Nach einer ziemlich umwerfenden EP im letzten Jahr hält diese israelische Band das hohe Niveau und den Energielevel in ihrer ganz eigenen, exquisiten Spielart des strukturierten Chaos'. Das ist erneut ein lärmiger Tritt in die Weichteile, der seinen Ursprung irgendwo zwischen den groben Spezifikationen von Noise Rock, Post Punk, Hard- und Postcore hat und zumindest oberflächliche Ähnlichkeiten etwa zu Cutie, Big Bopper, Brandy, und frühen Patti aufweist… und als besondere Krönung eine großzügige Dosis Big Black obendrein!
Diese nach dem sehr unrühmlichen Summer Of Love einer Allianz aus Nu Metal-Bros und misogynen Drecksäcken benannte Band aus Cleveland, Ohio war schon immer ein, sagen wir mal… etwas gewöhnungsbedürftiges Geschmäckle, aber auch ein unerhörter Spaß - vorausgesetzt sie übertreiben es nicht zu sehr mit dem Weed, dem Fred Durst und den vereinzelten Stoner-Anleihen. Und neuerdings auch: Das zuende spielen ihrer EP einer beschissenen KI überlassen, ein ganz neues Laster in ihrem Arsenal! Ansonsten präsentiert sich das hier aber problemlos als ihre stärkste Veröffentlichung bislang und absolutes Pflichtprogram für Freunde des einfallsreichen, unvorhersehbaren Hardcorelärms mit Garagenkante in einem ähnlichen Fahrwasser wie etwa Cement Shoes, Cülo, Chain Whip, Headcheese, Flea Collar… um nur einige der offensichtlichen und durchweg schmeichelhaften Referenzen abzuhaken.
Diese New Yorker Band ist irgendwie ein seltsames, dem Zeitgeist trotzendes Biest, das seiner Neigung zum Punk, Grunge und Indie Rock der späten '80er bis frühen '90er ungezügelten Lauf lässt. Auch wenn der erste Song hier ganz unsubtil Nirvana betitelt ist, würde ich sie eher mit frühen Mudhoney und der lärmigen, frühen Inkarnation der Pixies vergleichen, mit weiteren Anleihen von, sagen wir mal, U-Men, Scratch Acid und Drive Like Jehu. Im Grunde also genau die Art von Band, die vor so ca. 15 Jahren, auf dem vorübergehenden Gipfel der ersten 90er-Nostalgiewelle, diverse Pitchfork-Schreiberlinge feucht im Schritt werden ließ. Heute hingegen ist diese Platte eine obskure, schrullige Kuriosität und das macht sie für mich umso liebenswerter.
Eine neue (Co-)Veröffentlichung auf Dischord und wie das ja dort üblich ist, haben wir es erneut mit einer Band zu tun, deren Mitglieder schon ihre Finger in einem ganzen Arsch voll bedeutsamer Bands über mehrere Jahrzehnte der lokalen Punkszene drin hatte. Zu den geläufigsten davon dürften Kerosene 454, Channels, Beauty Pill, Soccer Team, Office of Future Plans, Alarms And Controls gehören und um das Namedropping-Kreisgewichse zu vollenden, ist das ganze auch noch von J. Robbins (Jawbox) produziert. Aber hier ist die Sache mit so vielen jüngerer Dischord-Veröffentlichungen: Die klingen selten nach einem müden Neuaufguss oder einer rentablen Nostalgie-Veranstaltung. Das ist eine ungleubliche Qualität dieser speziellen Szene: die Fähigkeit, einerseits die eigene Tradition nicht zu verleugnen und gleichzeitig immer noch so dringlich und leidenschaftlich zu klingen wie am ersten Tag. Bereit, im kreativen Prozess die nötigen Extrameilen zu gehen, macht man hier keine halben Sachen und "gut genug" ist niemals gut genug.
Das englische Trio Leaves schert sich ganz offensichtlich einen Scheiß um aktuelle Trends der britischen Szene und ich finde das sehr erfrischend. Stattdessen betätigen die sich in einer klassischen Melange aus Postcore, Noise- und Math Rock, die mehr nach Chicago, dem erweiterten Touch and Go-Universum und verwandtem Krempel klingt. Kompetent und beherzt wird hier eine Ästhetik revitalisiert, die in letzter Zeit doch etwas rar geworden ist. Die offensichtlichsten Referenzen wären hier Slint, aber auch mit Bands der Sorte Tar, Unwound, frühen Shellac and späten Bitch Magnet läge man hier nicht falsch, sowie einer Spur von Chavez oder Polvo und sogar etwas kraftvollen '90er Dischord-Vorschub kann man besonders in Do Something erkennen. Was jüngere Bands angeht, böten sich auch frühere Pile und - noch viel treffender - Luggage als stilistisch eng verwandte Beispiele an.
