"I like cats. Do you like cats? Of course you do, you sassy motherfucker." Willkommen in den Neunzigern, mal wieder. Wer den überwiegenden Teil seiner Jugend dem jetzt wieder ach-so-hippen Jahrzehnt verbracht hat, bekommt natürlich sofort angenehme Flashbacks angesichts des nonchalanten, neunmalklugen Humors, den Sängerin Leah Wellbaum auf dem neuen Langspieler des Trios aus Boston zum besten gibt. Auch wenn ich mich noch nicht wirklich aufmerksam mit den Lyrics beschäftig hab, von den Textfetzen die bisher zu meinem reizüberfluteten und immer abgelenkten Denkapparat vorgedrungen sind, kann ich ihr eine selten gewordene Beobachtungsgabe und erzählerisches Talent attestieren, da verbirgt sich wohl noch eine Menge emotionaler Sprengstoff in ihren Texten, für die ich mir mal noch etwas Zeit nehmen muss.
Die Musik weiß auch zu begeistern. Wer den bodenständigen und ehrlichen Indie Rock der mittneunziger noch kennt und ins Herz geschlossen hat, kommt hier voll auf sene Kosten. Zu nennende Einflüsse sind da vor allem Built to Spill, späteres Dinosaur Jr-Zeugs und manchmal klingen auch Weezer zur Pinkerton-Zeit an. Hat einen leichten Hang zu hymnischen Singalongs, trotz hochwertiger Produktion genug Dreck unter den Fingernägeln und weiß auch in den ruhigeren Momenten vollends zu überzeugen. Tolle Platte. Wäre wünschenswert, dass sie vom aktuellen Retro-Trend ein wenig profitieren und ein ähnliches Maß an Beachtung bekommen wie es etwa Speedy Oritz oder Yuck widerfahren ist. Wenn schon rumhypen, dann wenigstens die Bands die es auch richtig verdienen.
Mit einem Jahr Verspätung stoße ich auf dieses Trio aus Atlanta, Georgia. Schön erbarmungsloser Noise-/Postpunk, simpel und effektiv, kurz und schmerzhaft. Zwischendurch scheint aber auch mal die eine oder andere sonnige Pixies-Melodie durch.
Radar Eyes aus Chicago haben gleich zwei neue 45er am Start. Ihr selbstbetiteltes Album von 2012 ist mir noch gut in Erinnerung, damals bewegte sich die Band noch etwas ungelenk im Spannungsfeld von Garagenrock, Postpunk und auch etwas Dreampop & C86-Gedöns.
Seitdem hat sich in der Besetzung ein wenig was gedreht und mit neuen Leuten kam auch etwas Bewegung in ihre Musik. Ich bin mehr als nur angetan von der Entwicklung hin zu einem deutlich gereiften, erwachseneren Sound, den sie auf den beiden Kurzspielern präsentieren. Vier starke, ausgereifte Songs, die sich gar nicht mehr hinter einer Wand aus Krach verstecken müssen, erstrahlen hier in einem deutlich entschlackten, nichts desto trotz treibenden und rauhen Klanggewand.
Die in Eigenregie veröffentlichte Community / Fall Into Place 7" zeigt die Band dabei von ihrer etwas melancholisch-melodischeren Seite, etwa wie eine Verquickung der Wipers mit den poppigeren Nummern von Mission of Burma.
Die auf Hozac erschienene Positive Feedback 7" gibt sich dann wieder etwas lärmender, zwischentöne á la Saints oder spätere Gun Club meine ich hier heraus zu hören.
Für März ist ein neues Album angekündigt, ich bin schon saugespannt drauf.
