Eine sehr interessante und eigenwillige Veröffentlichung haben Great Western Plain aus Portland da rausgehauen, die sich mal wieder jeder Kategorisierung verweigert. Zusammenfassend kann man sagen, das sie eine Vorliebe für ausladende Jams und relaxte, flächige Gitarrenarrangements haben. Im Laufe der Platte streifen sie dann unter anderem monotonen Spacerock und Post Punk, noisiges Geschredder, alten Indierock frei nach Pavement oder Sebadoh, an spätachziger Sonic Youth-Platten erinnernde Gitarrenharmonien und entspannt vor soch hin rumpelnden Garagenrock. Das alles verschmilzt hier zu einem homogenen Ganzen, das sich kein Fan von psychedelisch angehauchtem, punkigem Krach entgehen lassen sollte.
Diese 45er Frisbeescheibe ist bei weitem meine am sehnlichsten erwartete Veröffentlichung des noch jungen Jahres. Ihr 2012er Album Dripping, auf dem die Bostoner ihren leicht grungigen Indie-/Noiserock um ausgeprägte Postcore-Elemente á la späte Fugazi oder die sträflich unbeachteten Faraquet erweiterte, zeigte eine Band die sich selbst gefunden hat und dabei noch ambitionierte und schlaue Songkonstrukte aus dem Ärmel schüttelte als würden sie sich sowas morgens auf's Brot schmieren.
Auf ihrem neuesten Output strecken sie sich noch deutlich weiter aus und strampeln sich endgültig frei von jeglichen Vergleichen, sie klingen mehr als je zuvor nach sich selbst. Das ganze bewegt sich wiederrum zunehmend weg vom Postcore hin zu ausufernden, geradezu progressiven Songstrukturen, aber keine Angst, hier gibt es kein selbstverliebtes Hippiegegniedel zu hören. Sondern zwei perfekt ausformulierte Kompositionen, die zusammen die epischsten und doch absolut bodenständigen zehn Minuten Indierock ergeben, die man in der aktuellen Musiklandschaft hören wird.
Wenn sie dieses Niveau bald noch auf einem Langspieler halten können, erwarte ich nicht weniger als einen handfesten Klassiker. Bis dahin schreiben andere Bands schon mal Konzept-EPs über sie. Kleiner Hinweis für alle, die vor den absurd hohen Portogebühren für die Scheibe zurückschrecken: Man kann die beiden Songs auf der Bandcamp-Seite einzeln als Download erwerben, auch wenn's den Komplettdownload nur im Bundle mit der 7" gibt.
Diese New Yorker Combo darf ruhig noch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen. Nach einer beinahe-Auflösung und einer langen Pause bringt uns Fleeting Youth Records jetzt ihr zweites Album, und das ist ein echtes Prachtstück geworden. Musikalisch bewegt sich das zwischen an Guided By Voices und Replacements erinnernden Indierock/Powerpop, und etwas düsterem Psych-/Retrorock mit einer angenehm garagigen Kante. Getragen von 10 überzeugenden Songs, schönen Gitarrenarrangements und der charismatischen Stimme von Sänger Eric Gilstrap, der zwischendurch auch mal einen geradezu Gothic-artigen Vibe einzubringen vermag.
Schöner Kurzspieler eines Londoner Trios, dessen Sound irgendwo im melodischen Punkrock der Mittneunziger zu verorten ist und geringfügig an der damaligen Indierock/Emo/Postcore-Schnittstelle kratzt. Auch leichte Grunge-und Shoegaze-Einflüsse sind zu verorten. Eine Platte also, die sich gemütlich zwischen den Stühlen platziert, aber trotzdem angenehm vertraut wirkt. Wie ein verschrobener alter Bekannter, der sich seitdem kein bisschen verändert hat.
Saumäßig relaxten, flauschig warmen Indierock beschert dieses New Yorker Trio, der aber trotzdem genug Beulen und Kanten aufweist um nicht zur glatten Wohlfühlbeschallung zu verkommen. In einigen Momenten erweckt die Platte Assoziationen an die Garagenpopper King Tuff, kommt aber ganz gut ohne deren Retro-Elemente aus. Eine ausgesprochen sonnige Angelegenheit ist das rein Musikalisch, gekontert durch einen kleinen Anflug von Tod und Verderben in den Lyrics. Damit wir auch ja nicht zu gut drauf kommen.
Wenn man ernsthaft versucht sich durch die Medienflut unserer Zeit zur guten Musik durchzuwühlen, muss man schnell und effizient Filtern können. Dabei geht einem zwangsläufig auch einiges gutes durch die Lappen. Durchschnittlich bekommt ein Stream weniger als zehn Sekunden, bevor ich ihn wegskippe, manchmal reicht auch der erste Ton um schon auf den Wegwerfbutton zu klicken. Das aktuelle Tape der New Yorker Baked wäre auch fast schon nach so zwei Sekunden in meiner virtuellen Müllhalde des ewigen Vergessens gelandet; das nicht gerade subtile Tremologeschrabbel mit dem die EP eröffnet, deutete ich sofort als Indikator für einen weiteren uninspirierten Schoegaze-Mitläufer. Aber weit gefehlt, die Band ist vielmehr im psychedelischen Pop á la Crystal Stilts zuhause. Gut dass der Laptop gerade im richtigen Moment außer Reichweite war.
…und wieder mal launiger Pavement-Gedenk-Indierock. Oder wahlweise auch an GBV oder Archers of Loaf erinnernd. Diesmal von einer noch nicht mal so richtig volljährigen Band aus dem englischen Hertfordshire. Unter der vertrauten Oberfläche verbergen sich aber vier brilliante, stimmige (Power-)Popsongs. Zeitlos und schön.
