Eigentlich mag ich ja Shoegaze, sehr gerne sogar. Aber irgendwie vermag mich aus der aktuellen Generation von Bands dieses Genres wenig zu begeistern. Ich kann nicht zu hundert Prozent benennen, warum das so ist.
Teil meines Problems mit aktuellem Shoegaze liegt wohl darin begründet, dass der Zeitgeist eher zugunsten von poppigen und leisen bis kaum wahrnehmbaren Dreampop-Klängen ausschlägt. Lärm ist gerade nicht angesagt. Entsprechend drehen sich die musikalischen Einflüsse und der Diskurs in den einschlägig bekannten Musikmagazinen derzeit vor allem um die mir persönlich vollkommen am Arsch vorbeigehenden Slowdive, die dieses musikalische Nichts perfektioniert hatten.
Eine andere Erklärung drängt sich mir auf, wenn ich mal wieder ein paar meiner persönlichen Genre-Favoriten von alten Bands wie Chapterhouse, Ride, Lilys, Swervedriver oder Pale Saints aus der Mottenkiste hole. Dann fällt mir auf, das jede dieser Bands ein ausgezeichnetes Gespür für zeitlose (Power-)Popsongs hatte. Mal sehr ausformuliert, mal eher vage und minimalistisch, aber immer ein funktionstüchtiges und sehr effektives Grundgerüst um die Arrangements der Bands zu tragen. Das geht meines Erachtens dem überwiegenden Teil aktueller Shoegazer vollkommen ab und viele davon täten gut daran, sich etwas auf diese alten Tugenden zu besinnen, anstatt endlos irgendwas an ihren Effektboards zu optimieren.
Das aktuelle Album von Secret Shine (Ja, ich weiß. Ganz so neu ist das nicht mehr.) illustriert das mal wieder bestens und zeigt, wie so was richtig geht. Die Band aus Bristol wurde 1991 gegründet, kam damit etwas verspätet in der Szene an und hat im Laufe der frühen Neunziger ein Album und 'ne Handvoll 7"s auf dem damals wichtigen Label Sarah Records veröffentlicht. Damals eine von vielen Bands, die nichts bahnbrechend neues fabrizierten, aber für einen konstanten Strom an grundsolidem Shoegaze sorgten.
In der heutigen Landschaft strahlt ihre neue Platte dafür umso mehr. Das Songmaterial würde ich mal als "ökonomisch" bezeichnen; auf das Wesentliche reduziert und keine Note zu viel, aber immer genug um den Songs ein klares Profil zu verpassen, sie nicht in der Beliebigkeit versinken zu lassen. Auch die Produktion der Platte trifft den Nagel auf den Kopf. Klar, druckvoll und vielschichtig, so wie viele der liebgewonnenen Klassiker. So muss das.
Das erste Lebenszeichen dieser Band aus Sydney kommt in der Form eines Lo-Fi-mäßigen Mitschnitts aus der titelgebenden Location. Der macht mit seiner wunderbar ungewaschenen Mischung aus Noise, Sludge und (Post-)Punk schon ganz schön neugierig und lässt hoffen, dass wir das Material in naher Zukunft auch mal in etwas höherwertigen Recordings zu hören bekommen.
Hui, da kommt einem ordentlich Wind entgegen auf dem ersten Langspieler dieser Band aus Mailand. Zu hören gibt's ersklassigen Postpunk der düsteren und energischen Sorte mit maximalem Angepisstheits-Faktor. Als Referenzen in der jüngeren Vergangenheit fallen mir so Bands wie Sarcasm, Negative Space, Disjoy oder Columns ein.
Wie aus dem Nichts kommt plotzlich diese Londoner Band daher mit einer brillianten Debüt-EP und einem Sound aus rohem, aber kontroliertem Post-/Artpunk und einem herzhaften Garage-Nachbrenner. Man darf sich dabei durchaus an so unterschiedliche Bands wie etwa Flipper, The Fall, Wire oder Swell Maps erinnert fühlen.
Das Synth-/Electropunk-Projekt um Frontmann Shawn Foree hat mal wieder eine Platte aufgenommen. Und wie er dazu auf der Bandcamp-Seite anmerkt: "Felt like shit during the entire process". Entsprechend gibt es auf lyrischer Ebene das gewohnt hohe Maß an Tod und Verderben zu verarbeiten. Aber was die Musik angeht, gehören die minimalistischen Arrangements der Platte - nach dem besonders grimmig klingenden letzten Album Whack Jam - mitunter zum poppigsten Material der Band.
Neue EP der New Yorker Postpunker. Wie zu erwarten setzt die den exzellenten, No Wave-inspirierten Postpunk fort, der schon auf zwei EPs und ihrem letztes Jahr erschienenen Debütalbum zu überzeugen wusste. Den neuen Songs haben sie im Vergleich dazu aber einen geradezu relaxt groovenden, stellenweise auch mal geringfügig krautigen Vibe verpasst.
Mit ihrem dritten Langspieler treffen Needles//Pins aus Vancouver für meinen Geschmack zum ersten mal so richtig den Nagel auf den Kopf. Klassische Jawbreaker-Schule trifft hier auf die stadionkompatiblen Hymnen und Americana-Einflüsse von Beach Slang und ähnlichem Zeug; außerdem auf die rohe Emotionalität von alten Leatherface, Samiam oder Hot Water Music. Die geballte Songpower der Replacements. Das ist natürlich alles andere als neu und unzählige Bands versuchen sich daran. Aber Needles//Pins zeigen hier in zwölf tadellosen Songs ganz eindrucksvoll, wie man sowas richtig macht.
Hinter dem Projekt Traumatológia verbirgt sich der Solokünstler Zoltán Sindhu. So wie der sich zwischen den Welten von New York und Budapest bewegt, bewegt sich ebenso auch die Musik auf seiner Debüt-EP zwischen den Welten von Noise, Ambient, Psychedelic, Industrial, Drone und Dreampop plus einem Hauch von Shoegaze und Postrock. Diese vielfältigen Einflüsse vermengen sich darauf zu einer durch und unwirklichen, albtraumhaften Atmosphäre.
Neue EP der Band aus Memphis, wie gewohnt auf Goner Records. Cruel Friend stürmt mal wieder ganz ohne Umschweife vorwärts mit dieser unverwechselbaren Melange aus Postpunk, Noise und Garage, mit der diese Band mich schon seit jeher zu begeistern wusste. Ebenfalls sehr überzeugend ist die B-Seite Violence, die mit ihrem vergleichsweise schleppendem Tempo eine ausgesprochen düstere Stimmung versprüht.