Nee, keine Angst. So schnell geht eure least trusted voice in music nicht unter. Aber um mich herum sehe ich die halbwegs relevanten Blogs und Magazine in beunruhigend hoher Frequenz wegpurzeln. Vorbei sind die Zeiten, in denen es ein fließendes Spektrum gab. Von kleinen, werbefreien Liebhaberblogs wie diesem hier, in die eine gewisse Menge Geld reingesteckt wird ohne dass das Projekt jemals einen Pfennig abwirft. (Nein, ich beschwere mich nicht. Das hab ich selbst so gewählt.) Über mittelgroße Publikationen, die zumindest ihre Kosten decken und evtl einen Nebenverdienst darstellen - bis hin zu den großen (weniger als) 1%, die mindestens eine Person ernähren, manchmal auch mehrere in Voll- oder Teilzeit angestellte Autoren bezahlen können.
Alle drei Gattungen sehe ich derzeit als gefährdet an. Vor allem fällt mir auf, dass die Luft bei den mittelgroßen Projekten echt dünn wird.
Das Problem dahinter ist so alt wie das Web. Wir sind es schon lange nicht mehr gewohnt, für gute Dinge im Web Geld zu bezahlen. Man kann es sich ja nicht mal aussuchen. Ob Facebook, Google, Youtube oder Soundcloud (Bandcamp ist da mal eine lobenswerte Ausnahme…): Alle diese Projekte konnten ihre Marktdominanz nur erreichen, weil sie unentgeltlich (keineswegs kostenlos) zu benutzen sind. Einen bezahlten Dienst anzubieten ist gar keine Option. Man wird immer gegen den Konkurrenten verlieren, der sich durch Werbung oder durch Sammlung und Verkauf von Nutzerdaten finanziert.
Von Anfang an waren also alle größeren Web-Projekte auf die Finanzierung durch Werbung angewiesen. Ich könnte endlos darüber kotzen, aber das ist die traurige Wahrheit. Und zumindest für ein paar wenige Player hat das Modell funktioniert. Der Haken ist nämlich: von einem kleinen Goldrausch um die erste Dotcom-Blase abgesehen, wirft Werbung gar nicht so viel Profit ab. Man musste als Blog oder Zine auch früher schon eine wuchtige Masse an Lesern erreichen, um davon ernsthaft Gehälter zahlen zu können. Pitchfork kann das. Die digitalen Überbleibsel der alten Musikpresse auch - mit einem brutal geschrumpften Gesamtbudget. Hype Machine und The Quietus dürften da ein ziemlicher Grenzfall sein, aber auch die konnten sich lange Zeit über Wasser halten.
Und jetzt hat's geknallt. Der digitale Anzeigenmarkt konzentriert sich mehr als je zuvor auf die beiden Web-Giganten Facebook und Google. Die beiden Unternehmen haben einfach die effektivsten Tricks und Methoden, ihre User zum Klick auf eine Anzeige zu manipulieren. Deshalb können sie auch noch vergleichsweise stolze Geldbeträge für ihre Dienstleistungen verlangen. Der Rest des Marktes ist praktisch weggebrochen. Bis zu 90% der Werbeeinnahmen sind vielen mittelgroßen Publikationen verloren gegangen. Und die großen? Vermutlich sind die auch betroffen. Der Verkauf von Pitchfork an Conde Nast ist in diesem Licht vielleicht verständlicher. Die Verantwortlichen haben womöglich schon geahnt, dass ihre Bude langfristig untergeht. Also besser den Krempel verkaufen, so lange er noch etwas wert ist. Für das Mittelfeld stellt sich jetzt die Frage: Auf volle Kanne Ausverkauf setzen? Den Laden dicht machen? Oder die Operation auf ein wirtschaftliches Minimum herunterfahren und auf Finanzierung durch Spenden hoffen? Das perverse an der Situation: Gerade Facebook hat seinen Erfolg überwiegend auf dem Content (argh! Jetzt hab ich das Wort gesagt…) von Fremdpublikationen gebaut.
Für einige etablierte Läden ist die Marschrichtung eindeutig. Pitchfork und Impose z.B kann man Inhaltlich kaum wieder erkennen. Von einer eigenwilligen, gerne auch mal bewusst kontroversen Publikation für Fans eines halbwegs weit gefassten, aber dennoch klar definierten Genrespektrums, hat sich vor allem Pitchfork innerhalb weniger Jahre zu einer hyperaktiven Schleuder von Promi-Gossip und Clickbait-Headlines gewandelt. Statt sich der Erschließung von Musikszenen außerhalb eines "sicheren" und vorhersehbaren Corporate Indie-Sumpfes zu widmen, wird die Aufmerksamkeit auf einschlägig bekannte Gesichter gerichtet, die eigentlich schon genug davon bekommen. Zieht halt mehr Leute.
Am anderen Ende der Skala hat die Advertising-Apokalypse zuletzt zwei Bastionen der unabhängigen Musikberichterstattung erwischt. Hype Machine hat dabei noch die Kurve gekriegt. Der wichtige Blog-Aggregator kann auf den finanziellen Support von derzeit ca. 3500 Unterstützern bauen. Damit sind die Kosten und Gehälter gedeckt. Jetzt hängt The Quietus in den Seilen. Wenn keine ausreichenden Spenden zusammen kommen, muss das Magazin mit dem grausigen Layout und hochwertigem Inhalt noch dieses Jahr dicht machen. Das ist besonders traurig. Denn auch wenn die musikalische Ausrichtung nicht immer meinen Nerv trifft, ist The Quietus doch eine der wenigen größeren Publikationen, die sich bislang nicht dem wirtschaftlichen Druck gebeugt und ihre Inhalte auf Massenwirkung optimiert haben. Und ich halte es immer noch für unglaublich wertvoll, dass gute Autoren sich ganz der Dokumentation und Analyse des aktuellen Musikgeschehens widmen, dass sie außerdem vernünftig davon leben können. Weil sie das einfach besser können als ich. 12XU ist schon cool, aber ich bin kein Musikjournalist. In meinen Augen schreibe ich deshalb auch keine "Artikel" oder "Reviews". Ich kann und will nur auf ein paar gute Bands aufmerksam machen. Blogs wie dieses können keinen professionellen Journalismus ersetzen.
Also werft in der Zwischenzeit ruhig mal etwas Kleingeld in Richtung der Magazine, die ihr lest. Langfristig müssen wir überlegen, ob das nicht besser die Normalität werden sollte. Dass Szenen und Communities ihre Medien wieder selbst finanzieren. Damit sie unabhängig bleiben. Außerdem ist Werbung eh scheiße und eigentlich gar nicht mit dem Geist der Musik vereinbar, für die unser Herz schlägt…
mach so weiter! ich entdecke viel gute musik über dein blog! und vielleicht hilft es dir ja zu wissen dass die bands die die musik produzieren die du featurest, meistens auch nie einen pfennig dafür sehen. blogs wie deins und die bands darin sind der letzte underground den es in diesen zeiten noch gibt. thumbs up! und bleib unabhängig!