"I like cats. Do you like cats? Of course you do, you sassy motherfucker." Willkommen in den Neunzigern, mal wieder. Wer den überwiegenden Teil seiner Jugend dem jetzt wieder ach-so-hippen Jahrzehnt verbracht hat, bekommt natürlich sofort angenehme Flashbacks angesichts des nonchalanten, neunmalklugen Humors, den Sängerin Leah Wellbaum auf dem neuen Langspieler des Trios aus Boston zum besten gibt. Auch wenn ich mich noch nicht wirklich aufmerksam mit den Lyrics beschäftig hab, von den Textfetzen die bisher zu meinem reizüberfluteten und immer abgelenkten Denkapparat vorgedrungen sind, kann ich ihr eine selten gewordene Beobachtungsgabe und erzählerisches Talent attestieren, da verbirgt sich wohl noch eine Menge emotionaler Sprengstoff in ihren Texten, für die ich mir mal noch etwas Zeit nehmen muss.
Die Musik weiß auch zu begeistern. Wer den bodenständigen und ehrlichen Indie Rock der mittneunziger noch kennt und ins Herz geschlossen hat, kommt hier voll auf sene Kosten. Zu nennende Einflüsse sind da vor allem Built to Spill, späteres Dinosaur Jr-Zeugs und manchmal klingen auch Weezer zur Pinkerton-Zeit an. Hat einen leichten Hang zu hymnischen Singalongs, trotz hochwertiger Produktion genug Dreck unter den Fingernägeln und weiß auch in den ruhigeren Momenten vollends zu überzeugen. Tolle Platte. Wäre wünschenswert, dass sie vom aktuellen Retro-Trend ein wenig profitieren und ein ähnliches Maß an Beachtung bekommen wie es etwa Speedy Oritz oder Yuck widerfahren ist. Wenn schon rumhypen, dann wenigstens die Bands die es auch richtig verdienen.
Radar Eyes aus Chicago haben gleich zwei neue 45er am Start. Ihr selbstbetiteltes Album von 2012 ist mir noch gut in Erinnerung, damals bewegte sich die Band noch etwas ungelenk im Spannungsfeld von Garagenrock, Postpunk und auch etwas Dreampop & C86-Gedöns.
Seitdem hat sich in der Besetzung ein wenig was gedreht und mit neuen Leuten kam auch etwas Bewegung in ihre Musik. Ich bin mehr als nur angetan von der Entwicklung hin zu einem deutlich gereiften, erwachseneren Sound, den sie auf den beiden Kurzspielern präsentieren. Vier starke, ausgereifte Songs, die sich gar nicht mehr hinter einer Wand aus Krach verstecken müssen, erstrahlen hier in einem deutlich entschlackten, nichts desto trotz treibenden und rauhen Klanggewand.
Die in Eigenregie veröffentlichte Community / Fall Into Place 7" zeigt die Band dabei von ihrer etwas melancholisch-melodischeren Seite, etwa wie eine Verquickung der Wipers mit den poppigeren Nummern von Mission of Burma.
Die auf Hozac erschienene Positive Feedback 7" gibt sich dann wieder etwas lärmender, zwischentöne á la Saints oder spätere Gun Club meine ich hier heraus zu hören.
Für März ist ein neues Album angekündigt, ich bin schon saugespannt drauf.
Wenn die ehemalige Indie-Autorität ihre namensgebende Mistgabel mal wieder zum aufspießen einer lauten Gitarrenband in Form eines beinahe-Verrisses zur Anwendung bringt, kann man fast darauf wetten dass ich drauf abfahre. So auch im Fall der Solids aus Montréal, deren treibenden Noisepunk sie als zu simpel und langweilig abtun. Nun ist das besagte Magazin in letzter Zeit ja auch eher dafür bekannt, jeden mittelmäßigen Elektropop-Act oder aufstebenden Kommerzrapper zum nächsten großen Ding zu ernennen, der Bezug zu treibendem Gitarrenkrach ist den Schreibern dort schon vor vielen Jahren abhanden gekommen. Das erklärt wohl auch das Problem des Rezensenten, die eigentliche Stärke des Albums zu erkennen, das Fleisch des ganzen liegt nämlich in dem (genau!) simplen aber effektiven und immer stimmigen Gitarrengeschrammel, hinter dem die eher unauffälligen Gesangsmelodien zurecht in den Hintergrund treten müssen um die melodischen Krachattacken umso mehr erstrahlen zu lassen. Wie zurecht angemerkt, wagen Solids keine Experimente, üben sich vielmehr in Indierockiger Formvollendung. Hier wird nicht eine überflüssige Note gespielt, dafür immer genau die richtige. Irgendwann verwischen bein Hörer etwas die Grenzen zwischen den Songs, die Platte spült in ihrer homogenen Wucht wie eine riesige Welle über den entzückten Hörer. Trotzdem leisten sie sich in den einzelnen Songs keine Schwächen, jeder davon kann auch für sich selbst stehen.
Als Einordnungshilfen muss man zwangsläufig mal wieder Japandroids und No Age anführen oder die (noch) recht unbekannten Weed aus Vancouver. Auch Dinosaur Jr. oder Sonic Youth blitzen mal durch und eine gewisse Nähe zum Emocore der frühen Neunziger hört man ganz klar raus. Wer mit derartigem melodischem Krach etwas anzufangen weiß, wird mit dieser Platte noch lange seinen Spaß haben.