Melkbelly aus Chicago schrammen gelegentlich haarscharf an populären Spielarten modernen Indierocks vorbei, bei denen ich ob ihrer übertriebenen Schwurbelig- und Seichtigkeit normal Eimerweise kotzen könnte. (Erwartet jetzt keine Namen, irgendwas mit Vampiren oder so… unter anderem.) Diesen bedauernswerten Eigenschaften des neuzeitlichen Indiebreis entziehen sie sich aber erfolgreich unter exzessiver Zuhilfenahme von Noise, Fuzz und gewitzten Arrangements.
Auch 'n guter Stunt: Einfach mal deine Freunde weiterempfehlen. Bei genau einer Reaktion auf die Aktion vor gut einer Woche fiel die Auswahl natürlich eher leicht. Und da jubelt mir doch tatsächlich so'n Typ mit offensichtlichen Connections zu einem mittelbekannten Onlinemagazin und räumlichen Connections zu Solingen die erste Veröffentlichung der dort ansässigen Postpunker Die Wirklichkeit unter. Respekt vor so viel lokalem Szenesupport… oder spielt der Scherzkeks gute Mann da etwa auch selbst mit? ;-)
Das ist wohlbemerkt nicht das erste mal, dass jemand mir diese Band nahe legt. Warum mein Desinteresse bisher? Nun ja, wo gehobelt wird fallen halt Späne, und wenn man sich allwöchentlich durch hunderte von größtenteils überflüssigen Releases schnell durchwühlt, übersieht man halt auch das eine oder andere Juwel.
Im Falle von Die Wirklichkeit lag das wohl an meiner vorschnellen Assoziation mit der momentan so gehypten Welle deutscher Postpunkbands á la Messer oder Die Nerven, welche ich keineswegs schlecht finde, aber auch nicht den Medienwirbel wert; abgesehen vom Alleinstellungsmerkmal (naja…) nicht ganz dummer deutscher Texte halte ich jene lediglich für ganz ordentlichen Genredurchschnitt.
Aber jetzt kann ich mich natürlich nicht mehr da rausreden, mir endlich mal Zeit für die Platte zu nehmen. Und Überraschung: Ich kann ihr so einiges abgewinnen. Die Vergleiche zu besagten Bands hinken doch gewaltig, Alles nur Psyche ist weit entfernt von 08/15-Genrekost. Der Pool aus dem sie zu schöpfen scheinen geht nämlich bei weiten über die üblichen Verdächtigen des Postpunkkanons hinaus und erstreckt sich unter anderem auch in Richtung alter Indieschrammler von Pavement über Sonic Youth bis hin zu The Fall. Und die abwechselnd mal eher kryptisch verschwurbelten, mal geradezu schmerzhaft überdeutlichen Texte machen sie zu sowas wie den Blumfeld des deutschen Postpunks, deren Frühphase sie auch Musikalisch nicht ganz fern stehen. Die sind dann aber auch der einzige Kritikpunkt, der hier und da meine Begeisterung etwas bremst. An einigen Stellen bräuchten Lyrics und Gesang einfach noch etwas Feinschliff.
Nichts desto trotz, ein ausgezeichnetes Debüt, meilenweit über "Nicht schlecht für eine deutsche Band", das unglaublich Lust auf zukünftige Schandtaten macht.
Über die Wiederveröffentlichung des uralten Tapes Welcome To The Planet, Mother Fucker auf dem australischen Label Space Ritual bin ich auch auf's aktuelle Album der Band aus Massachussets gestoßen. Besagtes Tape ist angenehm ungeschliffener (mancher würde sagen: dilletantischer) Garagenpunk, der die rauhe Energie von Dead Moon, Stooges oder auch mal Wipers channelt. Die grandios-schlecht dahingerotzte Version von Jumping Jack Flash ist dann noch noch mal ein ganz eigener Schock.
Auf dem neueren Album Confused hat sich die generelle Marschrichtung nicht allzu stark verändert. Die Produktion immer noch angenehm schrottig, spielen sie jetzt vielleicht etwas unfallfreier, verweigern sich aber ansonsten jeglichem Fortschritt. Großartig!
Stockdüsteren, kompromisslosen Postpunk-Krawall geben Cadaver Em Transe aus São Paulo von sich. Das ganze kommt sehr oldschoolig rüber, mit starkem Verdacht auf Hardcore-Wurzeln und Goth-Affinität. Gelegentlich versuchen sie sich auch mal an charmant kaputtem Englisch. Das erinnert ab und an mal an Criminal Code oder die Briten Autobahn, ist aber eigenständig genug um nicht im aktuellen Überangebot an genreverwandten Bands unterzugehen. Und nix mit Kopenhagen-Namedropping diesmal.
Bicycle Day aus Berkeley spielen extra simplen, leicht psychedelischen Garagenrock frei von überflüssigem Scheiß, dafür mit hohem Twang-Faktor und ein bisschen Surfbrettfeeling. Braucht man keinen Schulabschluss, das zu verstehen.
Irgendwo im kanadischen nirgendwo (Regina muss wohl sowas wie das Bielefeld Kanadas sein) haben These Estates ihre Zeitmaschine stehen und wann immer sie ihre Klampfen einstöpseln, wirft sie das Ding zurück ins Jahr 1993, so plusminus zwei Jahre Toleranz. Die Tonkonserven, die von ihren Reisen zurückbleiben, enthalten ultra-eingängigen Indierock irgendwo zwischen den Eckpunkten Pavement, Superchunk, Archers of Loaf.
Mal wieder Bock auf etwas Sprachbarriere? Ich darf vorstellen: Die Mazedonischen Leatherface! Oder so ähnlich. Der Einfluss der Britischen Kultband ist schon nicht zu überhören, aber auch von den anderen großen Einflussfaktoren für besseren Melodischen Punkrock wie etwa Hüsker Dü, Dinosaur Jr und Samiam in der Clumsy-Phase haben sie sicher eine Scheibe abgeschnitten. Dabei steuern sie das ganze aber in eine deutlich melancholisch verträumtere Richtung und der der Produktionsstil lässt bei den langsameren Songs auch eine leichte Shoegaze-Atmosphäre aufkommen.
Die Garagenpostpunker Teenanger aus Toronto legen ein recht zügiges Arbeitstempo vor. Ziemlich ganau ein Jahr nach dem ausgezeichneten Singles Don't $ell haben sie jetzt ihre aktuelle LP, EP oder EPL oder watt auch immer für'n Dings am Start. Und genau wie schon auf dem Vorgänger kann man hier wieder eine graduelle Verfeinerung der Rezepturen beobachten. Der Noise ist weiter in den Hintergrund getreten und ein besser kanalisierter Energiehaushalt erlaubt es ihnen die Füße öfter mal vom Gas- und Fuzzpedal zu lassen, ohne dabei an Druck einzubüßen.
Schon länger keinen räudigen, dissonanten Noiserock mehr im Programm gehabt. Deshalb hier ein bisschen älterer Shit, der räumlich weder mit Washington noch Minneapolis was am Hut hat, sondern dem australischen Newcastle entspringt. Aber soundmäßig trotztem exakt den Sweet Spot zwischen Dischord und AmRep trifft.
Whoa, in welchem schlecht beleuchteten Kellerloch in Chicago gedeihen denn solche hypnotischen Grooves? Dieser garagig abgefuzzte Space-Drone-Blues gibt sich streckenweise derart mimimalistisch und benebelt, dass man sich fragt ob die alle ihre Instrumente einhändig spielen.