Im ersten Teil dieser Reihe habe ich mich darüber ausgelassen, wie man ein digitales Musikarchiv im Rahmen eines vollwertigen Media Centers wohnzimmertauglich machen kann.
Jetzt will ich hier noch eine etwas schlankere und kostengünstigere Lösung vorstellen: Einen kleinen Wireless Audioplayer, der seit geraumer Zeit meine Küche beschallt und in sachen Preis, Klang und Vielseitigkeit den teuren Komplettlösungen von Herstellern wie Sonos gehörig in den Arsch tritt.
Der Sinn und Zweck
Die Geräte der derzeit marktbeherrschenden Firma gehen ja für ganz schön stolze Preise über die Ladentheke, ein einzelner drahtloser Lautsprecher (über dessen Qualität ich mangels Erfahrungen leider nichts aussagen kann) kostet da schon mal zweihundert Tacken, ein Stereo-Paar das doppelte und am Ende hat man dann ein proprietäres System, das man vermutlich wegschmeißen kann, wenn der Hersteller es nicht mehr supportet und es keine Updates mehr für Apps und Software gibt. Das muss doch auch günstiger mithilfe einfacher Hardware und freier Software gehen, oder?
Ja, das geht. Bei mir sieht das so aus:
Die Hardware
Das Herz des ganzen ist ein Raspberry Pi 2, der für die Musikwidergabe sorgt, dazu später mehr.
Für ein derartiges Setup braucht man folgendes:
- Einen Kleinstrechner wie etwa den Raspberry Pi 1 oder 2, Cubieboard, Banana Pi, etc.
- Ein vernünftiges USB-Netzteil für den Rechner (sollte mindestens 2A Strom liefern)
- Einen aktiven USB-Hub
- Einen WLAN-Stick, der unter Linux laufen muss
- Eine USB-Soundkarte (ebenfalls auf Linux-Unterstützung achten) oder ein entsprechendes Steckmodul (u.a. für Raspberry Pi erhältlich)
- Und natürlich Verstärker & Lautsprecher, Aktivboxen, Radio mit Aux-Eingang oder sonstiges geeignetes Spielzeug.
- Optional: USB-Festplatte oder USB-Stick als Massenspeicher
Bei mir kommt ein Raspberry Pi 2 zum Einsatz. Die 2er Version ist hier auch schwer zu empfehlen, mit mehr RAM und ihrem Quadcore ARM-Prozessor bewältigt sie ihre Aufgabe deutlich flotter als die erste Version.
Über einen WLAN-Stick hängt das Teil am lokalen Netzwerk.
Als Massenspeicher hängt eine USB-Festplatte dran, alternativ kann man auch auf Ordnerfreigaben oder den Datenbestand anderer UPnP/DLNA-fähiger Geräte (z.b. ein Kodi-Mediacenter) zugreifen.
Ebenfalls per USB ist das Ding mit einem kleinen SMSL Q5 Klasse D-Verstärker verbunden, an dem wiederum ein Paar JBL Control One Laustsprecher hängen. Das ist schon mehr als genug um einen kleinen bis mittelgroßen Wohnraum mit ordentlich Krach zu versorgen. Ein USB-Audiomodul ist schon im Verstärker verbaut.
So viel zur Hardware, jetzt zum interessanteren Teil.
Die Software
Es gibt eine ganze handvoll Softwarelösungen, mit denen man einen RasPi oder ähnliches in einen Audioplayer verwandeln kann. Bisher habe ich folgende ausprobiert: Volumio, RuneAudio und MoodeAudio.
Alle drei Projekte sind Forks aus dem inzwischen auf Eis liegenden RasPiFi-Projekt, der wohl ersten brauchbaren Audiolösung dieser Art. Kein Wunder also, dass sich alle drei Lösungen sehr ähneln und auch mehr oder weniger das gleiche Webinterface benutzen.
