Wow! Was ein gesundes Minimum an Produktionsaufwand für einen Unterschied machen kann, beweist der erste Langspieler von Paint Thinner aus Detroit. Die gefielen mir bereits auf ihrem Demo vor ca. drei Jahren ausgesprochen gut. Aber kamen mir damals als Vergleich noch eher Wire so anno Chairs Missing in den Sinn, klingt das hier etwas weniger nach Ur-Postpunk und Artpunk, dafür stärker nach Ur-Psychedelic- und Spacerock, nach Pink Floyd der (mal ehrlich, einzig wahren) Syd Barret-Ära und frühen Hawkwind. Und das mitunter auch bei den Songs, die bereits auf dem Demo enthalten waren. Vereinzelt kann auch ein wenig Surf-Twang etwa an Crystal Stilts erinnern. Aber zu keinem Zeitpunkt lässt The Sea Of Pulp zweifel daran aufkommen, dass in ihm ein Herz aus Punk schlägt. Die Platte ist ein Killer und mit Fell Flat ist (erneut) einer der stärksten Songs an Bord, die mir in letzter Zeit so unterkamen.
Gleich noch mal abgespacetes Zeug, aber irgendwie doch eine ganz andere Baustelle. Bei Droids Blood aus Chicago sind zwei Ex-Mitglieder von Broken Prayer am Werk und erfüllen mit ihrem neuen Tape sowie einer mir bislang entgangenen Single die Erwartungen, die schon vor einiger Zeit mit einem starken Demo geweckt wurden. Nach wie vor klingt das ein wenig nach ihrer Vorgängerband, aber auch nach aktuellen Bands auf der Schwelle zwischen Noise, Hard- und Postcore á la Bad Breeding, Acrylics, Anxiety oder Arse, vielleicht auch ein wenig nach dem Post Punk von Diät. Das alles bekommt dann ein Säurebad aus Industrial-Samples und retrofuturistischen Synths verpasst, was so einen gewissen 80er Cyberpunk B-Movie Vibe heraufbeschwört.
An zeitgenössischem Psychedelic- und Space-Gedöns mangelt es dieser Tage ja keineswegs, wohl aber an Bands die sich trauen, die allzu ausgetretenen Pfade zu verlassen und diesen ergrauten, schon längst etwas abgestanden riechenden Genres ein wenig Frische zu entlocken. Writhing Squares sind da eine so lobenswerte wie auch hochpotente Ausnahme. Eine Hälfte des Duos aus Philadelphia ist ansonsten noch bei den Postpunkern Taiwan Housing Project anzutreffen, der andere Typ hat bei den stilistisch etwas näher gelagerten Purling Hiss seine Finger mit drin. 2016 fielen mir die beiden schon mal mit einem sehr appetitlichen Minialbum auf, aber der Nachfolger davon ist noch mal ein ganz anderes Biest, dessen Sound einerseits eine deutliche Entschlackungskur durchlaufen hat, andererseits aber genau dadurch stark an Form gewonnen hat und ein wenig so klingt als träfen sich mal Suicide, mal eher Big Black mit Hawkwind (oder heute eher: Destruction Unit), Chrome und MC5 zu einer bekifften Jamsession. Die minimal-Instrumentierung aus 70er Roland-Style LoFi-Beats, Bass und wahlweise mit Saxofon oder kosmischen Synth-Sequenzen obendrauf, verpasst der Sache eine ganz eigene Klangfarbe.
Lehnte sich das Debütalbum der New Yorker Combo mit Mitgliedern von u.a. Samiam und TV On The Radio an Bord noch mehr in die Richtung von untekühltem Postpunk und Industrial mit einem Hauch von Ministry, gibt sich ihre neueste 7" auf Mudguts etwas leichtfüßiger und verspielter, begrüßt den Hörer mit einer infektiösen, leicht dubbigen Groovekanone auf der A-Seite und weiß auch auf der B-Seite mit einer angenehm abgefahrenen Psychedelic Nummer sehr zu gefallen; jeweils mit einer wohldosierten Ladung Noise versetzt.
Ganz schönen Wind macht die Formation aus Stockholm auf ihrem ersten Langspieler. Der Sound ist irgendwo an den Tellerrändern von Hardcore und Post Punk zu verorten, bringt aber ebenso den Vibe der aktuellen Dark-/Death Punk-Welle mit. Das klingt geringfügig verwandt mit Acrylics, Dauðyflin, Tarantula, The Bug oder den derberen Momenten von Criminal Code. Jede Menge schlechte Laune also. Und schlechte Laune kann man in diesen Tagen ja nie genug haben.
Der Post- und Synthpunk auf dem ersten Tape von Public Interest aus Oakland gibt sich ziemlich variabel, lässt z.B. mal den kalten Synthwave raushängen, klingt ein anderes mal nach einer elektrifizierten Variante von Diät und nach Useless Eaters im spacigen Abgroovemodus. Oder wie etwa Ausmuteants und Puff vermutlich klingen würden, wenn beide Bands mal irgend etwas mal ernst nähmen.
Nachdem Drool aus Chicago in den letzten zwei bis drei Jahren mit ein paar EPs schon ordentlich Appetit gemacht haben, gibt's jetzt den ersten Hauptgang auf die Ohren. Nach wie vor haben wir es mit verwinkeltem Post Punk der Sorte Rank Xerox, Marbled Eye, Labor oder Kommissars zu tun, der sich recht strikt an die etablierten Genremuster hält, seine Sache dabei aber auch durchweg kompetent ausführt. Das meiste Wachstum gegenüber den EPs zeigen sie aber immer in den Momenten, wenn sie sich ein bisschen Melodie trauen. Diese Augenblicke sind der Faktor, mit dem sie sich etwas von guten Genrestandard absetzen können und wenn das die Richtung ist in die es jetzt gehen soll, dann darf man echt gespannt sein auf die nachfolgenden Releases.
Erfreuliche Geräusche gibt's aus der Synthpunk-Ecke zu vermelden. Mal wieder aus Australien, war ja klar. Aber diesmal klingt das so gar nicht nach dem heimischen Ausmuteants-Umfeld, sondern eher nach der verschrobenen LoFi-Ästhetik von US-Bands á la Wonder Bread, Channel 83 oder C57BL/6. Ist gekauft.
Blooming Season kommen aus Montreal, spielen aber im Kontrast dazu eine Mischung aus Postcore - der eher nach Washington und Chicago klingt - und Post Punk der tendenziell recht zugänglichen, aber keineswegs zahmen Sorte, dem ich mal eine gewisse Nähe zur aktuellen britischen Szene unterstellen würde. Im Titelsong der EP wird darüber hinaus ein Drama in Cinemascope ausgerollt, das an Protomartyr oder Bambara erinnert. Überhaupt ist das eine abwechslungsreiche und dabei nahezu makellose Viertelstunde, in der kein Song wie der andere Klingt.
Das ist schon die dritte Platte an einem Stück heute, deren Songtexte in einer mir unverständlichen Sprache gesungen, gebrüllt oder gekotzt werden. Das ist reiner Zufall, echt jetzt. Jedenfalls kommen Laxity aus Krakau und treffen absolut meinen Nerv mit einem Sound aus Post Punk, ganz viel Noise, No-Waviger Dissonanz und vereinzelt etwas Hardcore. Wen Bands wie Soupcans, Vulture Shit, Gumming oder Strange Attractor nicht abschrecken, der ist sicher auch bei dieser Band ganz richtig am Platze. Aber auch wer sich für eine extra-krude Variante von Spray Paint erwärmen kann, wird hier seine Momente finden.