VEXX aus Olympia wissen wie man richtig Ärsche versohlt. Ihre Debüt-EP weckt Erinnerungen an die kurze Umbruchphase so um '80-81, als Punkrock langsam in Richtung Hardcore zu morphen begann und für die Zukunft des Genres noch alle Optionen offen standen. Genauer könnte man das vielleicht als Mischung aus Bad Brains und X (Kalifornien, nicht Australien) beschreiben, auch Wipers oder Zero Boys könnten da mit reinspielen. Die Platte klingt dabei aber erstaunlich frisch, so gar nicht von gestern. Das ist nicht zuletzt der Verdienst von Frontfrau Maryjane Dunphe und ihrem urgewaltigen aber auch flexiblen Stimmorgan. Wenn sie anfängt auszuteilen geht man besser mal in Deckung.
Eine im besten Sinne kaputte EP hat das neuseeländische Trio uns hier auf's Band gerotzt. Schwer einzuordnen, das Ganze. Wir haben hier ein derbe sägendes Noisepunk-Gewitter zum Auftakt und einen relaxten aber schrägen Indierocker, das war's dann auch größtenteils schon an (trotzdem ausgezeichneter) Song-Substanz. Der ganze Rest? Chaotische Jams und diverser Krach auf einer Skala von unaufgeräumt bis total krank. Genau meine Tasse Tee.
Ich hab eigentlich schon lange aufgehört das aktuelle Geschehen im Hardcore aktiv zu verfolgen. Zu eingefahren und konventionell ist mir der größte Teil dieser Szene, der ich im Grunde doch einiges abgewinnen könnte. Rückblickend kann man sagen, dass das Genre bereits mehrmals scheinbar vor die Hunde gegangen ist und sich dann doch jedes mal auf die eine oder andere Art wieder erneuert hat, schon lange bevor ich alt genug war, mich dafür zu interessieren. In letzter Zeit schwindet bei mir aber die Hoffnung, dass Hardcore nochmal im größeren Stil frischen Wind erfährt und sich aus der kreativen Sackgasse manövriert. Einen kleinen Hoffnungsschimmer bietet dann eine Platte wie von dieser Band aus Northampton, Massachusetts, die zwar auch nichts bahnbrechend neues bietet, es dafür aber schafft eine aktuellere Spielform wieder mit ein paar vergangenen, direkt oder indirekt verwandten musikalischen Strömungen zu veinen. Die Platte geht los mit eher typischem melodischem Hard-/Emocore wie ihn etwa Fucked Up zu großer Popularität verholfen haben und vielleicht vermischt mit tendenziell eher stereotypen 90er Emo-/Postcore-Versatzstücken. So weit so vertraut. Aber etwa in der Mitte des ersten Songs passieren dann Dinge, die so gar nicht so rein passen wollen. Zuerst meldet sich plötzlich eine Schrammelattacke, die eindeutig den Geist früher Dinosaur Jr. wachruft, gefolgt von einem Gitarrensolo (ja eh schon ein ziemliches Genre-Tabu) im zweiten Song, das geradezu lebensecht J. Mascis channelt . Im weiteren Verlauf der Platte kristallisieren sich dann Hüsker Dü als weiteres verbindendes Element heraus, an allen Ecken und Enden findet man hier Riffs und Harmonien, die genau so gut Outtakes aus deren beiden größten Klassiker-Alben Zen Acarde oder New Day Rising sein könnten. Das reicht natürlich nicht um ein größtenteils kaputtes Genre zu rehabilitieren, aber es ist eine sehr interessante Platte dabei herausgekommen, hin und her gerissen zwischen eher gewöhnlichen Genre-Standards und dem lobenswerten Versuch, eben diesen zu entfliehen. Auf jeden Fall endlich wieder mal eine Platte, an der ich wirklich meinen Spaß habe. Ein Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem muss sich Hardcore mehr anstrengen und aufhören im eigenen Saft zu versickern, um in Zukunft noch für irgendwen außer sich selbst relevant zu sein.
