Donnerstag, 18. Januar 2018 | Sonstiger Scheiß
Ja, ich weiß. Das kommt jetzt mal ordentlich spät. Und eigentlich wollte ich schon länger mal ein ausführliches Update zum Stand der Dinge in Sachen 12XU vom Stapel lassen, aber ehrlich gesagt fehlt mir derzeit sowohl die Zeit als auch die Geduld dazu. Deshalb werde ich hier einfach mal im Schnelldurchlauf ein paar Eindrücke, Infos, Bits and Pieces los.
First things first:
Das Musikjahr 2017.
Ich musste mir zum Jahresende viel Geheule anhören über ein sehr schwaches Jahr 2017. In der Tat hat letztes Jahr niemand eine musikalische Revolution im Rock'n'Roll ausgelöst, aber mal ehrlich: Wann ist das denn zum letzten mal passiert? Punk und Noise und Whatever-Core bewegen sich im gemächlichen Tempo weiter, aber sie bewegen sich. Überall auf der Welt sind tendenziell eher kleine, aber intakte Musikszenen am Start und ich kann mich nicht über mangelnde Qualität beschweren. Überhaupt ist mir - zumindest was die Musik angeht - noch kein schlechtes Jahr begegnet. Man muss nur die Augen aufhalten und selbst nach dem guten Zeug wühlen.
Und genau da liegt glaube ich der Hund begraben. Die etablierten Magazine interessieren sich halt nicht mehr für Lärm, Punkt. Viele der 12XU-relevanten Blogs haben mit der Zeit dicht gemacht und es ist schon etwas erschreckend, wie schnell einstmals abenteuerlustige Magazine á la Pitchfork und Impose den Bach runtergegangen sind und ihrer ursprünglichen Leserschaft den Rücken zugewandt haben. Klar kann man da den Eindruck bekommen, dass in den Kellern und Proberäumen nicht mehr viel geht. Neue Musik zu entdecken fühlt sich auch für mich immer mehr nach Arbeit an, weil niemand mehr dabei hilft, die Veröffentlichungsflut vorzufiltern. Und jetzt kommt mir nicht mit Fakebook, Shitter und anderen Konzernen, die das ganze Web zu verschlucken drohen. Ich hab ehrlich die Schnauze voll davon und überlege ernsthaft, im Laufe des Jahres alle Accounts zu löschen. Das ist zwar irgendwie auch scheiße, weil mir da ein sehr zentraler Kommunikationskanal verloren geht. Aber irgendwer muss ja mal den Anfang machen. Ich hab prinzipiell ja nix gegen Soziale Netzwerke. Wie wär's, wenn alle einfach mal auf Diaspora umsatteln? Da muss man sich nicht von ätzenden Konzernen ins Bier pissen lassen.
Aber ich komme vom Thema ab: Die Musik.
Ich mach hier jetzt keine Bestenliste, das halte ich eh für Murks. Musik zu ranken ist immer wie Äpfel mit Mikrochips zu vergleichen. Stattdessen hab ich einfach mal ohne den Anspruch auf Vollständigkeit ein paar Veröffentlichungen rausgepickt, die bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Kann durchaus sein, dass irgendwo noch etwas vom Vorjahr dabei ist. Ich check das jetzt nicht einzeln ab, ok? Auch die Kategorisierung ist grundsätzlich ja immer Bullshit und liegt außerdem im Auge des Betrachters. Viel will ich dazu auch nicht schreiben, ihr müsst schon selbst auf die Links klicken.
Okay, here goes…
In einer eigenen Liga spielen derzeit die zunehmend gottgleichen Protomartyr, die einfach jedes bisschen Aufmerksamkeit verdient haben, das ihnen inzwischen auch entgegen gebracht wird. Nuff said.
Post Punk
Wirklich aus den Socken gehauen - und das auf ziemlich unterschiedliche Weise - haben mich letztes Jahr die Platten von Negative Space, Italia 90 und Behavior. Besonders letztere möchte ich euch noch mal ganz besonders ans Herz legen, denn es ist echt kriminell, wie wenig diese - zugegeben, recht sperrige - Platte bisher beachtet wurde. Außerdem gab es unter anderem noch unverschämt starke Alben von Institute, Shit Giver, Sievehead, Death Stuff und Dasher.
Power Pop, Melodischer Indierock & Noise Pop
Absolute Nachholpflicht besteht für alle, die die neuen Platten von Bed Wettin‘ Bad Boys, Michael Beach oder Lost Ballons noch nicht begutachtet haben. Außerdem gab's da noch exzellentes Zeug u.a. von Monster Treasure, Landlines, Molly, Milked, Pardoner.
Garage Punk
Wirklich gut in die Scheiße haben 2017 Jackson Reid Briggs und seine Heaters mit gleich zwei verdammt geilen Alben gehauen (#1, #2). Müsste ich mich für ein Garagen-Lieblingsalbum entscheiden, dann würden wohl die wunderbar schrägen Wireheads und ihr bislang stärkstes Album den goldenen Arschtritt mit Exotenbonus bekommen. Der unermüdliche Connie Voltaire (Neo Neos, etc.) hat mich auch mal wieder mit einer ganzen Reihe von Kurzspielern desorientiert. Und dann waren da zum Beispiel noch: David Nance, The Cowboy, Vaguess, Wild Rose, Plax.
