Die dritte EP der Band aus Tokyo (auf Bandcamp für einen sehr, nun ja… japanischen, also recht gesalzenen Preis zu bekommen) gefällt mal wieder mit einem sehr verspielten Sound, der sich zu gleichen Teilen aus Garage- und Postpunk speist. Könnte man z.B. als eine postpunkigere Version von Reality Group oder eine garagelastigere inkarnation von Marbled Eye bezeichnen.
Das hier ist bereits das zweite Album, das die Band aus Melbourne in diesem Jahr veröffentlicht hat. Und so langsam müssen das dringend mal mehr Leute mitbekommen, denn wie schon der Vorgänger ist das Album ein definitives Highlight des Jahres. Unglaublich Ärsche tretender Punkrock ist das nach wie vor, mit variablem Garagenfaktor. Aber während das erste Album When Are You Going To Give Up On Me So I Can Give Up On Myself noch eine einzige kompromisslose Attacke war, ist der neue Langspieler abwechslungsreicher und melodischer ausgefallen. Eine subtile Noise-Kante hat das stellenweise und auch die folkigen Einflüsse der letzten EP scheinen vereinzelt wieder durch. Entsprechend fällt mir auch kein treffender Vergleich zu einer bestimmten Band ein, aber in unterschiedlichen Momenten kann man sich mal an X (sowohl die Amis als auch die Australier), Scientists oder Naked Raygun erinnert fühlen.
Phantom Works kommen aus Chicago, klingen auch nach Chicago. Absolut klassischer, intelligenter Lärm, der irgendwo im Noiserock/Mathrock/Postcore-Genrekomplex zuhause ist und deutliche Assoziationen zu den goldenen Touch&Go-Zeiten weckt.
Die New Yorker Sleepies lassen mal wider was von sich hören in Form eines ziemlich blauen Kurzspiel-Tapes. Ihre wuderbar fluffige Mischung aus Indie Rock und Postpunk, die man inzwischen schon fast wieder als oldschoolig bezeichnen könnte, hat über die Jahre kein bisschen von ihrem Charme eingebüßt.
Als ich das zweite Album Under Color Of Official Right von Protomartyr aus Detroit zum ersten mal zu hören bekam, traf mich ihre Musik ganz unvorbereitet. Der recht ordentliche Vorgänger No Passion All Technique gefiel mir schon nicht schlecht, ließ aber nicht annähernd erahnen, was für Höhen die Band später noch erklimmen würde. Plötzlich war da also diese angepisste Giftspritze von einer Platte, getragen von den außergewöhnlich einfallsreichen Arrangements einer Band, die mit allen Mitteln daran arbeitet, die Konventionen des Postpunk-Genres zu überwinden. Und ein perfekter Klangteppich für die von Joe Casey in einer Mischung aus Wut und Resignation vorgetragenen Vocals, die nicht selten in scharfzüngige Rants ausarteten. Viel besser kann zeitgemäßer Post Punk doch kaum werden.
Dachte ich. Und dann kam The Agent Intellect. Ein vor Ambition berstendes Album, das den Fokus stärker nach außen, auf das Weltgeschehen richtete und dessen Grundstimmung von tiefer Melancholie und Weltschmerz zu einem losen Konzeptalbum von epischen Ausmaßen kanalisiert wurde. Ein eindringliches Statement über die universellen Abgründe der menschlichen Existenz in einem Umfeld, das zunehmend den Verstand und jegliche Vernunft hinter sich lässt. Ich ging zu dem Zeitpunkt davon aus, dass Protomartyr damit ihren kreativen Zenit erreicht hatten.
Seither sind knapp zwei Jahre vergangen, deren Ereignisse sich in ihrer geballten Wucht anfühlen als wäre die Menschheit bereitwillig und vor Freude johlend in einen Pool aus Scheiße gesprungen. Man kann's auch nicht mehr ignorieren, der Gestank ist einfach zu penetrant und allgegenwärtig. Nun ist besagte Scheiße ja auch der Brennstoff für die Musik von Protomartyr, das Potenzial für ein ordentliches Feuer ist also gegeben.
Und was für ein prächtiges Feuer sie hier veranstalten! Wie schon beim letzten mal, als ich dachte, Protomartyr könnten da kaum noch einen draufsetzen, übertrifft sich die Band ein weiteres mal selbst. Die diversen Ereignisse sind natürlich nicht spurlos an Joe Casey vorbei gegangen. Direkter als je zuvor nehmen seine Lyrics Bezug auf das Zeitgeschehen, spiegeln mit deutlichen Worten und ausdrucksstarken Bildern die allgemeine Befindlichkeit, das Chaos, den Zerfall, die Verwirrung einer Welt wieder, die ihre bedrückendste existenzielle Krise seit langer Zeit durchlebt. Dazu passend schlägt auch die Musik zunehmend getragene, nachdenkliche Töne an. Mit abermals gesteigertem emotionalen Punch. Keine Frage, Protomartyr fahren mal wieder ganz beachtliches Drama auf. Dass das funktioniert, ist ihrem bis dato besten, sorgfältig konstruierten Songmaterial von beeindruckener dramaturgischer Finesse geschuldet. Die Platte ist eine verblüffende, niederschmetternde, spektakuläre Abfahrt. Und Protomartyr sind die wichtigste Band der letzten Jahre. Punkt.
Album Nummer drei der Noiserocker aus Toronto, die es derzeit wohl als einzige Band dieses Genres schaffen, ein gewisses Maß an Medien-Buzz zu generieren. Mir fielen so einige Bands ein, die das auch verdient hätten. Aber in der gegenwärtigen Aufmerksamkeits-Ökonomie der Musikmedien scheint kein Platz für mehr als eine derartige Band zu sein. Metz waren halt früh genug dabei, bevor alles den Bach runter ging (darüber habe ich mich hier ja schon mal ausgelassen…).
Große Veränderungen braucht man bei dieser Band ja nicht zu erwarten, dennoch kann man ein paar Neuerungen feststellen. So findet man auf dem neuen Album eine untypische, zaghaft eingesetzte Melodiösität und vereinzelte psychedelische Einflüsse, wie sie am deutlichsten in Sink zum tragen kommen. Ich bin diesbezüglich etwas gespalten. Einerseits überzeugt die Band immer noch am meisten, wenn sie in klassischer Manier losbollert. Andererseits wird es aber auch Zeit für musikalische Weiterentwicklung. Es ist nämlich fraglich, ob die Welt nochmal einen Neuaufguss der ersten zwei Alben braucht.
Schon wieder Herbst. Herbst ist immer 'ne Scheißzeit. Mein doofes Hirn braucht viel Sonne um halbwegs zu funktionieren und geht jetzt in den kalten Entzug. Aber auf eine Sache kann ich mich jeden Herbst freuen, und das schon seit einigen Jahren: Dass die Powerpopper The Persian Leaps aus St. Paul, Minnessota pünktlich zum September eine neue EP abliefern. Auch diesmal ist das wieder eine schön runde Angelegenheit geworden. Melodisch-melancholischer Powerpop, der keine übertriebenen Ambitionen hegt, dafür aber konstant und zuverlässig mit grundsolidem Songmaterial aufwartet.