Nachdem Drool aus Chicago in den letzten zwei bis drei Jahren mit ein paar EPs schon ordentlich Appetit gemacht haben, gibt's jetzt den ersten Hauptgang auf die Ohren. Nach wie vor haben wir es mit verwinkeltem Post Punk der Sorte Rank Xerox, Marbled Eye, Labor oder Kommissars zu tun, der sich recht strikt an die etablierten Genremuster hält, seine Sache dabei aber auch durchweg kompetent ausführt. Das meiste Wachstum gegenüber den EPs zeigen sie aber immer in den Momenten, wenn sie sich ein bisschen Melodie trauen. Diese Augenblicke sind der Faktor, mit dem sie sich etwas von guten Genrestandard absetzen können und wenn das die Richtung ist in die es jetzt gehen soll, dann darf man echt gespannt sein auf die nachfolgenden Releases.
Geht sofort ins Blut, die Debüt-EP einer Pariser Band, deren Mitglieder sonst in den Besetzungen von Bootchy Temple und Joujou Jaguar anzutreffen sind. Makellosen Powerpop gibt's darauf zu hören irgendwo zwischen 80er/90er Sarah Records Sound und dem neuseeländischen Flying Nun-Umfeld, der auch aktuell ganz gut mit Bands wie Scupper, Persian Leaps oder Lovebirds zusammen passt.
Noise Rock und Sludge Punk aus Denton, Texas. Klar ist das nichts neues unter der Sonne und einige werden sicher schon mit den Augen rollen wenn ich erwähne, dass die ein bisschen nach der allseits beliebten Oldies-Kapelle Jesus Lizard klingen. Also hier: Die klingen etwas nach Jesus Lizard. Siehste? Schon sind 'se am rollen. Vereinzelt spülen auch die ebenso unvermeidlichen, frühen Shellac an die Oberfläche oder ein Hauch von Slug. Aber ziemlich gut ist das eben auch, bringt beachtlichen Wumms und eine angenehm räudig-rustikale Kante mit.
Erfreuliche Geräusche gibt's aus der Synthpunk-Ecke zu vermelden. Mal wieder aus Australien, war ja klar. Aber diesmal klingt das so gar nicht nach dem heimischen Ausmuteants-Umfeld, sondern eher nach der verschrobenen LoFi-Ästhetik von US-Bands á la Wonder Bread, Channel 83 oder C57BL/6. Ist gekauft.
Garage Punk mit deutschen Lyrics ist aus irgendeinem Grund ja eine ziemlich rare Angelegenheit und genau das macht diese Debüt-EP einer Band irgendwo aus Niedersachsen zu einer erfrischenden Anomalie. Musikalisch hält sich das am psychedelisch-spacerockigen Rand des Genrespektrums auf, erinnert mit seinen massiven Reverb- und Feedbackorgien z.B. an Destruction Unit oder die an dieser Stelle neulich zu bewundernden Australier Wash, aber auch große Teile der kalifornischen Dwyer-Connection sind als Vergleich nicht ganz fehl am Platz. Zudem weckt ein leicht postpunkiger Unterton in Verbindung mit den minimal aber deutlich gehaltenen Texten Assoziationen zum Stuttgarter Unbehagen. Sauber!
Nachdem die Noisecombo aus Louiseville, Kentucky vor ein paar Jahren mit ihrem Debütalbum UFO Rot bereits einen starken ersten Eindruck hinterlassen hat, hab ich die Band erstmal etwas aus den Augen verloren bis eine Split 7" mit den Italienern Brutal Birthday wieder meine Aufmerksamkeit geweckt hat. In der Zwischenzeit hat ihr Sound aus Noise Rock, Sludge Punk, Postcore und einer rauen Garagenkante ganz schön an Wucht und Bestimmtheit dazugewonnen und erinnert mich mal an eine zugänglichere Variante von Nearly Dead, verquickt mit jeder Menge alter Hot Snakes, ein paar subtilen Sonic Youth-Momenten, der Dissonanz von Spray Paint und dem kompromisslosen Druck von Metz. Bin überzeugt.
Was muss ich dazu denn noch groß erzählen? Eine neue Cassingle mit zwei mal neuem Kraftfutter der Hammerköpfe! Also dreht ordentlich auf und schaut den eigenen Extremitäten dabei zu, wie sie in nervöses Zucken ausbrechen.
Der Name dieser Band aus San Francisco hat möglicherweise aus reinem Zufall die gleichen Vokale wie Fugazi, aber das würde mich wundern. Klingt ihr Postcore doch etwas wie ein Querschnitt durch den Dischord-Katalog - vom derben Hardcore der Gründungszeit bis zu den komplexeren Sounds der darauf folgenden zwei Jahrzehnte. Dazu kommen noch ein paar Tropfen Bad Brains - wiederum aus beiden Phasen, in denen die noch gut waren - und ein bisschen Garagenknarz. Überhaupt unterscheidet sich die EP von den meisten aktuellen Veröffentlichungen des Genres durch eine rohe, ungestüme Energie, wo andere Bands eher Disziplin walten lassen. Erfrischend finde ich das.
Eine verdammt notwendige Compilation von Shawn Foree und seinem großartigen Synthpunk-Projekt Digital Leather ist seit kurzem vom Düsseldorfer Label Stencil Trash Records zu bekommen. Forees Musik sauge ich mir seit anderthalb Jahrzehnten mit dem Strohhalm rein und hab immer noch nicht genug davon. Da kommt es gelegen, dass FEEET überwiegend die obskureren Ecken seiner umfangreichen Diskografie plündert. Die meisten dieser Songs sind irgendwann mal auf diversen Tapes erschienen und viele sind nun erstmals Digital und auf Vinyl zu bekommen. Nur ein Teil davon war mir bislang geläufig und einige derjenigen, die ich schon kenne hätte ich gerne mal in digitaler oder physischer Form gehabt. Einen Track hier kennt nicht mal Discogs.
Das ganze klingt keineswegs nach Krümeln vom Tisch, sondern ergibt in der Summe ein sehr starkes und homogenes Album. Wer also einen guten Einstieg in die gleichzeitig so quirlige wie auch zappendustere Welt von Digital Leather sucht wird hier fündig. Außerdem Pflichtprogramm für diejenigen, die zwar mit Forees Werk vertraut sind, aber nicht schon seit 15 Jahren auf obskuren Labels erschienene Kassetten aus den Staaten importieren. Und auf wen keines der beiden Kriterien zutrifft, der sollte hier hier dennoch zugreifen, weil das Teil einfach eine von Anfang bis Ende brilliante Platte ist.
Blooming Season kommen aus Montreal, spielen aber im Kontrast dazu eine Mischung aus Postcore - der eher nach Washington und Chicago klingt - und Post Punk der tendenziell recht zugänglichen, aber keineswegs zahmen Sorte, dem ich mal eine gewisse Nähe zur aktuellen britischen Szene unterstellen würde. Im Titelsong der EP wird darüber hinaus ein Drama in Cinemascope ausgerollt, das an Protomartyr oder Bambara erinnert. Überhaupt ist das eine abwechslungsreiche und dabei nahezu makellose Viertelstunde, in der kein Song wie der andere Klingt.