…und gleich noch mal so eine Spätzünderband. Schlappe sieben Jahre nach der letzten Platte haben die Instrumental-Postcore-/Mathrock-Veteranen aus Atlanta ihren vierten Langspieler am Start. Ehrlich gesagt hatte ich die Band nie so wirklich auf dem Schirm. Bei der nachträglichen Begutachtung ihrer früheren Alben fällt mir jedoch auf, wie sehr diese aus heutiger Sicht nach einem Produkt ihrer Zeit klingen. Gerade als das Mathrock-Genre seinen Exzess aus ungeraden Takten und überladenen Strukturen etwas zu sehr auf die Spitze trieb und nur Minuten später in seinem eigenen Arsch aus vorhersehbarer Komplexität-um-ihrer-selbst-Willen stecken blieb. Umso erstaunlicher ist, wie wenig das auf der neuen LP der Fall ist - die neuen Songs machen einen durchweg sehr zeitlosen Eindruck. Die Strukturen und Arrangements klingen deutlich entschlackt und aufgeräumt, haben mehr Hand und Fuß als je zuvor, während eine ebenso schnörkellose wie auch klare Produktion eine saumäßig tighte Band einfängt, die über die Jahre nichts von ihrer Spielfreude eingebüßt hat.
Was ist das denn für ein geiler Scheiß, den uns da eine Band aus Valencia auftischt? Begrüßt einen mit Post Punk in no-waviger Dissonanz und entwickelt sich darauf hin zu einem unberechenbaren Bastard, der einem unvermittelt hereinbrechende Hardcoreattacken, Versatzstücke von 90er Dischord-Postcore, ein bisschen Emogedöns, Mathrock und melodischem Indie Rock der vergangenen Dekade um die Ohren haut. Über all dem schweben die unkonventionellen Harmonien á la Sonic Youth der Daydream Nation-Ära, das verbindende Element welches diese seltsamen Klangkonstrukte zusammenhält. In der Gegenwart könnte man vage Vergleiche zu den Leipzigern Molde bemühen.
Ziemlich interessanter Stoff, die erste EP von Old Ghoul aus Reading. Es entfaltet sich darauf eine seltsam anmutende Mischkultur die zu etwa gleichen Teilen Assoziationen zu Slint hervorruft, zu dissonantem No Wave-Lärm und zu Frühneunziger-Postcore á la GVSB und artverwandtem Zeug aus den Dunstkreisen der damaligen Chicago/Washington-Connection.
Die drei EPs dieser Band aus Dallas strahlen mit recht abwechslungsreichem Noise Rock, der ausgezeichnet die Balance zwischen Chaos und Struktur hält, wobei Vol. 1 noch etwas unkontrollierter losbollert. Spätestens bei Vol.3 fließt sich das ganze dann aber in deutlich konkretere Strukturen und versprüht so einen gewissen Jesus Lizard-meets-Shellac Vibe. Geht klar, das.
Hinkte auf dem Erstling dieser Band aus Portland das Songmaterial noch etwas den eigenen Ambitionen hinterher, stimmt auf dem aktuellen Langspieler einfach alles. Verschwurbelter Postpunk, bei dem etwa die gemeinen Grooves von Uranium Club auf das abstrakt-dissonante Gepolter der frühen The Fall treffen und obendrein wurde das ganze noch mit 'nem geheimen Mathrock-Schlüssel gegen's auslaufen abgesichert.
Schönes Zeug von einer Band aus Leipzig. Wie ein Flashback zum melodischen Indierock der späten 90er, außerdem mit Elementen aus Post-, Math- und Noiserock, 80er Sonic Youth (Dis-)Harmonien. Kann was.
Das zweite Album von No Sister aus Melbourne ist erwartungsgemäß mal wieder ein sehr starkes Teil. Am Sound des schon saumäßig hörenswerten Debüts gab's ja eh nicht viel zu reparieren und entsprechend liegen die Neuerungen hier eher im Detail. Nach wie vor klingt das als träfen frühe Sonic Youth mit ihren damals noch deutlich hörbaren Connections zu Glenn Branca und der New Yorker Experimental- und No Wave-Szene auf den wuchtigen Postcore, Noise- und Mathrock der 90er Touch&Go-, Dischord- und AmRep-Schule. Das alles gießen sie dann in so abwechslungsreiche wie auch ausgefeilte Arrangements und in häufig unkonventionelle, schwer vorhersehbare Songstrukturen. Ein weiterer Volltreffer!
Mal wieder eine Band aus Chicago die einen speziellen Klangkosmos beackert, der an diesem Ort irgendwie schon seit Jahrzehnten besonders gut zu gedeihen scheint. Passenderweise wurde das Zeug auch deutlich hörbar bei Electrical Audio aufgenommen, wenn auch ohne direkte Beteiligung eines gewissen Mr. Albini. Kann man sich also schon denken, mit was für Musik wir es hier zu tun haben: Ein Sound, der sich deutlich im Umfeld von Noise- und Mathrock, Post- und Slowcore bewegt und vom ersten Moment an Assoziationen zu den Klassikern von Slint, Tar, Codeine und späteren Unwound hervorruft. Die unvermeidlichen Shellac kann man natürlich ebenfalls raushören und etwas Sonic Youth-Dissonanz macht sich auch immer wieder breit.
Altbekanntes Zeug also, aber auch absolut hochwertig und stilsicher. Selten bekommt man heute einen derartigen Sound auf so hohem Niveau, in solch einer hochkonzentrierten und disziplinierten Darbietung zu hören. Eigentlich ist das viel zu gut für die Veröffentlichungsform als Tape. Mir als volldigitale Person könnte das ja eigentlich ziemlich schnulle sein, aber für Leute mit anderen audiotechnischen Vorlieben und generell auch als Zeichen der Wertschätzung für dieses tolle Album wäre es doch zu wünschen, dass irgendwer das Tonmaterial noch auf schwarzen Bodenbelag transferiert.
Dischord Records hat ein Album veröffentlicht. Diese Tatsache ist heutzutage an und für sich schon ein sehr erwähnenswertes, weil selten gewordenes Ereignis. Und dann handelt es sich auch noch um die aktuelle Band von Devin Ocampo, der in den 90ern bei der (in meinen Augen) Postcore-Legende Smart Went Crazy am Werk war, später denn bei den von mir heißgeliebten Mathrockern Faraquet und Medications. Zwischenzeitlich war er außerdem bei Deathfix aktiv, die sich aus Mitgliedern letztgenannter Band und Fugazi-Drummer Brendan Canty zusammensetzten. Seine aktuelle Band The Effects versprüht dann auch mal wieder den unverwechselbaren Vibe seiner alten Projekte, verbindet das beste aus allen Welten. Die Komplexen Arrangements von Faraquet treffen auf die schrammelige Leichtigkeit der Medications und die Eingängigkeit der alten Smart Went Crazy-Scheiben. Dabei lassen Ocampo & Co mehr als je zuvor eine Vorliebe für progressives Gegniedel raushängen, was ich angesichts der Hochwertigkeit in Songs und Darbietung aber problemlos tolerieren kann. Mir wird mal wieder richtig klar, wie sehr ich das vermisst habe.
Phantom Works kommen aus Chicago, klingen auch nach Chicago. Absolut klassischer, intelligenter Lärm, der irgendwo im Noiserock/Mathrock/Postcore-Genrekomplex zuhause ist und deutliche Assoziationen zu den goldenen Touch&Go-Zeiten weckt.