und das ganze klingt etwa wie eine Verschmelzung von Joy Divisions düsteren Postpunkwelten mit der Melodiösität und treibenden Energie von Hüsker Dü oder Dinosaur Jr, vielleicht auch etwas spätachziger-Sonic Youth. Vielversprechend.
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Ich lese gerade, dass diese Songs der gleichen Session entstammen wie die Amagosa EP, mein Gefasel wegen Weiterentwicklung und so stellt sich damit als Quatsch raus. Komisch, denn ich finde nach wie vor dass Haunted eine viel stärkere, reifere Platte als ihr Vorgänger ist.
Wimps aus Seattle melden sich auch mal wieder zurück mit einer zwar wenig überraschenden aber nach wie vor Spaßigen EP. Weiterentwicklung: Fehlanzeige. Muss aber auch nicht sein, stattdessen freue man sich einfach über diesen kleinen Nachschlag an wunderbar zurückgebliebenem Garagenpunk ihrer ganz und gar eigenwilligen Machart.
Noch so ein Noiserock-/Postcore-Gedöns, diesmal von einer Band aus Atlanta, Georgia. Hört sich an wie eine Verschmelzung von Fugazi und Shellac, mit Verweisen auf noch andere 90er-Bands, etwa Fudge Tunnel oder alte Amphetamine Reptile Platten. Bin durchaus angetan davon, was sich in diesem Genrepool gerade so tut, der von einigen Jahren noch ziemlich abgefrühstückt aussah.
Kaviar Special aus Rennes, Frankreich, spielen spaßigen Garagenpunk der primitiven, konservativen Sorte. Sie schaffen es hier dreizehn mal mit Erfolg, einem diese uralten Riffs mit einer derartigen Überzeugung um die Ohren zu hauen, dass man sofort vergisst, wie oft man jedes davon schon gehört hat. Dazu kommt ein gutes Händchen für eingängige Retro-Popmelodien, die immer wieder mal eingestreut werden. Perfekt um mal für 'ne halbe Stunde alles beschissene zu vergessen.
Ruined Families sind eine nicht mehr ganz unerfahrene Hardcoreband aus Athen und wer sich mal ein Bild von der aktuellen Stimmung dort machen möchte, dem sei diese Platte als Illustration ans Herz gelegt. Stilistisch würd' ich das ganze mal als modernen, düsteren Postcore mit Crust-Einschlag beschreiben. Dabei geben sie sich in der Wahl ihrer Einflüsse und in ihren Songstrukturen durchaus originell, immer wieder blitzen alte Emoanleihen, Black Metal und Chaoscore-Einflüsse auf und man kann nie ahnen was für unheimliche Dinge jetzt schon wieder hinter der nächsten Kurve lauern. Die größte Leistung dieses Albums, die Eigenschaft, die lediglich eigenständige und ambitionierte Hardcoreplatten von wirklich herausragenden Genre-Werken unterscheidet, ist aber ihre mitreißende Emotionalität, die hier glaubhaft und nicht konstruiert erscheint, sondern den Hörer wirklich zu berühren weiß.
Das derzeit vor sich gehende 90er Revival hab ich ja schon ein paar mal angesprochen. Hier ist eine Band, die schon 'ne Weile dieses Metier bearbeitet, aber bisher geößtenteils übersehen wurde. Ihr Sound ist eindeutig von den LoFi-Meisterwerken geprägt, die Guided By Voices in den frühen Neunzigern in Serie rausgehauen haben. Und warum auch nicht, in der aktuellen Indie-Landschaft ist noch eine menge Platz für gekonnten PowerPop dieser Machart und die Trefferquote ist hier höher als auf vielen Platten ihrer Vorbilder.
Karcher aus Saarbrücken waren mal. Die Band war mir bisher nie ein Begriff, trotzdem oder gerade deshalb etwas traurig zur Kenntnis zu nehmen, dass das hier ihr Abschiedsalbum ist. Geboten wird mitreißender Noiserock, der genau so von US-Klassikern wie Quicksand, Shellac, The Jesus Lizard inspiriert scheint wie auch von deutschen Noisebands der 90er und Nuller-Jahre, etwa von Ulme, Harmful oder Les Hommes Qui Wear Espandrillos. Irgendwas muss mal passieren unter deutschsprachigen Musikbloggern, damit ich so tolle Bands nicht immer erst mitbekomme, wenn sich sich schon aufgelöst haben. Oder erst wenn irgendwelche Englischsprachigen Blogs drüber schreiben (zur Ehrenrettung der deutschsprachigen Blogs muss ich aber hinzufügen, diesmalmal durch ein solches auf Karcher gestoßen worden zu sein). Die hiesige Musikpresse kann man bezüglich Krach ja eh in die Tonne hauen.
*edit*
Wie rocksportrockerUwe richtigerweise anmerkt, gibt's das Album sowie seinen Vorgänger bei Bandcamp für umsonst. Oder zum Preis eurer Wahl, wenn ihr doch etwas Kohle rüberwachsen lassen wollt.
Clearance , eine noch ganz taufrische Band aus Chicago, haben sich scheinbar nur mit der Mission gegründet, den Sound und Spirit alter Pavement-Platten noch mal aufleben zu lassen. Und wer kann's ihnen auch verübeln, denn in den letzten 15 Jahren gab's wenig dergleichen. Und das hier klingt einfach nach einer sehr guten Pavement-Platte.