Wenn die ehemalige Indie-Autorität ihre namensgebende Mistgabel mal wieder zum aufspießen einer lauten Gitarrenband in Form eines beinahe-Verrisses zur Anwendung bringt, kann man fast darauf wetten dass ich drauf abfahre. So auch im Fall der Solids aus Montréal, deren treibenden Noisepunk sie als zu simpel und langweilig abtun. Nun ist das besagte Magazin in letzter Zeit ja auch eher dafür bekannt, jeden mittelmäßigen Elektropop-Act oder aufstebenden Kommerzrapper zum nächsten großen Ding zu ernennen, der Bezug zu treibendem Gitarrenkrach ist den Schreibern dort schon vor vielen Jahren abhanden gekommen. Das erklärt wohl auch das Problem des Rezensenten, die eigentliche Stärke des Albums zu erkennen, das Fleisch des ganzen liegt nämlich in dem (genau!) simplen aber effektiven und immer stimmigen Gitarrengeschrammel, hinter dem die eher unauffälligen Gesangsmelodien zurecht in den Hintergrund treten müssen um die melodischen Krachattacken umso mehr erstrahlen zu lassen. Wie zurecht angemerkt, wagen Solids keine Experimente, üben sich vielmehr in Indierockiger Formvollendung. Hier wird nicht eine überflüssige Note gespielt, dafür immer genau die richtige. Irgendwann verwischen bein Hörer etwas die Grenzen zwischen den Songs, die Platte spült in ihrer homogenen Wucht wie eine riesige Welle über den entzückten Hörer. Trotzdem leisten sie sich in den einzelnen Songs keine Schwächen, jeder davon kann auch für sich selbst stehen.
Als Einordnungshilfen muss man zwangsläufig mal wieder Japandroids und No Age anführen oder die (noch) recht unbekannten Weed aus Vancouver. Auch Dinosaur Jr. oder Sonic Youth blitzen mal durch und eine gewisse Nähe zum Emocore der frühen Neunziger hört man ganz klar raus. Wer mit derartigem melodischem Krach etwas anzufangen weiß, wird mit dieser Platte noch lange seinen Spaß haben.
Ein kurzer Versuch die Fakten zu entwirren:
1. Krill sind eine Indierock-/Postcore-Band aus Boston, ihre hier besprochene neue EP erschien soeben.
2. Pile sind eine weitere Indierock-/Postcore-Band aus Boston. Ihre neue 7" "Special Snowflakes / Mama's Lipstick" erscheint im März.
3. Steve ist ein Charakter aus einem Pile Song. Er ist auch Gegenstand der Krill-EP "Steve hears Pile in Malden and Bursts into Tears".
4. Die Konzept-EP Steve Hears Pile in Malden and Bursts into Tears handelt davon wie Steve die Erkenntnis, ein Charakter aus einem Pile-Song zu sein, in eine schwere existenzielle Krise stürzt.
Alles verstanden? Ok, dann können wir ja jetzt zur Begutachtung der Musik übergehen. Die erweist sich als eine zeitlose Mischung aus 90er Indie-Ikonen wie etwa Pavement oder Chokebore und dem vertrackten, intelligenten Sound den das Washingtoner Dischord-Lager etwa zur gleichen Zeit so hervorbrachte. Und die auf der Platte besungene Band liegt auch nicht ganz fern als Referenz. Weil Krill aber nicht nur ihr Genre souverän meistern, sondern dies auch auf der Grundlage von fünf durch und durch stimmigen Songs bewerkstelligen, ist diese Platte weit davon entfernt, lediglich ein weiterer Beitrag zu der bald zu erwartenden Übersättigung an derzeit so angesagten Neunziger-Wiederkäuern zu sein. Das hier ist eine Platte mit haufenweise Substanz, eingespielt von einer selbstbewussten Band, die auch den neuesten Trend überleben wird. Und die andere Bostoner Band auch. Deren letzten Langspieler Dripping muss man dringend mal gehört haben.
Split-Singles, -Alben und -EPs sind doch alt und langweilig. Wie wär's mal mit einem anderen fast vergessenen Format? Die zwei Bands aus Oakland liefern sich anlässlich ihrer anstehenden gemeinsamen Tour auf dieser bei Fuzz City Records erschienenen Cassingle ein kleines Song-Duell. Das Ergebnis ist ein klares unentschieden, beide Songs werden Freunden des oldschooligen, punkinfizierten Powerpop ein zufriedenes Lächeln entlocken.
