Jetzt erstmal tief Luft holen, denn dieser Post wird zwangsläufig in einer einzigen Namedropping-Orgie enden. Kicking Spit kommen aus dem kleinen Kuhdorf New Brunswick im Bundesstaat New Jersey und in so einer Umgebung bleibt ja gerne mal die Zeit etwas stehen. Passend dazu klingt ihre Musik nach so ziemlich allem was so zwischen '85 und '95 ordentlich Krach und Laune gemacht hat. Am stärksten vertreten wären da erst mal die melodischen Gitarrenwände von Hüsker Dü und Dinosaur Jr. Dann gibt's noch ein paar kleine Hardcore-Attacken, Melvins-Riffs, gewisse Grungeanleihen, frühneunziger Noiserock á la Fudge Tunnel oder Green Magnet School, Superchunk-Melodien und auch die frühe Emo-Phase klingt etwas an. Alles mit drin.
Damit positionieren sie sich in der Nähe von aktuellen Bands wie California X und Milk Music, verstecken brauchen sie sich vor denen aber überhaupt nicht. Negative Feedback ist eine wahnsinnig spaßige Platte, randvoll mit melodischem Krach, die besagten Bands in nichts nachsteht. Die rohe Produktion, die so klingt als wäre sie vom dreckigen Boden eines halbleeren Clubs aufgemopt worden, veredelt die ganze Angelegenheit dann noch vollends. Die Platte kam schon letzten Sommer raus, aber niemand hat's da wirklich mitgekriegt. Ich auch nicht. Käme die Band aus Los Angeles oder sonst irgendeiner angesagten Metropole, hätten sich bestimmt schon alle drauf gestürzt. Bleibt zu hoffen, dass sie in nächster Zeit doch noch ihr Publikum finden.
Die begrüßenswertesten Entdeckungen scheinen immer aus dem Nichts zu kommen. Auf diese wundervolle EP der Band aus dem kanadischen Ottawa wäre ich von alleine nie gestoßen, wenn nicht die fleißigen Leute von Weird Canada so aufmerksam den dortigen Musikuntergrund beobachten und dokumentieren würden. Kings Quest spielen schammeligen und melodischen Indie Rock, der oberflächlich zwar aus der aktuellen Indie-/Dreampopp-Trickkiste schöpft, aber doch ganz einzigartig klingt und angenehm wenig mit dem derzeitigen Zeitgeist konform geht. Prägendes Element sind die mehrstimmigen, für rockfixierte Ohren doch eher ungewöhnlichen und vermutlich auch ein wenig in der klassischen Musik geschulten Gesangsharmonien der beiden Sängerinnen, gekonntert von einer leicht exzentrischen Spielart flotten Jangle Pops, welcher der Schönheit der Songs immer die richtigen Dissonanzen entgegen zu halten weiß und die melancholische Grundstimmung noch weiter in den Vordergrund rückt. Musik wie aus einer längst vergessenen Zeit, in einer unerforschten Parallelwelt voller seltsamer, beängstigender Schönheit.
Nachdem Pitchfork ordentlich Wind drum gemacht hat (ein selten gewordener Treffer für die zunehmend irrelevante, ehemalige Indie-Autorität) und sich die restliche Musikpresse drauf stürzt wie eine ausgehungerte Horde Zombies auf ein süßes 4chan-Kätzchen, hab ich wohl endgültig den Zug verpasst und dürfte der letzte sein, der darüber berichtet. Irgendwie war da wohl gerade zu viel los, angesichts der ersten größeren Release-Welle des Jahres. Das hält mich jetzt aber nicht davon ab alle anderen zuspätgekommenen noch auf diese tolle Platte voller hymnischem und psychedelischem Jangle-Pop hinzuweisen. Viel Spaß mit euer neuen Lieblingsplatte. Danke, keine Ursache. Ich helfe doch gern.
In der massiv diversifizierten Indie-Welt von heute ist etwas annähernd Konsenzfähiges seltener als Hipsterfressen ohne Bart und Brille, aber Gorgeous Bully aus Manchester und ihrem simplen aber effektiven Indiegaragenpowerpoppunk rechne ich doch ganz gute Chancen zu, einen größeren Teil des Spektrums auf ihre Seite zu ziehen. Melodisch und poppig genug um die Weichspülpopper-Schönklangfraktion nicht abzustoßen aber auch gerade eben noch räudig genug und in alten Indireock-Traditionen verwurzelt um die Synapsen krachaffiner Zeitgenossen ausreichend zu kitzeln.