Alle drei haben gemeinsam, dass sie auf dem Music Player Daemon basieren und entweder über das Webinterface, einen MPD-Client (wie etwa MPDroid für Android-Geräte) oder eine UPnP/DLNA-App (wie etwa BubbleUPnP) gesteuert werden können. Allen liegt ein stinknormales Linux-OS zugrunde, entweder Raspbian (Volumio, MoodeAudio) oder Arch Linux (RuneAudio).
Die grundlegende Konfiguration geht über die Weboberfläche, aber wer etwas Tiefer buddeln will kann natürlich auch per SSH in den Eingeweiden rumwurschteln.
Volumio war mein erster Kandidat. Bisher wohl auch die ausgereifteste Software, die am wenigsten Probleme macht und ohne großartiges rumwurschteln und Konfigurationshölle funktioniert. Allerdings ist Volumio auch die ressourcenhungringste Software. Der RasPi2 bewältigt das zwar problemlos, aber das Webinterface ist doch recht träge und das Anzeigen langer Listen zwingt mein Tablet und mein Smartphone doch recht schnell in die Knie.
Hier hat RuneAudio nachgebessert und das Webinterface bei gleichem Look & Feel von Grund auf erneuert. Wer also die Weboberfläche auf Mobilgeräten nutzen will ist mit RuneAudio besser beraten. Auch das auf Arch Linux basierende OS ist deutlich schlanker und bootet innerhalb von Sekunden.
Leider ist Rune Audio noch recht tief im Betastadium und das merkt man auch. Deshalb nur für Leute mit einem Minimum an Linux-Erfahrung zu empfehlen. Auch die Entwicklung scheint ziemlich zu stocken, mal abwarten ob noch eine 0.4er Version erscheint und ob die etwas runder ist.
MoodeAudio ist die neueste Software und zeichnet sich in erster Linie durch eine stark erweiterte Oberfläche aus, aber auch hier hakt es noch an vielen Stellen. In sachen Performance würde ich MoodeAudio im Mittelfeld verorten.
Ich sehe die Lage also folgendermaßem: Volumio für Einsteiger und als rundum-sorglos-Paket, RuneAudio für Performancehungrige, die keine Angst vor der Kommandozeile und Configfiles haben und MoodeAudio… mal abwarten wo sich das noch hin bewegt.
Ich setze große Hoffnungen in die kommende Version 2.0 von Volumio, bei der es sich um einen kompletten Rewrite handeln soll und die auf einem schlankeren custom Linux basieren soll.
Die Bedienung
Da die Abspielsoftware unter der Haube auf den Music Player Daemon zurückgreift, kann man diese auch über einen beliebigen MPD-Client steuern. Meine Wahl fiel auf MPDroid für Andriod, eine einfach zu bedienende aber ausgereifte App. Schön bequem kann man damit durch die Datenbank browsen, nach Künstlern/Titeln/Alben suchen oder durch die Ordnerstruktur navigieren. Generell ziehe ich diese Methode dem Webinterface vor, das eher für den Laptop geeignet ist.
Fazit
Ja, es funktioniert und macht Spaß. Ein vollwertiges Audiosystem steht jetzt auf dem Küchenschrank und hat nur etwas über 200€ gekostet. Etwa halb so viel wie man für ein paar drahtlose Lautsprecher des führenden Herstellers hinlegen müsste. Außerdem ist qualitativ alles nach oben offen; man ist nicht auf in einem Gesamtsystem verbaute Lautsprecher angewiesen, sondern kann beliebige Audiohardware anschließen.
Allerdings sei gesagt, dass die hier vorgestellten Lösungen aktuell noch nicht vollkommen ausgereift sind und bei der Software noch Verbesserungspotenzial besteht. Ich würde das nicht meinen Eltern ins Wohnzimmer stellen wollen. Erfahrene Benutzer, am besten mit ein wenig Linux-Know How, finden hier aber eine kostengünstige und vielseitig verwendbare Lösung, ein zweites oder drittes Zimmer drahtlos zu beschallen. Wer was ausgereiftes für's Wohnzimmer sucht, dem empfehle ich nach wie vor ein vollwertiges Media Center wie ich es hier vorgestellt habe.