Dieses Duo aus Oakland überrascht mit einer sehr ausgereiften Debüt-EP. Könnte man irgendwo zwischen den Eckpfeilern Postcore und -punk, Noise und etwas derberem Shoegaze einordnen. Erinnert mich auch sehr positiv an die hier schon gefeatureten Wild Moth. Es ist genau die Art von Gratwanderung zwischen Krach und Melodie, Aggression und Melancholie, die mich immer von neuem anfixt. Gut gemacht.
Ungemein rockender Siebenzöller der Band aus Murray, Kentucky. Oszilliert irgendo zwischen noisigem Garagenpunk und garagigem Noisepunk. Setzt meinen Denkapparat kurzzeitig ausreichend außer Betrieb um selbst die nervtötenden Whoo-hoo's im letzten Song wohlwollend zu ignorieren.
Jetzt erstmal tief Luft holen, denn dieser Post wird zwangsläufig in einer einzigen Namedropping-Orgie enden. Kicking Spit kommen aus dem kleinen Kuhdorf New Brunswick im Bundesstaat New Jersey und in so einer Umgebung bleibt ja gerne mal die Zeit etwas stehen. Passend dazu klingt ihre Musik nach so ziemlich allem was so zwischen '85 und '95 ordentlich Krach und Laune gemacht hat. Am stärksten vertreten wären da erst mal die melodischen Gitarrenwände von Hüsker Dü und Dinosaur Jr. Dann gibt's noch ein paar kleine Hardcore-Attacken, Melvins-Riffs, gewisse Grungeanleihen, frühneunziger Noiserock á la Fudge Tunnel oder Green Magnet School, Superchunk-Melodien und auch die frühe Emo-Phase klingt etwas an. Alles mit drin.
Damit positionieren sie sich in der Nähe von aktuellen Bands wie California X und Milk Music, verstecken brauchen sie sich vor denen aber überhaupt nicht. Negative Feedback ist eine wahnsinnig spaßige Platte, randvoll mit melodischem Krach, die besagten Bands in nichts nachsteht. Die rohe Produktion, die so klingt als wäre sie vom dreckigen Boden eines halbleeren Clubs aufgemopt worden, veredelt die ganze Angelegenheit dann noch vollends. Die Platte kam schon letzten Sommer raus, aber niemand hat's da wirklich mitgekriegt. Ich auch nicht. Käme die Band aus Los Angeles oder sonst irgendeiner angesagten Metropole, hätten sich bestimmt schon alle drauf gestürzt. Bleibt zu hoffen, dass sie in nächster Zeit doch noch ihr Publikum finden.
Die begrüßenswertesten Entdeckungen scheinen immer aus dem Nichts zu kommen. Auf diese wundervolle EP der Band aus dem kanadischen Ottawa wäre ich von alleine nie gestoßen, wenn nicht die fleißigen Leute von Weird Canada so aufmerksam den dortigen Musikuntergrund beobachten und dokumentieren würden. Kings Quest spielen schammeligen und melodischen Indie Rock, der oberflächlich zwar aus der aktuellen Indie-/Dreampopp-Trickkiste schöpft, aber doch ganz einzigartig klingt und angenehm wenig mit dem derzeitigen Zeitgeist konform geht. Prägendes Element sind die mehrstimmigen, für rockfixierte Ohren doch eher ungewöhnlichen und vermutlich auch ein wenig in der klassischen Musik geschulten Gesangsharmonien der beiden Sängerinnen, gekonntert von einer leicht exzentrischen Spielart flotten Jangle Pops, welcher der Schönheit der Songs immer die richtigen Dissonanzen entgegen zu halten weiß und die melancholische Grundstimmung noch weiter in den Vordergrund rückt. Musik wie aus einer längst vergessenen Zeit, in einer unerforschten Parallelwelt voller seltsamer, beängstigender Schönheit.