In der Pelzmodeabteilung des Internets findet man dieses spaßige Powerpop-/ Poppunk-Trio aus Chicago. Nicht gleich wegrennen wenn ich Poppunk sage, das ist nämlich keine Kindermucke mit aufgeklebtem Iro, sondern viel eher in den Urvätern des Genres verankert; insbesondere die Buzzcocks finden sich hier immer wieder. Dazu hat's noch 'ne leicht garagige Kante und einen hohen Fuzz-Faktor. Außerdem heben sie sich mit durchweg ausgezeichneten Songs vom Genre-Einheitsbrei ab und lehnen sich gelegentlich ein kleines bisschen aus dem Fenster; ich glaube hier und dort auch mal subtile Anklänge von The Gun Club oder sehr frühen Wire zu vernehmen. Eine Ärsche tretende Glückspille ist das.
Räudigen Pop versprechen Times Beach aus St. Louis im Albumtitel und behalten Recht. Das ist nicht die Art von Pop, die wie Honig aus den Lautsprechern sifft. Das ist die Art von Pop, zu dessen Schönheit man erst mal durchdringen muss, durch dichte Lagen aus Stacheldraht, Dreck und Taubenschiss. Das erinnert zeitweise an die jüngere Indierock-Vergangenheit wie etwa frühe Wavves und die Debütalben von Male Bonding oder Rat Columns. Etwas offensichtlichere Klassiker wie Hüsker Dü oder Dinosaur Jr könnte man auch anführen oder aktuelle Noisepop-Bands wie etwa Joanna Gruesome. Geht runter wie lauwarmes Karlskrone-Pils.
Pffffftgrmmmmmpfffh… was zum… Fuck, was für'n großartiges Cover! Seit über 50 Jahren wird im Rock'n'Roll von gewissen Bands und Teilen des Publikums vollends ironiefrei eine so ätzende und klischeehafte, wie auch geradezu absurde Hypermaskulinität abgefeiert, und erst jetzt traut sich jemand, dieser Spackenkultur mal angemessen den Spiegel vorzuhalten und sie halbwegs realitätsgetreu durch den Kakao zu ziehen. Wenn's dann einigen übersensiblen Zeitgenossen, geprägt von chronischer Angst vor dem eigenen Genital, ästhetisch gegen den Strich geht: umso besser. Der Titel mag dann gleich noch zum gepflegten Schwanzvergleich zu provozieren: Nee, deiner ist kein Gott, hier guck mal. Meine Eier sind die dickeren. Die Musik ist in gewisser Weise passend dazu. Denn ganz unsubtil und hemmungslos werden hier die Bretter geschrubbt, die felle Massiert und die Saiten geschrappelt. Wunderschöner Noiserock/-punk, der's Freunden von Bands wie Soupcans oder Vulture Shit ganz vorzüglich besorgen wird.
Schön eingängig vor sich hinriffender Punkrock aus Boston, der auf der musikalischen Landkarte irgendwo in der Nähe von Radio Birdman oder Wipers platziert und gelegentlich auch noch Platz hat für leicht Fugazi-eske Figuren und an Hüsker Dü erinnernde Harmonien. Drückt bei mir genau die richtigen Knöpfe.
Grobmotorischer, zeitweise monoton vor sich hin schreddernder Garagen- und Noisepunk aus Philadelphia, wie er kruder kaum geht. Trotzdem unerwartet mitreißend und eingängig, wenn man sowas ab kann. Könnte Freunden von so unterschiedlichen Bands wie Soupcans, Destruction Unit, Strange Attractor oder Ex-Cult gut gefallen.
Wie vorgestern im Fall Hysterese haben wir es hier schon wieder mit einer deutschen in Deutschland ansässigen Band (die drei Neuseeländer haben's sich derzeit in Berlin gemütlich gemacht) zu tun, die dem alten langsam inkontinent werdenden Arschloch namens Punkrock nicht nur dank hervorragender Songwriting-Qualitäten nochmal etwas Leben einzuhauchen vermag, sondern dem ganzen auch noch ihren ganz eigenen persönlichen Stempel aufzudrücken weiß. Das erinnert mich mehr als einmal an die großartigen Leatherface in ihren derberen Momenten, aber auch eine ausgeprägte bluesig-countryfizierte Kante ist vorhanden, die sie nicht unbedingt musikalisch, aber doch im Geiste etwas näher an The Gun Club rückt.