Hardcore Punk
Hardcore ist ja generell nicht so meine Kernkompetenz, aber Arse und ROHT haben mir ganz ordentlich in die Klöten getreten. Außerdem brachten Anxiety und Acrylics mit Nachdruck meine Zehenspitzen zum wippen.
Noise Rock / Postcore
Starkes Zeug gab's - neben vielen anderen Bands - von Idles, Meat Wave, Lardo, Pile, Piles, Tunic.
So, und das kratzt noch nicht mal an der Oberfläche. 2017 war genau so gut wie jedes andere Jahr. Außer dass halt alles scheiße war, aber das wisst ihr ja selbst.
Das Blog
Hmm, joa. War ein schwieriges Jahr, in dem sowohl mein Zeit- als auch mein Finanzbudget empfindlich zusammengeschrumpft ist und ich mich zwischenzeitlich schon fragen musste, ob ich die Kosten für das Betreiben eines Blogs mit angeschlossenem Radio (90% des Geldes geht dabei für digitale Musikkäufe drauf) überhaupt noch wuppen kann. Es wird sehr eng, aber es geht gerade eben noch. Außerdem wird die Situation mittelfristig wohl auch nicht viel schlechter werden.
Zwei mal hab ich dem Blog ein neues Aussehen verpasst, dabei zwei Themes verschlissen, nach dem zweiten Anlauf war ich zufrieden. Von Blogs erwartet man heutzutage ja scheinbar, dass sie alle knallbunt und überladen aussehen und generell fast unbenutzbar sind. Da wird es inzwischen schon schwierig, ein technisch zeitgemäßes, minimalistisch aussehendes und dennoch anpassungsfähiges Theme im klassischen Bloglayout zu finden. Am Ende hab ich mal etwas Geld für das eigentlich viel zu komplexe Divi Theme ausgegeben und sozusagen die Fliege mit 'nem Amboss erschlagen. Die Fliege ist jetzt tot. Trotzdem wird es Zeit, dass ich mir mal ein paar grundlegende PHP-Kenntnisse zulege.
Die Leserzahlen stagnieren. Was will man auch erwarten in Zeiten, in denen vom Blogsterben schon gar nicht mehr geredet wird, weil Musikblogs inzwischen weitläufig als totes Medium gesehen werden. Ich glaube es sind jetzt einfach ein paar Jahre, durch die man sich halt durchbeißen muss und in denen eigentlich alle Medien von gewaltigen Umbrüchen geschüttelt und bedroht sind. Ich mach einfach weiter. 12XU ist das kleine bisschen DIY das ich drauf habe und ich hatte eh nie vor, die großen Massen zu erreichen.
By the way…
Heute rufe ich den Start Your Own Fucking Music Blog Day aus. Also los, macht. Ich will eure Blogs lesen!
Und das bringt mich zum Thema…
Die Blogs der anderen
Wie gesagt, ziemlicher Kahlschlag. Ich freue mich aber sehr, dass Manierenversagen wieder am Start ist. Ack! Ack! Ack! hat mich regelmäßig zum lachen, nachdenken, mit den Augen rollen und gute Musik hören gebracht. Und die RRRSoundZ-Crew ist nach wie vor ein hochgeschätzter subkultureller Gegenpol zu meiner doch sehr gitarrenlastigen Ausrichtung.
International hat sich auch nicht so viel getan, aber immer noch finde ich regelmäßig gutes Zeug z.B. bei Gimme Tinnitus, iamtheleastmachiavellian, The Mad Mackerel, Heartbreaking Bravery, Dusted & Social.
12XU Radio
Vielleicht haben es nicht so viele mitgekriegt, aber den 12xu Radiostream habe ich neulich mal ordentlich generalüberholt. Vorausgesetzt es ist gerade kein Strom- oder Internet-Ausfall, wird das Zeug jetzt nicht mehr vom Laut.fm-Server ausgespielt sondern kommt aus meinen eigenen vier Wänden. Der ganze Krempel läuft auf einem Odroid XU4 (sozusagen ein Raspberry Pi mit mehr Wumms), die Musik liegt auf einer externen Festplatte und möglich macht's die Skript-basierte, freie Streamautomations-Software Liquidsoap.
Nicht nur ist das Musikprogramm - derzeit grob eingeteilt in Neuheiten, Classics und alles andere aus dem 12XU-Archiv - jetzt anders gewichtet; es gibt auch endlich vernünftige Übergänge. Hat langes Schrauben an den Skripten gebraucht bis das nach meinen Vorstellungen funktionierte, aber ich finde jetzt kann sich das echt hören lassen. Es klingt endlich mehr nach einem Radio als nach einer Playlist. Geblieben sind leider die ätzenden Werbeblöcke und da ich mir auch in absehbarer Zeit keine eigene Gema/GVL-Lizenz leisten kann, muss das wohl auch so bleiben. Sorry.