Offiziell erscheint das Ding erst in so zwei Wochen, zum recht happigen Preis ist der Download aber jetzt schon auf Bandcamp zu erwerben.
Per email flatterte mir neulich dieses schrullige Indierock-Kleinod entgegen. Wer die Dreistigkeit besitzt irgendwelche Blogger anzuschreiben (machen alle, ich weiß…), sollte besser richtig gut sein. Und Überraschung, Senile Crocodile aus dem britischen Kingston Upon Hull halten der strengen 12XU-Qualitätskontrolle problemlos stand. Wunderschön exzentrischer als auch eklektizistischer, ausufernd-verspieleter Indie Rock mit offensichtlichem Glam-Einschlag wird hier geboten. Macht Lust auf mehr.
Gustave Tiger aus Budapest verpassen ihrem sägenden Noisepunk ein paar ganz eigene Dellen. Ihre Debüt-EP mag sich dabei nicht so recht für eine klare Marschrichtung entscheiden, wirkt trodzdem nicht zerfahren. Eher klingt es ein bisschen so als wären zwei unterschiedliche Inkarnationen der gleichen Band am Werk. Da wäre einmal die an spätere Gun Club Platten oder die Country-Punk-Fusionen von Angst erinnernde, folkig-countryfizierte Schrammelvariante. Und der böse Zwillingsbruder davon in in der Form psychedelisch-düsterer, treibender Noiseattacken; ich fühle mich hier etwas an das eigenwillige Ten Kens-Debüt erinnert. Dann gibt's als krönende Abschlüsse noch eine epische Postpunkexplosion á la P.I.L meets Birthday Party und eine erstaunlich eingängige Venom-Coverversion. Und fertig ist eine der erfrischendsten und eigenständigsten Platten in letzter Zeit.
Die letztes Jahr erschienene EP Amagosa ließ mich schon ein wenig interessiert aufhorchen, stand aber noch auf etwas wackeligen Füßen was das Songwriting anging. Der neue Kurzspieler der Band aus Olympia, Washington ist in der Hinsicht ein gewaltiger Sprung nach vorne und das ganze klingt etwa wie eine Verschmelzung von Joy Divisions düsteren Postpunkwelten mit der Melodiösität und treibenden Energie von Hüsker Dü oder Dinosaur Jr, vielleicht auch etwas spätachziger-Sonic Youth. Vielversprechend.
*edit*
Ich lese gerade, dass diese Songs der gleichen Session entstammen wie die Amagosa EP, mein Gefasel wegen Weiterentwicklung und so stellt sich damit als Quatsch raus. Komisch, denn ich finde nach wie vor dass Haunted eine viel stärkere, reifere Platte als ihr Vorgänger ist.
Das derzeit vor sich gehende 90er Revival hab ich ja schon ein paar mal angesprochen. Hier ist eine Band, die schon 'ne Weile dieses Metier bearbeitet, aber bisher geößtenteils übersehen wurde. Ihr Sound ist eindeutig von den LoFi-Meisterwerken geprägt, die Guided By Voices in den frühen Neunzigern in Serie rausgehauen haben. Und warum auch nicht, in der aktuellen Indie-Landschaft ist noch eine menge Platz für gekonnten PowerPop dieser Machart und die Trefferquote ist hier höher als auf vielen Platten ihrer Vorbilder.
Clearance , eine noch ganz taufrische Band aus Chicago, haben sich scheinbar nur mit der Mission gegründet, den Sound und Spirit alter Pavement-Platten noch mal aufleben zu lassen. Und wer kann's ihnen auch verübeln, denn in den letzten 15 Jahren gab's wenig dergleichen. Und das hier klingt einfach nach einer sehr guten Pavement-Platte.
Mehr als nur vielversprechender Kurzspieler einer mehr als nur vielversprechenden Band aus Montreal. Klanglich durchaus in der nähe ihrer Landsleute Japandroids und P.S. I Love You zu verorten, aber auch eine gewisse nähe zu Hüsker Dü und diversen mittneunziger Emo Bands kann man ihnen nicht absprechen. Zeitgemäßer, euphorisch-melodischer Punkrock mit genug Feuer unter'm Arsch, der jedes Kitschfettnäpfchen gekonnt umschifft.