Die letzten paar Monate waren für mich nicht nur wegen der offensichtlichen Pandemie-bedingten Umstände ein persönlicher Durchhänger. Nach dem Umzug, den damit verbundenen Anstrengungen und Strapazen war bei mir einfach mal so richtig die Luft raus, die psychische Verfassung angeschlagener als sonst und mein Antriebs- und Energielevel ging so richtung null. Das habt ihr zwischenzeitlich vielleicht an der niedrigen Frequenz neuer Posts hier bemerkt - ich versuche gerade, langsam auch Blogmäßig wieder in den Fluss zu kommen.
Da checke ich also mal über einen längeren Zeitraum meine Lieblingsblogs nicht mehr regelmäßig und erfahre deshalb auch erst jetzt mit einigen Wochen Verspätung, dass Torsten Walker - Mannheimer Szene-Urgestein, DJ, Musikblogger und noch so einiges mehr - gestorben ist. Über die vielen Dinge, die er in der lokalen Szene innerhalb der vergangenen vier Jahrzehnte losgetreten hat, wissen andere besser bescheid als ich. Unsere Wege kreutzten sich erst viele Jahre später, als ich gerade ein gewisses Musikblog an den Start gebracht hatte.
Die Zeit ca. 2013-2016 war ein etwas seltsamer Zeitpunkt dafür, war sie doch vor allem geprägt dadurch, dass die einflussreichen Musikblogs der 00er Jahre eins nach dem anderen implodierten und auch die meisten von mir geschätzten Underground-Blogs ihre Sache an den Nagel hängten. Unter den wenigen über den Globus verteilten Mitstreitern, die den düsteren Vorzeichen trotzten, stach aber ganz besonders eine Facebookseite von einem gewissen RRRunzelhund heraus, der sich ebenso wie dieser Scheißblog hier einen feuchten Dreck für aktuelle Trends, für Erfolg & Anerkennung, den Niedergang der klassichen Musikpresse oder den allgemeinen Zeitgeist interressierte. Ein Typ mit zwei Zimmern und einem Flur voller Schallplatten und CDs, der einfach den wenigen, die es interessiert, die Musik nahe bringen möchte, die ihn in diesem Moment gerade begeistert.
Die Facebookseite wuchs bald zu einem ambitionierteren Projekt namens RRRSoundZ und einem gleichnamigen Blog, dessen Potenzial und ursprüngliche Vision leider nie so richtig in die Pötte kamen. Ist auch nicht so wichtig, denn RRRSoundZ war auch schon in jeder Form genial und wichtig, die es letztendlich annahm.
Meine persönlichen Begegnungen mit Torsten - ein paar Konzerte hier und da, zwei Abende des gemeinsamen DJings - waren nicht sehr viele, haben mich aber mehr als nur ein bisschen beeindruckt. Nicht nur war Torsten eine seltene Person, dessen unfassbare Leidenschaft für Musik und Subkultur auch mit einen Spacken wie mir, der sich mit neuen Bekanntschaften sonst eher schwer tut, unmittelbar zu connecten vermochte. Neben der Musik teilten wir auch ein Interesse für den japanischen Film - eine unwahrscheinliche Geistesverwandtschaft unter ansonsten extrem unterschiedlichen Menschen.
Und der Mensch, der hat mich einfach beeindruckt. Jemand, der seit Jahrzehnten tiefer im subkulturellen Geschehen gesteckt hat und dort mehr geprägt hat als ich es jemals könnte, ohne sich irgendetwas darauf einzubilden. Ganz im Gegenteil, Torsten stellte sich als ein verdammt aufgeschlossenes, neugieriges und ausgesprochen warmes gegenüber heraus, immer herzlich und wohlwolled. Mit ihm einen Abend zu verbringen, war immer eine bereichernde, aufbauende, spaßige - aber auch zum Nachdenken anregende Erfahrung. Das Level an Energie, das er beim verfolgen aller seiner Projekte an den Tag legte, ist einfach erstaunlich. Knapp zwei jahrzehnte älter als ich, hätte es mich dennoch nicht verwundert, wenn er mich in zwei weiteren Jahrzehnten noch von links mit dem Rollator überholt.
Das kam jetzt leider nicht so hin. Krebs ist ein verficktes Arschloch und kann die stärksten Leute in die Knie zwingen. Ich möchte mir selbst dafür in den Arsch treten, dass ich schon so lange schon nicht mehr in Mannheim vorbei geschaut habe, auch wenn ich meine Gründe dafür hatte. Ein paar mehr Stunden mit genialen Menschen zu verbringen wiegt das bisschen psychischen Zusammenbruch doch locker wieder auf. Die Welt ist nun um ein Original ärmer und es sieht nicht so aus, als könnte irgendjemand anderes an seine Stelle treten. Für sein Umfeld wie auch für die Subkultur - in Mannheim, hinterm DJ-Pult, im lokalen Radio, in der Kneipe oder auch im Netz.
Ich wollte eigentlich noch ein paar Posts klarmachen heute. Aber jetzt muss ich erst mal ein Bier auf Torsten trinken. Oder fünf. Dazu wird die Musik laufen, denn Stille würde ihm nicht gerecht.
Lieber Andreas,
eher zufällig bin ich gerade über Deine Zeilen zu meinem Bruder gestoßen und wollte Dir dafür, wenn auch verspätet-, danken!
Es ist schön zu lesen das Du tolle Begegnungen mit Ihm hattest und er Dich aus einer Vielzahl von Dingen beeindruckt hat. So wie es viele ihm nahestehenden Personen sehr ähnlich berichtet haben. Das freut mich sehr!
Es lässt sich nur sehr schwer in Worte fassen wie sehr ich ihn vermisse und auch immer vermissen werde. Ich wünsche Dir das Du möglichst schnell wieder Energie hast und sich alles bestmöglichst weiterdreht!
Mit lieben Grüßen aus der Quadratestadt im Süden,
Dirk
P.S. Bevor Du auf meine Website schaust- ich hatte mit meinem Bruder die Liebe zur Musik und der Auflegerei gemein. Ich decke lediglich nur musikalisch das genaue Gegenteil ab. Ein Grund übrigens warum ich kaum in der Lage bin in seine Fußstapfen zu treten. Aber wir (musikalische Freunde von Torsten) prüfen gerade die Möglichkeiten seinen Blog in seinem Sinne weiterzuführen, was möglich sein dürfte…- was mich natürlich sehr freuen würde. Dich vielleicht ja auch?!