Des weiteren bin ich gerade dabei, das bisher etwas kümmerliche Klassiker-Archiv ordentlich aufzubohren und es wird in Zukunft mehr, vielseitigeren und durchaus auch obskureren old shit zu hören geben. Also hört ruhig mal rein!
Die monatliche Radioshow zu produzieren macht mir immer noch richtig Spaß, ist aber auch jedes mal ein ganz schöner Kraftakt, nach dem ich erst mal einen Tag Ruhe brauche.
Das Syndication-Gedöns läuft auch langsam aber sicher an. Derzeit läuft die Show auf vier anderen Stationen. Zuerst dachte ich den Scheiß will keiner haben. Aber nach und nach kommen die Buchungen rein, vermutlich hat die junge Syndication-Plattform Radiosendungen.com auch noch nicht so den Bekanntheitsgrad. Das wird aber noch. Die 12XU-Show ist da ja auch ein ziemlicher Exot.
Falls noch wer Bock hat den Krempel auszustrahlen, möge er sich einfach bei mir melden.
…und 2018?
Wird vorraussichtlich genau so ein deprimierendes Drecksjahr wie das alte. Ziemlich bald wird mir mal der Hals aufgemacht und mindestens 3/4 meiner Schilddrüse rausgepuhlt. Also nicht wundern, wenn hier zwischenzeitlich mal wieder etwas Funkstille einkehrt. Mit etwas Glück bin ich danach wieder etwas besser zu gebrauchen und krieg auch das Blog leichter gewuppt. Irgendwie kriegen wir 2018 schon rum.
Mittwoch, 17. Januar 2018 | Platten | Ambient, Experimental, Noise, Shoegaze
Die aktuelle digitale Single vom New Yorker Solokünstler Zoltán Sindhu aka Traumatologia (der wie's scheint auch bei den Indierockern Pom Pom Squad für den Bass zuständig ist) kommt nach zwei auf den ersten Blick deutlich nebulöseren, von dichten Nebelwänden, sinisteren Stimmen und verdrängten Erinnerungen durchzogenen EPs geradezu vor wie eine Popsingle. Greifbarer als bisher gewohnt, verlieren die zwei neuen Songs aber keineswegs ihren Blick auf die dunklen Orte der Psyche, die nach wie vor zwischen den Schichten aus Noise und Melodien ihr Unwesen treiben.
Die ersten beiden EPs waren wie ein schwarzer Abgrund, in den man erst mal versinken, sich an die Dunkelheit gewöhnen musste um die Schönheit darin zu erkennen. Hier nähert sich Sindhu scheinbar von der anderen Seite her. Die Musik wirkt im ersten Moment einladend und farbenfroh, offenbart erst nach und nach die Risse, den Verfall, die Wunden die sich dahinter verbergen. Alle drei bisherigen EPs tragen diese Gegensätzlichkeit in sich, ohne jemals stumpfen Elendstourismus zu betreiben. Es ist die mal offensichtliche, mal im Dunkeln verborgene Wärme und Menschlichkeit, die mich an dieser Musik so fasziniert und sie aus der großen Masse hervorhebt.
Traumatologia gehört derzeit zu den interessantesten Projekten im Dunstkreis von Noise, Ambient und elektronischen Klängen. Ich bin sehr gespannt, wohin die Reise noch gehen wird.
Mittwoch, 17. Januar 2018 | Platten | Emocore, Postcore
Fluid To Gas aus Bonn haben ihren Postcore schon gespielt zu einer Zeit, da wusste meine dumme, kleine Teenagerseele noch gar nicht was Postcore ist. Oder Hardcore überhaupt. Punk? War ein Begriff, aber ich noch nicht auf den Geschmack gekommen.
Das letzte Album der Band war von 2006. Hätte ich eigentlich mitkriegen können. Dummerweise war ich da mit ganz anderen Problemen beschäftigt, hatte gerade meine Plattensammlung verkauft, erholte mich langsam von einem sowohl Psychischen als auch materiellen Zusammenbruch, übernachtete auf 'ner Isomatte in einem Büro und fragte mich, wie zum Henker ich jetzt wieder ein festes Dach über'm Kopf organisiert bekomme. Keine Kapazitäten frei um eine wenig bekannte Band aus der ehemaligen Hauptstadt für mich zu entdecken.
Schlechtes Timing zum dritten: Zehn Jahre später veröffentlichen Fluid To Gas eine neue EP, zu einer Zeit, in der sich das Zielpublikum für klassischen Postcore praktisch in Luft aufgelöst hat. Oder auch gutes Timing: Ich bin noch da und höre jetzt zum ersten mal zu. Und mit dem, was ich da höre kann ich mich durchaus anfreunden. Postcore, der alten Männern Spaß macht und auch ein bisschen so klingt als wäre die Zeit irgendwann in den Neunzigern stehen geblieben. Zum Beispiel hat das so einiges von Shudder To Think, von Jawbox, Smart Went Crazy oder Q And Not U, plus vereinzelte Einsprengsel vom Emocore der ersten und zweiten Welle. Geht klar, das. Und in zehn Jahren gerne wieder!
Album-Stream →