Ein echtes Wunderwerk des von Covid-Lockdowns motivierten Lärms, erschaffen von einem zwei Generationen umspannenden britischen Trio, kommt jetzt mit etwa dreijähriger Verzögerung auch mal noch bei uns an. Ein halsbrecherischer Mix aus Garage Punk mit Brass-Zusätzen, Hard- und Postcore, verschmilzt das Zeug die Tendenzen jüngerer Phänomene wie, sagen wir mal, Cement Shoes, Crisis Man oder Mystic Inane mit den ebenbürtig lärmigen Sounds von X in den frühen bis mittleren 80ern - der australischen Band namens X, wohlgemerkt. Das alles wäre aber nur ein halber Spaß ohne ohne die ansteckende Freude in den Vocals von Sängerin Eliza, die - wenn ich das alles richtig einschätze - zum Zeitpunkt der Aufnahme 2021 gerade mal sechs oder sieben Jahre jung war.
Die Hard-/Postcore-Institution Sorry State Records aus Raleigh, North Carolina hat zwei neue Leckerbissen für uns auf Lager. Zuerst wäre da mal die Demokassette von Chaos OK aus Atlanta zu nennen. Der Name suggeriert ja schon mal oldschool britischen Lärm und in der Tat hat das zu Beginn so einen leicht UK82-mäßigen Vibe, welcher daraufhin aber recht schnell in eine etwas aktueller wirkende Form übergeht, nicht unähnlich zu leicht Garage-infizierten Hardcore-Acts á la frühe Electric Chair oder Kaleidoscope. Die letzten zwei Songs kommen hingegen rüber wie eine Mischung aus zeitlosem Noise, Post Punk und Postcore, irgendwo zwischen den Welten etwa von Crass, Flipper und Drive Like Jehu. Aufregender Scheiß!
Eine ähnlich oldschoolige, wenngleich auch bei weitem primitivere Naturgewalt ist die neueste 7" der Finnen Valtatyhjiö, die hier vor allem mittels schierer Krafteinwirkung überzeugen und diverse Eigenschaften von überwiegend europäischem '80er Hardcore mit - und damit schließt sich der Kreis bezüglich britischer Einflüsse - klar NWOBHM-inspirierten (Speed-)Metal-Versatzstücken anreichern.
Exzellenten Scheiß auf dem schmalen Grat zwischen Hard- und Postcore, angereichert mit einem Hauch von Garage bekommen wir auf der Debüt-EP von Jug aus Winnipeg, Kanada geliefert - astreine Qualität mal wieder von der immer zuverlässigen Krachschmiede Neon Taste Records aus Vancouver. Dieser Sound verkörpert genau die raubeinig-kaputten Qualitäten, die ich in diesen Genres immer suche und klingt dabei aber jederzeit halbwegs durchdacht und solide gebaut Unter anderem mag man da Vergleiche ziehen zu so Bands wie Acrylics, Mystic Inane, Arse, Daydream, Video, Crisis Man, frühen Bad Breeding… und es gibt sogar eine überraschende Spur von '77 New York in My Bodie's Doomed zu bewundern!
Ähnliches lässt sich auch über die Debüt-LP von Innuendo aus Wisconsin sagen - und zwar in einer empfindlich dümmeren, gleichwohl aber auch freudig popotretenden und wunderbar primitiven Variante davon. Das Teil ist zuletzt bei Unlawful Assambly und Roach Leg Records erschienen und darauf finden die irgendwie so einen goldenen Mittelweg zwischen simpler und dummer oldschool Hardcore-Energie und KBD-getränkter Garage-Demenz - bewährte Zutaten werden hier auf eine Art zelebriert, die sich noch immer ausgesprochen frisch und lebendig anfühlt.
Die dritte EP dieser New Yorker präsentiert sich erneut als eine überwältigend räudige Angelegenheit aus gleichermaßen schlauem wie auch wild amok laufendem Postcore mit oberflächlichen Ähnlichkeiten zu so Bands wie Mystic Inane, Wymyns Prysyn, Launcher, Cement Shoes oder Liquid Assets. Neu in ihrem Reportoire sind hier die stark melodischen Vibes á la Drive Like Jehu-treffen-auf-Leatherface… Intuitiv sollte das eigentlich nicht gut gehen, aber hier fluppt das dennoch ganz gewaltig!
Es hat für die Band aus Sydney so etwa ein halbes Jahrzehnt dafür gebraucht aber tatsächlich gibt's hier nun ihre dritte EP zu beglupschen, in ihrem vollen Glanz und endlosen Spektakel. Ihre ureigene Fusion aus Noise Rock, Hard- und Postcore hält die nervöse Energie der Vorgänger aufrecht aber schraubt gleichwohl genug an den Parametern rum um spannend zu bleiben, zum Beispiel in Shame Bomb, worin sich ein von ihnen bislang ungehörter Sinn für Melancholie breit macht. Andererseits kommt man jetzt in Songs wie Level Skipper und Prick in the Franger wieder ziemlich nah an das Tempo und den Zerstörungslevel des Debüts heran nach der etwas zurückhaltenderen Safe Word-EP, während Tracks wie Night Shift Blues erneut all den Dreck und Schmodder des oldschooligen Amphetamine Reptile-mäßigen Geriffes mit zwei Fäusten voll unnachgiebiger Hardcore-Energie vereinen.