An zeitgenössischem Psychedelic- und Space-Gedöns mangelt es dieser Tage ja keineswegs, wohl aber an Bands die sich trauen, die allzu ausgetretenen Pfade zu verlassen und diesen ergrauten, schon längst etwas abgestanden riechenden Genres ein wenig Frische zu entlocken. Writhing Squares sind da eine so lobenswerte wie auch hochpotente Ausnahme. Eine Hälfte des Duos aus Philadelphia ist ansonsten noch bei den Postpunkern Taiwan Housing Project anzutreffen, der andere Typ hat bei den stilistisch etwas näher gelagerten Purling Hiss seine Finger mit drin. 2016 fielen mir die beiden schon mal mit einem sehr appetitlichen Minialbum auf, aber der Nachfolger davon ist noch mal ein ganz anderes Biest, dessen Sound einerseits eine deutliche Entschlackungskur durchlaufen hat, andererseits aber genau dadurch stark an Form gewonnen hat und ein wenig so klingt als träfen sich mal Suicide, mal eher Big Black mit Hawkwind (oder heute eher: Destruction Unit), Chrome und MC5 zu einer bekifften Jamsession. Die minimal-Instrumentierung aus 70er Roland-Style LoFi-Beats, Bass und wahlweise mit Saxofon oder kosmischen Synth-Sequenzen obendrauf, verpasst der Sache eine ganz eigene Klangfarbe.
Trading Wreckage meldet sich mal wieder zu Wort, das "Fake Label" rund um ein in Austin, Texas ansässiges, nur lose definierbares Szenekollektiv im Dunstkreis von Noise und No Wave. Hier bereits zu bewundern gewesen in Form der Bands Flesh Narc und Gay Cum Daddies. Zu denen gibt's auch in dieser Formation wieder massive Überschneidungen im Lineup, insgesamt war an dieser Platte aber eine rotierende Besetzung von mindestens elf Krawallerzeugern beteiligt. Geringfügig geradliniger und zugänglicher wirkt das hier als bei den genannten Bands, in manchen Momenten fast schon tanzbar. Dennoch ist das Zeug alles andere als normal und nicht zuletzt aufgrund der epischen Spielzeit erstklassig nervtötend.
Lehnte sich das Debütalbum der New Yorker Combo mit Mitgliedern von u.a. Samiam und TV On The Radio an Bord noch mehr in die Richtung von untekühltem Postpunk und Industrial mit einem Hauch von Ministry, gibt sich ihre neueste 7" auf Mudguts etwas leichtfüßiger und verspielter, begrüßt den Hörer mit einer infektiösen, leicht dubbigen Groovekanone auf der A-Seite und weiß auch auf der B-Seite mit einer angenehm abgefahrenen Psychedelic Nummer sehr zu gefallen; jeweils mit einer wohldosierten Ladung Noise versetzt.
Ganz prächtiger Lärm aus Madison, Wisconsin. Der spannt gekonnt einen Bogen vom 80er Westküstenpunk zu den Garagensounds von heute und lässt beides dann in einem warmen Bad aus Fuzz Punk und Noisepop á la Male Bonding einweichen.
Ziemlich interessanter Stoff, die erste EP von Old Ghoul aus Reading. Es entfaltet sich darauf eine seltsam anmutende Mischkultur die zu etwa gleichen Teilen Assoziationen zu Slint hervorruft, zu dissonantem No Wave-Lärm und zu Frühneunziger-Postcore á la GVSB und artverwandtem Zeug aus den Dunstkreisen der damaligen Chicago/Washington-Connection.
Die Londoner Molar fielen vor zwei Jahren schon mal äußerst positiv auf in Form einer Split EP mit Pale Kids. Auf ihrer neuesten EP wirkt ihr Sound zwischen Postpunk/-core, Noise und vermehrten Flashbacks zum 90er Indierock-Sound noch eine ganze Nummer ausgeformter, dabei aber auch verdammt abwechslungsreich.
Für das (wenn ich nichts verpass hab) dritte Kapitel ihrer Kollaborations-Serie begeben sich die experimentellen Noiserocker Spray Paint aus Austin, Texas auf Kollisionskurs mit dem Londoner Weirdo Folk- und Garagenblues-Projekt The Rebel. Was dabei herauskam ist bislang mein Favorit der Reihe, aber ich bin ja auch nicht mehr ganz richtig im Kopf. Wie schon Dan Melchior auf der Contributers-Platte lockert auch The Rebel aka Country Teasers Frontmann Ben Wallers den Sound deutlich auf, verpasst ihm gleichzeitig aber eine noch viel schrägere Kante. Zwischenzeitlich kann das mal ein bisschen so klingen als wären frühe The Fall in einen Pot(t) aus halluzinogenem Kraut gefallen.
Aus Berlin kommt dieser dissonante Dreck zwischen Noise und Hardcore. So kranke Genossen die etwa Soupcans, Lumpy And The Dumpers, Gumming oder Vulture Shit abkönnen wird das Tape hundertprozentig zufriedenstellen.
Zwei Bands mit identischem Namen aber von zwei verschiedenen Kontinenten haben am gleichen Wochenende jeweils ihr aktuelles Album veröffentlicht. Reiner Zufall? Beide Platten können jedenfalls richtig was.
Die ersten Priors kommen aus Montreal, haben ihre Platte bei Slovenly Recordings untergebracht und zu hören gibt's Garagepunk von vergleichsweise geringer Originalität, was aber durch eine verdammt energische Darbietung mehr als ausgeglichen wird.
Die anderen Priors kommen aus Melbourne und die Platte gibt's vom Londoner Label La Vida Es Un Mus Discos. Darauf setzt es ziemlich derben Hardcorepunk, wie ich ihn am liebsten hab: vergraben unter einer fingerdicken Dreckschicht aus Noise. Dabei hält sich die Band glücklicher Weise nicht allzu strikt an die ausgelutschten Genre-Strickmuster.
Die Berliner Noise- und Postpunk-Combo bleibt eine spannende Angelegenheit. Ihr neues Tape geht jetzt einen Tick räudiger zur Sache als schon ihr starkes Debütalbum im Frühling, was meinen persönlichen Vorlieben natürlich sehr entgegen kommt. Der Sound verschiebt sich nun stärker auf die Postpunk-Seite ihrer Gleichung. Teilweise erinnert das stark an Negative Space oder Institute… oder gar an die erste Lower EP, deren Nachwirkungen vor allem in Less deutlich spürbar sind.